Direkt zum Inhalt
Für eine andere Entwicklungspolitik!

Generelle Kommentare

Forum

Kommentar

Mi. 15 Dez 2010 - 23:31

Bernd Gerul, Bielefeld
Beitrag

Karl Dampf ist in seiner klaren Analyse nur zuzustimmen. Solange hier keine Änderung erfolgt, wird wichtigstes Ziel weiterhin die Arbeitzplatzerhaltung jedes Experten vor Ort sein, was ihm niemand verdenken kann. Wir sollten ehrlich und mutig die Systemfrage stellen: Was muss geschehen, damit die Wirkung nicht vornehmlich aus der Sicht des deutschen Experten, sondern verstärkt vom Standpunkt der nationalen Zielgruppe beurteilt wird.

So. 19 Dez 2010 - 19:10

Volker Seitz, Six Fours les Plages, Frankreich
Beitrag

Zur Meldung aus Nairobi vom 19.12.
Leider ist der Schwund von umgerechnet 80 Mio Euro nicht unwahrscheinlich.
Michela Wrong schildert in dem Buch "Jetzt sind wir dran"(It's our turn to eat) sehr anschaulich das sehr tief verwurzelte System von Korruption und Nepotismus in Kenia. Die Kenianer setzen offenbar inzwischen die Arglist der Herrschenden als selbstverständlich gegeben voraus. Das Buch beschreibt die Geschichte des John Githongo, der schließlich nach London fliehen mußte. Er hatte den Goldenberg-Skandal und den Skandal um Anglo Leasing aufgedeckt, was ihn in Lebensgefahr brachte. 2002 war die Regierung Kibaki mit dem Versprechen angetreten, den Korruptionssumpf trocken zu legen. Niemand glaubte damals, dass es noch schlimmer kommen könnte. Aber eine der ersten Maßnahmen der neugewählten Abgeordneten war eine Erhöhung ihrer Diäten, weshalb sie jetzt zu den bestbezahlten Parlamentariern nicht nur Afrikas, sondern der gesamten Welt gehören. Bürgerinitiativen in Kenia haben darauf hingewiesen, dass die Volksvertreter das 270-fache der normalen Kenianer verdienen. Wrong schreibt: "Die Geberorganisationen propagieren ein Bild von Kenia, das stark an Werbespots erinnert. Statt des wirklichen Kenias, eines armen Landes voller krasser Ungleichheiten, haben sie die platonische Idee von Kenia vor Augen, das Wunschbild eines afrikanischen Landes, das seit den Wahlen von 2002 beachtliche Wachstumssraten aufweist und in dem immer mehr Jugendliche regelmäßig zur Schule gehen. Seine Führung bemüht sich um Fortschritte und lässt sich zwar gelegentlich in Versuchung führen, strengt sich aber im Algemeinen an, ihr Bestes zu geben. Diese blitzsaubere Kenia sehen sie vor sich, wenn sie mit ihren Regierungen über weitere Hilfeleistungen diskutieren. ... man muß nicht geradeheraus lügen, um die Unwahrheit zu sagen. Es genügt, wenn man ein paar Dinge unauffällig weglässt und andere ein bisschen zu stark herausstreicht." Nach meinen Erfahrungen gilt dies für eine größere Anzahl von Ländern Afrika. Man braucht in dem Text nur Kenia durch ein anderes Land zu ersetzen.
Hilfsorganisationen haben ein großes Interesse, die Verhältnisse schön zu reden, um an weitere Mittel zu kommen. Jeder weiß: wenn es auf der Führungsebene an persönlicher Integrität fehlt, wenn es keine konsequente Bemühung um gute Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit und die Sicherung der bürgerlichen Freiheitsrechte gibt, dann werden unsere Steuergelder einfach in den Sand gesetzt.
Das Buch ist sehr empfehlenswert.

Do. 6 Jan 2011 - 03:57

Falco Riemer, Bonn
Beitrag

Zum Beitrag: Kurt Gerhardt, Köln, "Afrikas verpasste Exportchancen" von 2010-12-09 16:51:29

Sehr geehrter Herr Gerhardt,

die Ansätze des "Bonner Aufrufs" finde ich gut. Ihr Beitrag ist aber, auch wenn er das richtige Thema berührt, fehl am Platz. Er fördert eine falsche Sicht auf wirtschaftliche Beziehungen und Realitäten in Afrika.

Afrika produziert Güter, die auf dem internationalen Markt stark nachgefragt werden. So ist beispielsweise Burkina Faso mit 185 Tsd. Tonnen der dreizehnt-größte Baumwollproduzent weltweit. Baumwolle ist ein Produkt, das entlang der Wertschöpfungskette nicht unbedingt, wie auch von Ihnen gefordert, eine umfassend qualifizierte Arbeiterschaft benötigt.

Wesentliche Produktionssteigerungen können z. B. durch industrielles Pflücken, hohen manuellen Einsatz, gesteuerte Agrarkulturen und eine optimierte Logistik erreicht werden. Nicht zuletzt muss der weltweite Absatz sichergestellt sein. Insbesondere bei letzterem hat Burkina Faso große Probleme, da z. B. durch subventionierte Baumwolle der USA die Preise verzerrt werden, während ein Großteil der chinesischen und indischen Baumwolle in der Textilindustrie dieser Länder selbst verwertet wird. Diese Textilindustrie fehlt in Burkina Faso, dem internationalen Absatz kann sich das Land nur über ruinöse Preise stellen - zu Lasten des einheimischen Lohnanteils, der kaum einen ausreichenden Lebensstandard garantiert. Die Logistik im Land ist abenteuerlich, eine Steuerung der Agrarkulturen findet kaum statt, eine industriell optimierte Wertschöfpungskette lohnt sich, aus betriebswirtschaftlicher Sicht, kaum.

Auch Ihr Hinweis auf die EBA-Regel geht fehl. So behält sich die EU vor, im Fall einer vermuteten Schädigung der europäischen Landwirte, von Protektion Gebrauch zu machen. Wie gesehen bei den (auslaufenden) Zuckermarktregelungen: Seit Einführung der EBA im Jahr 2001 waren z. B. für Äthiopien die Einbußen beim Zuckererxport so hoch, wie die gesamten nationalen Ausgaben für die Bekämpfung von AIDS. Die relative Wirkungslosigkeit der EBA-Regel wird deutlich, betrachtet man die Exporte der least developed countries in die EU: diese nahmen seit 2001 um rund 10% zu, während der Anteil der EBA-Exporte an den Gesamtexporten nur rund 3% betrug. Hinzu kommen volkswirtschaftliche Realitäten wie z. B. die "Holländische Krankheit" bei rohstoffreichen Ländern, die die einheimischen Märkte und Mechanismen zusätzlich belasten: insbesondere durch den umfangreichen Export von Rohstoffen entstehen Aussenhandelsüberschüsse, die die einheimische Währung aufwerten und damit Absatzprobleme bei den übrigen exportierenden Industrien verursachen. Eine weitere Barriere sind die hohen Zölle im Süd-Süd-Handel der afrikanischen Länder untereinander, wobei die SSA-Länder meist auf diese Zölle als eine der größten Einnahmequellen angewiesen sind. Eine volkswirtschaftliche Realität ist auch, dass die Entwicklungshilfe selbst kontraproduktiv wirkt, da sie in der Regel 8% der Einnahmen der Länder in Afrika überschreitet. Sie bewirkt damit direkt eine Zementierung der bemängelten "verpassten Exportchancen Afrikas".

Es ist richtig, dass die Afrikaner, wenn man es pauschal sagen will, eine Mitschuld an der relativen Unattraktivität Ihrer Märkte tragen. Die mangelnde Motivation der Akteure vor Ort, daran etwas zu ändern, ist jedoch angesichts der Fülle der Herausforderungen und einer verfehlten Entwicklungspolitik, bei der sich "jeder mal versuchen darf" - angefangen beim einzelnen kleinen Entwicklungshelfer bis zum staatstragenden Millionenprogramm - mehr als verständlich.

Unternehmen haben durchaus die Attraktivität des afrikanischen Kontinents erkannt. Südafrika, Namibia, Botswana sind hier seit langem, und Ruanda seit kürzerem, interessante Beispiele. Der Rest des Kontinents bleibt jedoch, nicht nur aufgrund der oben genannten Hindernisse, aufgrund von mangelnder Infrastruktur, einem mangelnden Mittelstand als Absatzkanal und mittelständischen Unternehmen als Absatzmittler, relativ uninteressant und zu risikoreich. Allein Unternehmen, die sich mit lohnenden und robusten Produkten auf den Märkten behaupten können, haben einen vergleichbaren Wettbewerbsvorteil. Die Telekommunikationsbranche ist dabei besonders und gewinnbringend aktiv. Es wird jedoch noch bestimmt 50 bis 100 Jahre dauern, bis sich z. B. deutsche Maschinenbauer mit hochspezialisierten Drehmaschinen oder Bearbeitungszentren im großen Umfang, wie in Asien, in Afrika engagieren können oder wollen - das deutsche Idealverständnis von "Exportchance" wird in absehbarer Zeit niemals in Afrika greifen. Es gehören sowohl "die Afrikaner", die Bevölkerung und ihre politischen Führer, als auch Unternehmen, die direkt investieren oder exportieren wollen, zu den Leidtragenden einer verfehlten Entwicklungspolitik mit ihren falschen Anreizen und damit strukturellen Problemen: keiner kann wie er möchte und so suchen Unternehmen woanders Märkte, während Afrika weiterhin von einer Entwicklungshilfe profitiert, mit deren Hilfe sich jeder gut eingerichtet hat - auf Seite der Hilfeempfänger und der Helfenden. Der Aufbau vielfältiger und gewinnbringender Industrien wird so weder gefordert noch gefördert.

In diesem Zusammenhang nur darauf zu schimpfen, dass keine qualifizierte Arbeiterschaft vorhanden sei und die Afrikaner eine große, wenn nicht die größte, Mitschuld daran tragen, dass Exportchancen verpasst werden, greift zu kurz.

Mo. 10 Jan 2011 - 16:59

Kurt Gerhardt, Köln
Beitrag

zum Beitrag von Falco Riemer vom 6.1.

... Afrika produziert Güter, die auf dem internationalen Markt stark nachgefragt werden.

KG: "Aber so gut wie keine, die mit Hilfe afrikanischer Intelligenz und
Qualifikation so hergestellt und verarbeitet sind, dass sie auf dem
Weltmarkt gewinnbringend verkauft werden können."

So ist beispielsweise Burkina Faso mit 185 Tsd. Tonnen der dreizehnt-größte Baumwollproduzent weltweit. Baumwolle ist ein Produkt, das entlang der Wertschöpfungskette nicht unbedingt, wie auch von Ihnen gefordert, eine umfassend qualifizierte Arbeiterschaft benötigt.

Wesentliche Produktionssteigerungen können z. B. durch industrielles Pflücken, hohen manuellen Einsatz, gesteuerte Agrarkulturen und eine optimierte Logistik erreicht werden. Nicht zuletzt muss der weltweite Absatz sichergestellt sein. Insbesondere bei letzterem hat Burkina Faso große Probleme, da z. B. durch subventionierte Baumwolle der USA die Preise verzerrt werden, während ein Großteil der chinesischen und indischen Baumwolle in der Textilindustrie dieser Länder selbst verwertet wird. Diese Textilindustrie fehlt in Burkina Faso,

KG: "Warum? Wer hat sie verhindert?"

dem internationalen Absatz kann sich das Land nur über ruinöse Preise stellen - zu Lasten des einheimischen Lohnanteils, der kaum einen ausreichenden Lebensstandard garantiert. Die Logistik im Land ist abenteuerlich, eine Steuerung der Agrarkulturen findet kaum statt, eine industriell optimierte Wertschöpfungskette lohnt sich, aus betriebswirtschaftlicher Sicht, kaum.

KG: "Wer ist für diese Mängel verantwortlich - die Länder des Nordens oder
die Afrikaner selbst?"

Auch Ihr Hinweis auf die EBA-Regel geht fehl. So behält sich die EU vor, im Fall einer vermuteten Schädigung der europäischen Landwirte, von Protektion Gebrauch zu machen.

KG: "Das ist aber nicht geschehen."

Wie gesehen bei den (auslaufenden) Zuckermarktregelungen: Seit Einführung der EBA im Jahr 2001 waren z. B. für Äthiopien die Einbußen beim Zuckererxport so hoch, wie die gesamten nationalen Ausgaben für die Bekämpfung von AIDS. Die relative Wirkungslosigkeit der EBA-Regel wird deutlich, betrachtet man die Exporte der least developed countries in die EU: diese nahmen seit 2001 um rund 10% zu, während der Anteil der EBA-Exporte an den Gesamtexporten nur rund 3% betrug.

KG: "Nachdem in den letzten Jahren die Einschränkungen bei Zucker,
Bananen und Reis ausgelaufen sind, kann alles frei in die EU exportiert
werden. Warum gibt es in den afrikanischen LDC's keine Unternehmen, die
dieses Privileg zu nutzen wissen?"

Hinzu kommen volkswirtschaftliche Realitäten wie z. B. die "Holländische Krankheit" bei rohstoffreichen Ländern, die die einheimischen Märkte und Mechanismen zusätzlich belasten: insbesondere durch den umfangreichen Export von Rohstoffen entstehen Aussenhandelsüberschüsse, die die einheimische Währung aufwerten und damit Absatzprobleme bei den übrigen exportierenden Industrien verursachen. Eine weitere Barriere sind die hohen Zölle im Süd-Süd-Handel der afrikanischen Länder untereinander, wobei die SSA-Länder meist auf diese Zölle als eine der größten Einnahmequellen angewiesen sind.

KG: "Wer ist dafür verantwortlich, dass so viele afrikanische Regierungen
nicht in der Lage sind, ein effektives Steuersystem einzuführen - die
Länder des Nordens oder die Afrikaner selbst?"

Eine volkswirtschaftliche Realität ist auch, dass die Entwicklungshilfe selbst kontraproduktiv wirkt, da sie in der Regel 8% der Einnahmen der Länder in Afrika überschreitet.

KG: "Niemand verpflichtet die Afrikaner, so viel Entwicklungshilfe
anzunehmen."

Sie bewirkt damit direkt eine Zementierung der bemängelten "verpassten Exportchancen Afrikas".

Es ist richtig, dass die Afrikaner, wenn man es pauschal sagen will, eine Mitschuld an der relativen Unattraktivität Ihrer Märkte tragen. Die mangelnde Motivation der Akteure vor Ort, daran etwas zu ändern, ist jedoch angesichts der Fülle der Herausforderungen und einer verfehlten Entwicklungspolitik, bei der sich "jeder mal versuchen darf" - angefangen beim einzelnen kleinen Entwicklungshelfer bis zum staatstragenden Millionenprogramm - mehr als verständlich.

KG: "Mit einer solchen Haltung zementiert man Unterentwicklung."

Unternehmen haben durchaus die Attraktivität des afrikanischen Kontinents erkannt. Südafrika, Namibia, Botswana sind hier seit langem, und Ruanda seit kürzerem, interessante Beispiele. Der Rest des Kontinents bleibt jedoch, nicht nur aufgrund der oben genannten Hindernisse, aufgrund von mangelnder Infrastruktur, einem mangelnden Mittelstand als Absatzkanal und mittelständischen Unternehmen als Absatzmittler, relativ uninteressant und zu risikoreich. Allein Unternehmen, die sich mit lohnenden und robusten Produkten auf den Märkten behaupten können, haben einen vergleichbaren Wettbewerbsvorteil. Die Telekommunikationsbranche ist dabei besonders und gewinnbringend aktiv. Es wird jedoch noch bestimmt 50 bis 100 Jahre dauern, bis sich z. B. deutsche Maschinenbauer mit hochspezialisierten Drehmaschinen oder Bearbeitungszentren im großen Umfang, wie in Asien, in Afrika engagieren können oder wollen

KG: "Aber nicht, weil sie etwas gegen Afrika hätten. Unternehmer
investieren da, wo sie unter akzeptablen Bedingungen profitabel
wirtschaften können. In den meisten afrikanischen Ländern sind diese
Bedingungen nicht gegeben. Für deren Schaffung sind nicht die
ausländischen Unternehmer zuständig."

- das deutsche Idealverständnis von "Exportchance" wird in absehbarer Zeit niemals in Afrika greifen. Es gehören sowohl "die Afrikaner", die Bevölkerung und ihre politischen Führer, als auch Unternehmen, die direkt investieren oder exportieren wollen, zu den Leidtragenden einer verfehlten Entwicklungspolitik mit ihren falschen Anreizen und damit strukturellen Problemen: keiner kann wie er möchte und so suchen Unternehmen woanders Märkte, während Afrika weiterhin von einer Entwicklungshilfe profitiert, mit deren Hilfe sich jeder gut eingerichtet hat - auf Seite der Hilfeempfänger und der Helfenden. Der Aufbau vielfältiger und gewinnbringender Industrien wird so weder gefordert noch gefördert.

In diesem Zusammenhang nur darauf zu schimpfen, dass keine qualifizierte Arbeiterschaft vorhanden sei und die Afrikaner eine große, wenn nicht die größte, Mitschuld daran tragen, dass Exportchancen verpasst werden, greift zu kurz.

Mi. 12 Jan 2011 - 09:55

Dr. Martin Schneiderfritz, Natitingou, Bénin
Beitrag

Mikrokredit und "Klein-Madoff" in Benin

1. Mikrokredit - nützlich als Kern-Idee, pervertiert als Massenpraxis

Nachstehend zwei Passagen aus neueren Presseveröffentlichungen, die aktuell, kurz und treffend den Stand des Abstiegs der Mikrofinanzbewegung charakterisieren :

Mikrokredit, Wunderwaffe gegen Armut :
"Der globale Siegeszug des Mikrokredits hat mehrere Ursachen. Pionier Muhammad Yunus verbindet Charisma, rhetorisches Geschick, Authentizität und persönliche Integrität. Einen besseren Promoter hätte sich die Bewegung gar nicht wünschen können. Doch wichtiger ist, dass das Mikrokreditwesen wunderbar zu den Wünschen der Entwicklungshilfe-Organisationen passt, ihr Geld loszuwerden.
Heute gibt es sage und schreibe 70.000 Mikrofinanzierungs-Institutionen, ………. quasi jedes Entwicklungshilfeprojekt, das irgendwo auf den Wege gebracht wird, hat eine Mikrofinanzierungs-Komponente. Aber was bringt es wirklich? Die Frage nur zu stellen, grenzt an Häresie.
Das Problem ist der Anspruch, mit dem das Mikrokreditwesen gelabelt und verkauft wird : eine Wunderwaffe gegen die Armut."
(s. Winand von Petersdorff : "Die Propaganda des Muhammad Yunus - Der bengalische Nobelpreisträger ist der Superstar der Entwicklungspolitik. Seine Mikrokredit-Idee hat sich auf der ganzen Welt ausgebreitet. Doch der Erfolg ist zweifelhaft." in : "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" vom 26. September 2010)

Mikrokredit, Pervertierung und Korrumpierung der Idee durch Aufstieg zum globalen Massengeschäft :
"Ungefähr zur Zeit der Friedensnobelpreisverleihung an Muhammad Yunus in 2006 begann der weltweite Boom der Branche, der eBay-Gründer Pierre Moidyar förderte mit einer 100-Millionen-Dollar-Spende den Aufbau eines kommerziellen Mikrokreditwesens in armen Ländern. Die Stiftungen von Bill Gates und dem Computerhersteller Dell sprangen mit noch grösseren Summen ein. Bald überholten Finanzriesen wie die Deutsche Bank und Morgan Stanley die Philantropen und legten Investmentfonds für Mikrokredite auf. Die indischen Grossbanken waren ihnen bereits vorausgeeilt. Auf diese Weise entstand in Indien innerhalb weniger Jahre der grösste Mikrokreditmarkt der Welt". Die Folge : "Die Branche hat ihr soziales Prestige mittlerweile eingebüsst". Das Wort von "der Mikrofinanzmafia" macht die Runde.
(s. Georg Blume : "Mikrokredite - Selbstmord einer grossen Idee", in : "Die Zeit" vom 18.11.2010)

Die oben zitierte Entwicklung von Idee und Praxis des Mikrofinanzgeschäfts mit seinen für die Grossverleiher - bisher - traumhaften Wachstums- und Renditechancen ist auch für afrikanische Länder zu beobachten. Allerdings sind dabei die folgenden Besonderheiten und Durchführungs-modalitäten zu beobachten :
ï‚— An die Stelle der privaten Finanzriesen tritt die internationale Kooperation in ihrer vielfachen bi- und multilateralen Form.
ï‚— Die Finanzströme laufen über staatliche oder parastaatliche Strukturen (wozu die meisten der nationalen ONG de facto zu rechnen sind), es sei denn, die Förderung des Mikrofinanzwesens ist Teil eines Projekts oder Programms der Entwicklungszusammenarbeit. An der Spitze dieses Verteilungsapparats steht in der Regel ein Ministerium, in dem die Mikrofinanz-Politik und -Durchführung des Landes ressortiert.
ï‚— Wenn es für die indischen - und die anderen Kleinkredit-Grossfinanziers - zutreffend heisst, dass sie statt wie die Grameen-Bank nach gemeinnützigem Zweck heute nach Profit streben, gilt für den Mikrokreditverwaltungsbereich in afrikanischen Ländern die Feststellung : Die staatlich dominierte Strukturierung und Kontrolle der Kreditvergabe an die Endverbraucher bergen ein strukturell erhöhtes Risiko der Misswirtschaft und persönlichen Bereicherung.

2. Die zwei Richtungen der Fehlentwicklung des Mikrofinanzwesens : der "indische Weg" und die "afrikanische Ausprägung" :

Die zwei vorstehend wiedergegebenen einschlägigen Zitate erinnern an die Entwicklung der Mikrofinanzidee, ihre Institutionalisierung und Globalisierung, ihre Pervertierung weg vom Ziel der Armutsbekämpfung und wirtschaftlichen Entwicklung der Basis hin zur Nutzung als Profitmaschinerie. Das Ganze eindrucksvoll vorgeführt in Indien.

Allerdings : Den "indische" Weg in die Vermassung und Profitorientierung des Mikrokreditwesens ist Afrika (die Beobachtungen hierzu beziehen sich auf das Phänomen in mehreren Ländern Westafrikas, exemplifiziert und besonders gut zu besichtigen anhand des Beispiels der Republik Benin) noch nicht gegangen, eher wohl aus Mangel an Masse.

Der afrikanische Weg in die Mikrofinanzirre ist anders. Er läuft, wie oben angedeutet, über die Institutionalisierung und Strukturierung der Mikrofinanzströme, und zwar auf allen Ebenen der Politik, Verwaltung und letztendlichen Kreditvergabe vor Ort. Der Hic dabei : Alles läuft über staatliche, parastaatliche und ONG-Strukturen. Letztere, das ist leider der Trend, werden bisweilen nicht im Streben nach gemeinnützigem Zweck gegründet, sondern in der stillen Absicht, die Struktur zum eigenen Profit zu nutzen. Promoter solcher Initiativen sind auch im staatlichen Umfeld zu finden.

Als Konsequenz solcher Organisationspolitik stellt sich notwendigerweise die Herauslösung des Instruments "Mikrokredit" aus der individuell-lokal begrenzten und vertrauten Umgebung ein. Zunächst wird das Mikrokreditwesen auf nationaler Ebene zentralisiert. Diese Ebene ist, selbst wenn danach dezentralisiert mittels regionaler und lokaler Antennen oder Organisationen, der sozialen Kontrolle durch die lokalen Nutzer entzogen. Eine solche Kontrolle besteht etwa bei den traditionellen Spargemeinschaften ("tontines"). Die zentral dominierte Organisationsweise ist ein günstiges Biotop, besonders anfällig für die klassischen Akte der Veruntreuung und administrativen Misswirtschaft (s. dazu nachstehenden Beispielsfall), Akte, die sich vertikal, von oben nach unten, durch die das Mikrofinanzwesen bearbeitenden Strukturen ziehen. Auch die nicht minder klassische Praxis der "Kredit"-Vergabe an fiktive Kunden ist beliebt, desgleichen de-facto-Schenkungen an real existierende, verwandtschaftlich, politisch oder ähnlich verbundene Empfänger bei von Anfang an bestehendem Verzicht auf "Kredit"-Eintreibung. All das findet bei dieser Organisationsweise ein schönes Anwendungsfeld. Besonders die politisch indizierte Kredit-Vergabe ist in Vorwahlzeiten sehr geschätzt und verbreitet.

Solcherart organisiert, hat sich in der Republik Benin, aber auch in anderen das Mikrofinanzwesen unter Staatskontrolle ausbauenden Ländern West-Afrikas (vermutlich auch andernorts), eine blühende Institutionenlandschaft gebildet. Innerhalb dieser verteilt und refinanziert das für den Sektor zuständige Ministerium, über einen von ihm kontrollierten Nationalen Mikrokredit-Fonds, die Mikrokredite an die Endverbraucher. Diese Landschaft hat sich seit Erhebung des Mikrofinanzwesens zur Modeentwick-lungsstrategie explosionsartig vermehrt. Sie wächst weiter, wesentlich unter dem Druck der den Sektor tsunamihaft überschwemmenden bi- und multilateralen Finanzierungsangebote. In der Republik Benin existieren in diesem Rahmen derzeit 52 Mikrofinanzinstitutionen. Sie verantworten die Durchführung eines Programms "Mikrokredit für die Ärmsten" im gegenwärtigen Umfang von 39 Milliarden FCFA (Franc de la Communauté Financière Africaine ; Euro-Kurs: 650) für 728.000 Begünstigte. Viele dieser Institutionen funktionieren aufgabengerecht, vielleicht sogar in ihrer Mehrheit. Indes, sie zählen unter sich auch Altorganisationen, die bereits in der Vergangenheit katastrophales Management bewiesen haben. Ein Beispiel unter so manchen : In der Zeit vor 2008 wurden in einem als Organisation konstituierten Förderungsprojekt zur Entwicklung von Kleinunternehmen Mittel unterschlagen in Höhe von mehr als 1,5 Milliarden FCFA, keine Peanuts gemessen am Geschäftsumfang und der - ursprünglich gemeinnützigen - Zielsetzung dieser Art von Institution. Die ergiebigsten angewandten Methoden dabei waren klassisch. Allem voran : Vergabe fiktiver Kredite, dann : Zahlung von Phantasiegehältern an das Führungspersonal, Abrechnung von sachlich nicht gerechtfertigten Dienstreisen (meist ins Ausland) mit entsprechend aufgeblähten Kosten, sowie weitere ähnliche in solchen Fällen geübte Managementgymnastik. Eine Sanktion dieser Vorgänge wurde zwar formal eingeleitet, verlief aber traditionsgemäss im politisch-juristischen Sand. Heute ist die selbe Institution, nach wie vor ohne wirksame Kontrollgarantie und unverändert korruptionsanfällig, eine der emsigsten in der Kleinkreditvergabe (als eine Art "Wolf im Schafspelz", wie es in einer Glosse der lokalen Presse heisst).

Misswirtschaft wie die vorbeschriebene kommt natürlich überall, in allen Ländern und allen Managementkulturen, vor ; sie sollte nicht zu stark verallgemeinert und auf Afrika bezogen werden. Indes, in einem Land wie der Republik Benin erschöpft sie sich lange schon nicht mehr in Einzelfällen, sondern ist strukturtypisch geworden.

3. Der Fall Investment Consultancy and Computing Services (ICC-Services), ONG, oder : "Klein-Madoff" in Benin :

Der folgende Kurzabriss von Gestaltung und Ablauf eines Betrugsunternehmens in Benin à la Madoff/USA fusst auf einem FMI-Bericht vom 24. September 2010, seinen Feststellungen und Einschätzungen, seinen Zahlen. Diesen Bericht zu veranlassen, kam die Regierung nicht mehr umhin angesichts des Schadens, den ihre eigene Verwicklung in dieses Unternehmen sowohl volkswirtschaftlich wie auch bei einfachen Leuten, eigentlich Mikrokreditkandidaten, angerichtet hat. Diese Verwicklung, direkt und indirekt, jedenfalls aber massiv, hatte quasi-regierungsamtlichen Charakter. Sie geschah in zwei Formen : aktiv durch Einlagen von auf Präsidial- und Regierungsniveau engagierten Personen, sowie passiv durch Unterlassen regulativer sanktionierender Massnahmen durch die zuständigen Finanzaufsichtsbehörden. Das Ganze kann füglich die Mutter aller Skandale der Ära des derzeitigen Staatspräsidenten genannt werden. Es hat unter der Bevölkerung erheblichen Protestdruck aufgebaut, stärker als in der an Skandalen nicht armen jüngeren Vergangenheit. Und dieses ist von Bedeutung für die bevorstehende Präsidentschaftswahl.

Die Tatsachen :
Ziel der FMI-Enquête war, "zu verstehen, wie die Urheber des Betrugsunternehmens ICC-Services
ausreichend lange operieren konnten, um einen Schaden des eingetretenen Umfangs anrichten zu können". In der Tat, die fragliche Periode war kurz, aber ergiebig im Einsammeln von Kapital : vom Aktivitätenbeginn Dezember 2008 bis zum - schüchternen - Beginn, Juni 2010, des die illegalen Aktivitäten zu stoppen versuchenden Regierungshandelns. Bis dahin hatte keine der mit Finanzaufsicht und -kontrolle betrauten Regierungsstellen auch nur den kleinsten regulatorischen oder sanktionierenden Finger gerührt. Ausreichende gesetzliche Grundlagen hierzu existierten und waren operationalisierbar. Fast zwei Jahre lang wurde derart das illegale Agieren einer illegalen Finanzinstitution offiziell toleriert - und inoffiziell zum persönlichen Vorteil der ersten Grossanleger genutzt. ICC-Services hat diesen Freiraum ausgeschöpft und ein landesweites bis zur Basis reichendes Vertriebsnetz aufgebaut. In diesem Rahmen operierten Drückerkolonnen bis in Präfekturen, Gemeinden und bäuerliche Basisorganisationen hinein. Mehr noch - und das ist der Skandal im Skandal : Der Staat war nicht nur finanzaufsichtlich untätig, dem "Klein-Madoff"-Unternehmen dadurch den Anschein der Legalität vermittelnd, er hat ihm auch diejenige moralische Autorität verliehen, die letztlich Scharen von Klein- und Kleinstanlegern dazu bewegten, dem Unternehmen ihr bisschen Geld anzuvertrauen. Der Staatspräsident selbst hat die ICC-Services-Führung offiziell empfangen, das Aufhängen seines Photos in den Filialen toleriert, sein Umfeld in Präsidialamt und Ministerien von den wunderbaren Geldvermehrungsfazilitäten des Unternehmens profitieren lassen. Parlamentarier der präsidentennahen Parteien, Minister, Mitglieder der Nomenklatura, alle pflegten sie jedermann sichtbare und sichtbar von der Regierung abgesegnete Kontakte zum Unternehmen.

Das Geschehen um das Phänomen von ICC-Services verlangt, was die Rolle der Regierung angeht, der Korrektheit halber den Hinweis darauf, dass dieser "Dienst" seinen Ursprung hat in der grössten Freikirche Benins, den sog. Chrétiens Célestes. Ein Profiteur in der Sache, selbst Mitglied dieser Kirche und Beauftragter des Innenministeriums für religiöse Fragen, hat im Juli 2010 in der lokalen Presse sein gewundenes mea culpa gemacht : "ICC-Services ist Mitglied des 'Christianisme Céleste' und hat viel Gutes für unsere Brüder getan." und : "Der Verantwortliche von ICC-Services hat sein Betrugsmaschinerie auf regierungsnahe Persönlichkeiten gestützt zwecks Kontakterleichterung mit der Bevölkerung." Diese Genese des ICC-Services-Phänomens im kirchlichen Bereich enthebt die Regierung jedoch in keiner Weise ihrer Verantwortlichkeit für das ganze Desaster. Sie wird allenfalls noch erweitert durch die nicht wahrgenommene, dem Innenminister obliegende verwaltungsrechtliche Aufsicht über die kirchlichen Institutionen. Der Ressortchef, selbst einer der kapitalstärksten persönlichen Nutzniesser des Systems, ist derzeit inhaftiert, eben deswegen. Immerhin.

Die Ergebnisse der "Geschäftstätigkeit" von ICC-Services :
Die Geschäftsidee ist klassisch, einfach und weltweit "bewährt". Der FMI-Bericht erinnert daran als eine sogenannte "Ponzi"-Struktur, ein Kapitalsammelsystem, das auch der Affaire Madoff/USA zur kurzzeitigen Blüte, wenn auch in anderen Dimensionen, verholfen hat. Auf diesem - durchaus nicht neuen - System basiert das in Benin konsequent durchgezogen Szenario mit seinen folgenden Phasen :
ï‚— Zusage einer Zinszahlung von 100 bis 300% ;
ï‚— effektive Zinszahlung in der versprochenen Höhe an die ersten Wellen der (meist Gross-)Anleger (Madoff, der echte, lässt grüssen) ;
ï‚— Marketingkampagne zur Glaubwürdigkeitspflege, u.a.: öffentliche Publizität zur Bestätigung der effektiv erfolgten Zinszahlungen an die ersten Anleger, darunter auch solche aus dem staatsnahen Umfeld ; Benefizkampagnen unter Beteiligung von Regierungsvertretern sowie andere "vertrauensbildende" Aktionen ; der dadurch erzeugte Effekt war :
ï‚— Massenmotivation der einfachen Leute (oft schon selbst Mikrokreditnehmer) zu Klein- und Kleinstanlagen ;
ï‚— Einstellung der Zinszahlungen bei nachlassendem Kapitalzufluss ;
ï‚— Einstellung der Rückzahlung des angelegten Kapitals ;
ï‚— Einstellung der "Geschäftstätigkeit", im Falle Benins von der Verwaltung nur zögernd und lediglich in Gestalt einiger konservierender Massnahmen erzwungen, ausserdem zu spät. Schlimmer noch : Kurz vor Schliessung und in Kenntnis des gesamten Sachverhalts gewährte das Innenministerium der Betrügerführungscrew noch Personenschutz und Waffenbesitzerlaubnis.

Während dieser Zeit erreichte die Höhe des bis zum 03. September 2010 illegal eingesammelten Kapitals den Betrag von 155,6 Milliarden FCFA (der FMI-Bericht vermutet einen weit höheren Betrag, da etliche Anleger sich nicht als Geschädigte geouted haben). Zahl der registrierten Anleger : 150.000. Der Betrag des illegal eingesammelten Kapitals beläuft sich auf 13,2% der Höhe der legalen Depots bei beninischen Banken im gleichen Zeitraum.

Der eingetretene Schaden :
Der durch Nichtrückzahlung des angelegten Kapitals für die Betroffenen eingetretene Schaden beträgt 5% des BNP. Die Regierung hält solches offenbar nur für die Folge einer Moralkrise und allgemeiner Geldgier und tut die ganze Affäre als "épiphénomène" ab (s. Protokoll des Ministerrats vom 03. August 2010). Die Zahl der betrogenen Gläubiger beläuft sich auf 1,7 bis 3,4% der Bevölkerung Benins.
Die Geschädigten lassen sich - unter moralischen Aspekten - in zwei Kategorien einteilen :
(i) Die Kategorie der grossen Anleger der Eingangsphase. Von diesen heisst es im FMI-Bericht
zutreffend : "Diejenigen, die in die illegalen Kapitalsammelstellen eingezahlt haben, tragen eigene Verantwortung für die erlittenen Verluste. Schon der gesunde Menschenverstand legt nahe, dass keine legale wirtschaftliche Tätigkeit es erlaubt, Zinsen bis zu 300% zu erzielen. Ein Teil der Anleger, diejenigen mit den grössten Beträgen, sollten mehr als Komplizen der Betrüger angesehen werden denn als ihre Opfer. Ausserdem konnten diejenigen Anleger, welche ihre Fonds in den illegalen Kapitalsammelstellen während der ersten Monate der Entwicklung des Betrugssystems platziert haben, die überhöhten Zinsen effektiv erzielen, was für manche sogar ihr Anfangskapital überstieg." Zudem gilt für diese Gruppe : "Es ist klar, dass manche Grossanleger wahrscheinlich selbst in die Betrugsmanöver verwickelt waren : Sie haben ihr Kapital just vor Beginn der staatlichen Unterbindungsmassnahmen im Juli 2010 abgezogen." Zur gleichen Kategorie sind auch die Anleger zu rechnen, die öffentliche Gelder zu privatem Zinsgewinn eingezahlt haben. Einer der tollsten Fälle hierbei betrifft die für Studien-stipendien vorgesehenen Mittel des aus dem Staatsbudget alimentierten Studentenwerks (Information entnommen der beninischen Presse sowie einer zuverlässigen Quelle). Der zuständige Minister hat natürlich dementiert, der langjährigen Beobachtung öffentlichen Finanzgebarens zufolge erscheint der Vorgang jedoch wahrscheinlich.
(ii) Die Kategorie der privaten Kleinanleger sowie der Organisationen des informellen, die Wirtschaft wesentlichen finanzierenden Sektors ("tontines", Familie, Gemeinschaften, etc.). Alles Anleger, die "aufgrund der moralischen Kaution, welche präsidentennahe Persönlichkeiten sowie der Name der Präsidentengattin ("Première Dame") dem Betrugsunternehmen verliehen haben, an eine 'gute Operation' glaubten" (Pressezitat aus beninischer Tageszeitung) - und ihr Kapital zu ICC-Services trugen.

Die Anleger der zweiten Kategorie gehören ganz überwiegend zur Zielgruppe der Mikrokreditanbieter, mehr noch, sie hatten bereits einen solchen Kredit. Der FMI-Bericht vermutet lakonisch, dass die bei den illegalen Kapitalsammelstellen eingezahlten Beträge massive Transfers von Guthaben darstellen, die aus Konten des formellen Bankensektors, aber auch der Mikrofinanz stammen. Für die in der Zeit von Dezember 2008 bis Juni 2010 bei Mikrofinanzinstituten deponierten Anlagen nennt der Bericht den Betrag von 52,1 Milliarden FCFA. Ein vermutlich erheblicher Teil dieser Anlagen wurde aus Krediten finanziert, die bereits von Banken oder Institutionen des Mikrokredits gewährt worden waren - und mittels Depot bei ICC-Services ihrem ursprünglichen Kreditzweck entzogen wurden. Eine Zahl nennt der Bericht nicht, befürchtet aber "künftig schwierige Situationen für manche Mikrokreditinstitutionen". Im Klartext : Tausende der ausgegebenen Mikrokredite, zu ICC-Services verschoben und dort verloren, werden nicht mehr bedient. Der Schaden, wenn auch schwer bezifferbar, ist immens, denn : "Das von den illegalen Strukturen eingesammelte Kapital stammt zum grössten Teil aus dem informellen Sektor", hier wieder überwiegend aus der Mikrofinanz. "Die Minderung an Liquidität in diesem für die Wirtschaft essentiellen Sektor, sowie die von einem Grossteil der Bevölkerung erlittenen Verluste könnten eine Verringerung des Binnenverbrauchs provozieren", meint der FMI-Bericht. Der Staatspräsident selbst kam denn auch nicht umhin zu konstatieren : "Die Konsequenzen dieser Betrügerei sind für das nationale Sparaufkommen katastrophal", um dann fortzufahren, unter Verdrängung der Verwicklungen seiner eigenen Regierung in die Sache : "… katastrophal vor allem für unsere durch die Händler von Illusionen missbrauchten Mitbürger" (Zitat aus der Neujahrsbotschaft des Präsidenten an die Nation vom 31. Dezember 2010).

An traurigen Einzelfallbeispielen für die Folgen der ICC-Services-Affäre mangelt es nicht. Sie konnten beispielsweise vom in der Provinz des Landes lebenden Verfasser dieses Vermerks in situ und Echtzeit beobachtet werden : Da ist die Marktfrau, die ihren Stand verkauft ; das Bäuerchen, das sein Land verscherbelt ; das Hirsebierbrau-Kollektiv von Frauen, das seinen Barbestand plündert ; das sprich-wörtliche Mütterchen, das einen 30.000-FCFA-Mikrokredit aufnimmt, um ihn flugs zu ICC-Services zu tragen ; die Muslime, die auf ihren Hammel zum Tabaskifest verzichten mussten, und ungezählte andere Fälle mehr : Alles wurde bei "Klein-Madoff" deponiert und alles ist verloren. Die von der Regierung eingeleitete Registrierungsaktion geschädigter Anleger im Hinblick auf eine Rückzahlung der Einlagen nährt allenfalls Illusionen.

Statt einer Konklusion des Ganzen halte man sich an die lokale Presse, die hierzu bemerkt hat :
"In Wahrheit waren ICC-Services und Konsorten (es gab neben dieser kriminellen Grossorganisation noch vier kleinere Trittbrettfahrerinitiativen dieser Art in Benin, Anm.des Verf.) die eigentlichen Nutzniesser des Mikrokreditprogramms für die Ärmsten, denn diese, gefangen im Netz der Illusionen, sind auch die durch das Betrugssystem am empfindlichsten abgezockten Einzahler."

4. ICC-Services und die internationale Kooperation :

"….. Doch wichtiger ist, dass das Mikrokreditwesen wunderbar zu den Wünschen der Entwicklungshilfe-Organisationen passt, ihr Geld loszuwerden."

Diese schon in den Eingangszitaten enthaltene Erkenntnis sagt mehr aus, als jede - seriöse oder tendenziöse - Studie über Sinn oder Unsinn, Segen oder Schaden der Entwicklungsfinanzierung an Erkenntnissen zu bringen vermag. Es ist der simple Hinweis auf den gegenseitigen Ergänzungszusammenhang zwischen Mittelabflussdruck auf der Geberseite und der Möglichkeit unkontrollierbarer Mittelverwendung auf der Nehmerseite. Und das speziell für diese Wirkungen geschaffene Kind hat einen Namen : Budgethilfe. Und es hat ein günstiges zur umfänglichen Anwendung geeignetes Terrain : den Mikrofinanzsektor. Hier findet eine überbordende Modeerscheinung statt, im Gleichschritt mit der diesen Sektor überflutenden bi- und multilateralen Finanzierung. Ohne Budgethilfe, ob nun als solche deklariert oder Teil einer allgemeinen Entwicklungsfinanzierung, wäre ein Phänomen wie das für Benin geschilderte in dem erlebten Ausmass nicht möglich gewesen, zumindest nicht in der Form der Vergeudung der eigentlich einem Programm "Mikrokredit für die Ärmsten" zugedachten Mittel.

5. Etwas Versöhnliches zum Schluss :

Obiger Vermerk stützt sich auschliesslich (bis auf einen Fall) auf veröffentlichte Quellen, überwiegend auf die Presse, beninische und internationale. In ersterer wurde auch der instruktive FMI-Rapport vom September 2010, der sonst kaum zur allgemeinen Kenntnis gelangt wäre, veröffentlicht. Die solcherart geschaffene Öffentlichkeit und weitgehende Meinungsfreiheit waren im vordemokratischen Benin nicht selbstverständlich, ja sie waren unmöglich, auch gefährlich, wenn versucht. Seit der demokratischen Öffnung ab 1990 hat sich das ziemlich dramatisch geändert, in Richtung Pressefreiheit und -vielfalt sowie bunter Diskussionskultur, oft regierungskritischen und polemischen Inhalts. Zwar bieten Qualität und Professionalität des Journalismus im Lande noch Lücken, besonders in der Sparte des Investigationsjournalismus, der noch recht inkonsequent betrieben wird. Auch ist die Presse stark durchpolitisiert und neigt zu jeweiliger Parteiennähe. Doch allein das breite Spektrum von Tages- und Wochenzeitungen bietet dem Pressekonsumenten den Vorteil einer freien, ziemlich lehrreichen Berichterstattung wie derjenigen über die Affäre ICC-Services. Diese Entwicklung verdient, bei aller inzwischen aufgeblühten Skandalkultur im Lande, hervorgehoben und gewürdigt zu werden.

15.01.2011
Dr. Martin Schneiderfritz
Natitingou, Republik Benin

Do. 13 Jan 2011 - 09:52

Uwe Jung, Jaunde, Kamerun
Beitrag

Scam dich reich dank MDG !
--------------------------

So weit ist es mit den Millenium Development Goals (MDG) schon gekommen. Weil kaum noch einer dran glaubt, haben Scammer plötzlich das Thema für sich entdeckt. Nachfolgende E-Mail entbehrt nicht einer gewissen Nähe zur Realität.

"

Dear sir

I am pleased to have a conversation with you and I hope that we can work together to achieve a common goal.

I am the coordinator and consultant to (MDG) millennium Development Goal.. Recently during the UN general assemble in NY it was observed that time is running out to meet the target set for the MDG with only five years left to achieve our set goal to eradicate poverty from the developing countries.

We further observed that some governments put up numerous publicity anytime financial package is announced the same governments has failed to use the money to improve the well being of their impoverish citizens which it was meant for, unfortunately this governments leaders often divert the given grant into their personal bank accounts and that of their cronies to enrich themselves.

In the light of this, me and my colleagues resolve to issue out portion of this grant to a reputable company or individual that can invest and create opportunity and good fortune to the poor people in the developing countries, within the period of 3 years interest generated from the investment or business will be retain while the capital will be reinvested for another 2 years which will end the MDG time frame. .

Contact me ASAP with your business proposal and your personal profile or company for details on how we will proceed

Yours sincerely

Danso Larbi

"

Di. 18 Jan 2011 - 01:05

Falco Riemer, Bonn
Beitrag

zu Kurt Gerhardt, Köln, vom 10.01.
zum Beitrag von Falco Riemer vom 6.1.

... Afrika produziert Güter, die auf dem internationalen Markt stark nachgefragt werden.

>KG: "Aber so gut wie keine, die mit Hilfe afrikanischer Intelligenz und
Qualifikation so hergestellt und verarbeitet sind, dass sie auf dem
Weltmarkt gewinnbringend verkauft werden können."

>>FR: "Das Problem der Gewinnerzielung zeigt sich in der Wettbewerbsverzerrung auf dem Weltmarkt, dem afrikanische Exporteure, wie dargestellt, häufig ausgesetzt sind. Hinzu kommen Agglomerationsdefizite in den Ländern, die eine Bildung von genügend wettbewerbsfähigen (und damit gewinnbringenden) Industrie- oder Handelsclustern behindern. Ein Unternehmen, krass gesprochen: 'im Busch', macht noch kein Industriegebiet. Gegeben, dass genügend 'afrikanische Intelligenz und Qualifikation' vorhanden ist, wovon ausgegangen werden kann, nützt diese wenig, wenn die Produkte, gegeben dass sie die Marktreife erreichen, geringe Chancen auf dem heimischen Markt und beinahe keine Chancen auf dem internationalen Markt haben."

So ist beispielsweise Burkina Faso mit 185 Tsd. Tonnen der dreizehnt-größte Baumwollproduzent weltweit. Baumwolle ist ein Produkt, das entlang der Wertschöpfungskette nicht unbedingt, wie auch von Ihnen gefordert, eine umfassend qualifizierte Arbeiterschaft benötigt.

Wesentliche Produktionssteigerungen können z. B. durch industrielles Pflücken, hohen manuellen Einsatz, gesteuerte Agrarkulturen und eine optimierte Logistik erreicht werden. Nicht zuletzt muss der weltweite Absatz sichergestellt sein. Insbesondere bei letzterem hat Burkina Faso große Probleme, da z. B. durch subventionierte Baumwolle der USA die Preise verzerrt werden, während ein Großteil der chinesischen und indischen Baumwolle in der Textilindustrie dieser Länder selbst verwertet wird. Diese Textilindustrie fehlt in Burkina Faso,

>KG: "Warum? Wer hat sie verhindert?"

>>FR: "Siehe oben. In Asien wurden unter anderem durch den kontinuierlichen Nachzug von ausländischen Direktinvestitionen, einen relative politische Stabilität und Konstanz sowie nicht zuletzt durch eine weitestgehende staatlich-kulturelle Homogenität die Bildung von wirtschaftlicher Agglomeration begünstigt. In Afrika wird das Problem schon fast ersichtlich, blickt man auf eine Landkarte: Staats- und Verwaltungsgrenzen, die ohne Rücksicht gezogen wurden; Benachteiligungen durch mangelden Seezugang; klimatische Grenzen. Nicht zu vergessen, dass Afrika bevorzugter Spielplatz der ehemaligen politischen Blöcke war, mit allen unappetitlichen Nebenerscheinungen, und heute beliebter Tummelplatz der sogenannten Entwicklungshilfe ist. Angesichts dessen eine funktionierende Textilindustrie, wie in diesem Beispiel, implizit zu fordern, ist fern jeder Realität."

...dem internationalen Absatz kann sich das Land nur über ruinöse Preise stellen - zu Lasten des einheimischen Lohnanteils, der kaum einen ausreichenden Lebensstandard garantiert. Die Logistik im Land ist abenteuerlich, eine Steuerung der Agrarkulturen findet kaum statt, eine industriell optimierte Wertschöpfungskette lohnt sich, aus betriebswirtschaftlicher Sicht, kaum.

>KG: "Wer ist für diese Mängel verantwortlich - die Länder des Nordens oder
die Afrikaner selbst?"

>>FR: "Simpel: der Norden. Auch wenn es nicht gefällt. Und zwar über verfehlte Anreizpolitik, Entwicklunghilfe, wohlmeinenden Ansätzen, viel Geld und einer Haltung, die das Anspruchsdenken eines jeden, nicht nur der Afrikaner, geradezu befeuern muss. Angefangen bei großen Millionen der Budgethilfe und aufgehört bei einem gradezu im putzigen Idealismus beheimateten Programm wie 'Weltwärts'. Der Ansatz ist richtig: Was müssen wir angesichts der Misere in Afrika tun? - 'Nichts'. Und das wird zunehmend auch von Afrikaner gefordert. Es ist bestechend gut und richtig, was auch der Bonner Aufruf fordert: 'Der Norden kann Afrika nicht entwickeln'. Dann sollte man auch die Finger davon lassen."

Auch Ihr Hinweis auf die EBA-Regel geht fehl. So behält sich die EU vor, im Fall einer vermuteten Schädigung der europäischen Landwirte, von Protektion Gebrauch zu machen.

>KG: "Das ist aber nicht geschehen."

>>FR: "Allein die Tatsache, dass so eine Regelung besteht, belegt die Wirkungslosigkeit der EBA-Regel - und dass diese Regelung genutzt wurde, zeigt der Zuckermarkt. Wie pervers ist eigentlich eine Export-/Importregel, die im Zuge einer 'Entwicklungsperspektive' entwickelt wurde, aber gleichzeitig das Damoklesschwert der Intervention bei Eigeninteressen beinhaltet? So eine Regel kann man gleich vergessen und unterstützt eine fatalistische Haltung der Akteure in Afrika - nach dem Motto: 'Was soll man da schon erwarten?'. Und das zu recht. Desweiteren: ein weiteres großes Problem ist der Import:

'Ruinöse Konkurrenz
[...] In den Regalen der Supermarktkette Uchumi in Kampala, Uganda, herrscht kein Mangel an Milchprodukten: Mascarpone und Parmesan aus Italien, Gouda aus Holland, Milchpulver aus Irland und Südafrika. Markt-Manager Eric Korir ist stolz auf das internationale Sortiment. "Die nationale Produktion kann die Nachfrage ja längst nicht befriedigen."
Das ist wahr und falsch zugleich. Denn Ugandas Bauern liefern ausreichend Milch - viele haben schon vor Jahren Friesen-Kühe eingekreuzt, um die Erträge zu steigern. Doch der Großteil der Milch findet nicht den Weg in Molkereien. Die Vermarktung, die die staatliche Milchgesellschaft bis Anfang der 90er organisierte, funktioniert nicht mehr.
"GBK Dairy Products" ist eine der wenigen Molkereien, die den Niedergang der Milchwirtschaft nach der Liberalisierungseuphorie überlebt haben. Am einzigen Standort in Mbarara verarbeitet GBK heute gerade mal bis zu 35 000 Liter Milch am Tag - auch zu Butter und Yoghurt. "Wir würden die Kapazität gerne steigern, die Nachfrage ist da, aber uns fehlen die Mittel", sagt Betriebsleiter Godwin Tumwebaze.
[...] Gegen die Dumpingimporte aus Europa haben heimische Produzenten so gut wie keine Chance. Nach Berechnungen von Oxfam liegen die Exportpreise in Deutschland im Schnitt 41 Prozent und in der EU 31 Prozent unter den Produktionskosten in Europa. "Dumping findet nach wie vor im großen Stil statt", sagt Oxfam-Agrarreferentin Marita Wiggerthale. Ein Großteil sei auf die EU-Exportsubventionen von 1,43 Milliarden Euro zurückzuführen, die auf das Konto großer Milchkonzerne gingen. [...] "Es gibt viele Milchbauern, die ihre Familien nicht mehr richtig ernähren können", weiß Farmer Patrick Bharunhanga, der rund 70 Kühe auf der Weide hat. [...] "Keiner von uns bekommt Subventionen, wie sollen wir da mit den Importen konkurrieren können?"
Für Armin Paasch, Handelsexperte des Food First Informations- und Aktions-Netzwerks (Fian), ist die Situation der Kleinbauern eine direkte Folge der europäischen Handelspolitik. "Europäische Agrarexporte zu Dumpingpreisen gefährden das Menschenrecht auf Nahrung", sagt Paasch. [...]Wehren können sich afrikanische Staaten wie Uganda gegen Importe aus der EU nicht. Dafür sorgen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA), denen bereits zahlreiche Länder zugestimmt haben. Auch Uganda hat sich darin verpflichtet, seine Importzölle für 80 Prozent der EU-Einfuhren in den nächsten Jahren abzuschaffen und die restlichen Zölle auf niedrigem Niveau einzufrieren.[...]

aus: Tobias Schwab, "Was Moses von der Milch bleibt"

...Wie gesehen bei den (auslaufenden) Zuckermarktregelungen: Seit Einführung der EBA im Jahr 2001 waren z. B. für Äthiopien die Einbußen beim Zuckererxport so hoch, wie die gesamten nationalen Ausgaben für die Bekämpfung von AIDS. Die relative Wirkungslosigkeit der EBA-Regel wird deutlich, betrachtet man die Exporte der least developed countries in die EU: diese nahmen seit 2001 um rund 10% zu, während der Anteil der EBA-Exporte an den Gesamtexporten nur rund 3% betrug.

>KG: "Nachdem in den letzten Jahren die Einschränkungen bei Zucker,
Bananen und Reis ausgelaufen sind, kann alles frei in die EU exportiert
werden. Warum gibt es in den afrikanischen LDC's keine Unternehmen, die
dieses Privileg zu nutzen wissen?"

>>FR: "Einmal weil kaum Unternehmen da sind (siehe oben), einmal aufgrund der geschilderten Import-Problematik. Wo nichts ist, kann man auch nicht viel fördern oder fordern."

...Hinzu kommen volkswirtschaftliche Realitäten wie z. B. die "Holländische Krankheit" bei rohstoffreichen Ländern, die die einheimischen Märkte und Mechanismen zusätzlich belasten: insbesondere durch den umfangreichen Export von Rohstoffen entstehen Aussenhandelsüberschüsse, die die einheimische Währung aufwerten und damit Absatzprobleme bei den übrigen exportierenden Industrien verursachen. Eine weitere Barriere sind die hohen Zölle im Süd-Süd-Handel der afrikanischen Länder untereinander, wobei die SSA-Länder meist auf diese Zölle als eine der größten Einnahmequellen angewiesen sind.

>KG: "Wer ist dafür verantwortlich, dass so viele afrikanische Regierungen
nicht in der Lage sind, ein effektives Steuersystem einzuführen - die
Länder des Nordens oder die Afrikaner selbst?"

>>FR: "Siehe oben: Wo nichts ist, kann auch nichts wachsen. Geschweige denn, dass ein effektives Steuersystem zu entwickeln wäre, dass eben nicht auf Importzöllen basiert."

...Eine volkswirtschaftliche Realität ist auch, dass die Entwicklungshilfe selbst kontraproduktiv wirkt, da sie in der Regel 8% der Einnahmen der Länder in Afrika überschreitet.

>KG: "Niemand verpflichtet die Afrikaner, so viel Entwicklungshilfe
anzunehmen."

>>FR: "Entschulding, Herr Gerhard, aber das meinen Sie doch nicht ernst? Ein System, dass zum Mißbrauch gradezu einlädt, an mangelnder Kontrolle und gutmenschelnder Inkompetenz krankt, soll plötzlich grade von denen abgelehnt werden, die aus himmelschreienden persönlichen und staatlichen Defiziten heraus nach allem greifen, was schnell und einfach zur Verfügung steht bzw. einem gradezu hinterhergeworfen wird? Wir bekommen es in Deutschland grade einmal mit 'Ach und Krach' hin, ein Sozialsystem ein bischen umzubauen, das über Jahrzehnte unkontrolliert und im ausufernden Schwachsinn mit viel Geld hausieren ging. Jetzt übertragen Sie einmal Ihren Kommentar auf das deutsche Sozialsystem..."

...Sie bewirkt damit direkt eine Zementierung der bemängelten "verpassten Exportchancen Afrikas".

Es ist richtig, dass die Afrikaner, wenn man es pauschal sagen will, eine Mitschuld an der relativen Unattraktivität Ihrer Märkte tragen. Die mangelnde Motivation der Akteure vor Ort, daran etwas zu ändern, ist jedoch angesichts der Fülle der Herausforderungen und einer verfehlten Entwicklungspolitik, bei der sich "jeder mal versuchen darf" - angefangen beim einzelnen kleinen Entwicklungshelfer bis zum staatstragenden Millionenprogramm - mehr als verständlich.

>KG: "Mit einer solchen Haltung zementiert man Unterentwicklung."

>>FR: "Eben. Deswegen unterstütze ich auch den Bonner Aufruf."

...Unternehmen haben durchaus die Attraktivität des afrikanischen Kontinents erkannt. Südafrika, Namibia, Botswana sind hier seit langem, und Ruanda seit kürzerem, interessante Beispiele. Der Rest des Kontinents bleibt jedoch, nicht nur aufgrund der oben genannten Hindernisse, aufgrund von mangelnder Infrastruktur, einem mangelnden Mittelstand als Absatzkanal und mittelständischen Unternehmen als Absatzmittler, relativ uninteressant und zu risikoreich. Allein Unternehmen, die sich mit lohnenden und robusten Produkten auf den Märkten behaupten können, haben einen vergleichbaren Wettbewerbsvorteil. Die Telekommunikationsbranche ist dabei besonders und gewinnbringend aktiv. Es wird jedoch noch bestimmt 50 bis 100 Jahre dauern, bis sich z. B. deutsche Maschinenbauer mit hochspezialisierten Drehmaschinen oder Bearbeitungszentren im großen Umfang, wie in Asien, in Afrika engagieren können oder wollen

KG: "Aber nicht, weil sie etwas gegen Afrika hätten. Unternehmer
investieren da, wo sie unter akzeptablen Bedingungen profitabel
wirtschaften können. In den meisten afrikanischen Ländern sind diese
Bedingungen nicht gegeben. Für deren Schaffung sind nicht die
ausländischen Unternehmer zuständig."

FR: "Das ist korrekt. Nichts anderes habe ich gesagt."

...- das deutsche Idealverständnis von "Exportchance" wird in absehbarer Zeit niemals in Afrika greifen. Es gehören sowohl "die Afrikaner", die Bevölkerung und ihre politischen Führer, als auch Unternehmen, die direkt investieren oder exportieren wollen, zu den Leidtragenden einer verfehlten Entwicklungspolitik mit ihren falschen Anreizen und damit strukturellen Problemen: keiner kann wie er möchte und so suchen Unternehmen woanders Märkte, während Afrika weiterhin von einer Entwicklungshilfe profitiert, mit deren Hilfe sich jeder gut eingerichtet hat - auf Seite der Hilfeempfänger und der Helfenden. Der Aufbau vielfältiger und gewinnbringender Industrien wird so weder gefordert noch gefördert.

In diesem Zusammenhang nur darauf zu schimpfen, dass keine qualifizierte Arbeiterschaft vorhanden sei und die Afrikaner eine große, wenn nicht die größte, Mitschuld daran tragen, dass Exportchancen verpasst werden, greift zu kurz.

>>FR: "Mein Beitrag soll nicht dahingehend mißverstanden werden, dass ich 'den Afrikanern' sämtliche Eigenverantwortung abspreche. Zumal immer wieder erstaunlich ist, auch für die Entwicklungshelfer vor Ort, wie genau die Akteure vor Ort wissen, wie hoch Ihr Eigenanteil an Fehlentwicklungen ist und dass sie diesen gerne minimieren möchten. Es macht aber keinen Sinn, realtitätsferne Ansprüche und kurzfristige Schlußfolgerungen zu treffen."

Di. 25 Jan 2011 - 18:09

Gerhard Karpiniec, Laxenburg, Österreich
Beitrag

Möchte Ihnen mitteilen, dass ich mich freue, Ihre Plattform gefunden zu haben.

Meine Sicht zur EZA (Entwicklungszusammenarbeit kommt aus der eines Handwerkmeisters, der einen Betrieb hatte und mit der EZA 45 Jahre in Verbindung ist. - Siehe meine Eintragung.

Die klassische These der EZA "Hilfe zur Selbsthilfe" möchte ich präzisieren, indem ich meine "wir sollten Ihnen helfen, all ihre sozialen und administrativen Bedürfnisse aus eigenem Steueraufkommen decken zu können".
Hier sind wir dadurch sehr schnell bei der Wirtschaft, welche primär auf eigener landwirtschaftlicher und gewerblicher Produktion beruhen soll, dann den Dienstleistungssektor mit Informationstechnologie, welche mit der Grundschulbildung beginnt und hier auf Webseiten hoffentlich noch nicht endet.
In den letzten 50 Jahren hat es weltweite Veränderungen und Entwicklungen gegeben, welche scheinbar gedanklich in der EZA noch nicht Fuß gefasst haben.
Obwohl es Studien, Workshops, Diskussionsrunden ohne Zahl gibt, fehlt mir eins: eine seriöse FEHLERANALYSE.
Wenn von meinen ersten EZA-Aktivitäten 1965 gemeinsam mit meinen deutschen und niederländischen Kollegen 150 selbstragende Arbeitsplätze geschafft wurden und heute genau dort für 300 - 500 Kinder gesammelt wird - es gibt keine selbsttragenden Arbeitsplätze mehr - dann sollte man intensiv nachdenken und die EZA-Arbeit hinterfragen.
Wenn bei meinem letzten dreimonatigen Aufenthalt im Senegal in der Casamance 2008 folgendes sichtbar war: Ich musste sehen, dass Unmengen Mangos am Boden verrotten, sie werden weder verfüttert noch kompostiert, obwohl in der Region alle 20-30 km es nicht nur eine NGO vor Ort gibt. Vorhandene Trocknungsanlagen waren nicht in Betrieb.
Fast gleichzeitig besuchte ein Direktor einer großen österr. NGO ca. 300 km weiter nördlich seine seit 25 Jahren betreute Region und sammelte für Pflanzungen für Mangos.

Parallel erhalte ich Einladungen "DIE ZUKUNFT DER EUROPÄISCHEN ENTWICKLUNGSPOLITIK"
"Breitenwirksames Wachstum" ist das Schlagwort ................................

Meine Frage an das Forum: Was kann getan werden, um positive Veränderungen herbei zu führen?

Werde versuchen, mich von Herr Volker Seitz "gewünschtem" Streitgespräch Riemer/Gerhardt auch einzubringen. Sinn sollte es aber sein, Fehler aufzuzeigen und zu reduzieren.

Um dies rasch zu tun sollte der direkte Kommunikationsweg auch offen sein.

Gerhard Karpiniec g.karpi@aon.at Tel. 0043(0)2236/72 363

Sa. 29 Jan 2011 - 17:57

Kurt Gerhardt, Köln
Beitrag

zur Frage von Herrn Karpiniec, 25.1.:

Was getan werden kann - und sollte -, haben die Unterzeichner der "10 Vorschläge" erklärt.

Vor allem müssten die afrikanischen Gesellschaften und Staaten, die mehr wirtschaftliche Entwicklung wollen, bedeutend mehr Verantwortung dafür übernehmen, dass jene zustandekommt. Statt ständig die Hand nach mehr Entwicklungshilfe auszustrecken - und damit ihren Bettlerstatus weiter zu festigen -, sollten sie zu Trägern ihrer Entwicklung werden. Voraussetzung dafür wäre, dass sie die großen und kleinen, staatlichen und privaten, nationalen und internationalen Entwicklungshilfe-Organisationen nach Hause schicken, die den Kontinent besetzt halten.
Die Afrikaner dürfen nicht länger Objekte der Entwicklung sein, sondern müssen wieder zu Subjekten ihrer Entwicklung werden. Sie müssen ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten - und ihre Bodenschätze! - in erheblich größerem Umfang als bisher zum Wohl ihrer Völker einsetzen. Solange sie das nicht tun, wird es in Afrika nicht zu einer wirtschaftlichen Entwicklung kommen, die diesen Namen verdient.

So. 20 Feb 2011 - 13:28

Robert Wunderlich, Heilbronn
Beitrag

Lieber Herr Seitz,

nachdem Sie über unsere Homepage gestolpert sind und mich angeschrieben hatten möchte ich kurz meine Meinung aus der Sicht eines kleinen EZ Projekts kundtun.

Ich selbst war ein halbes Jahr nach meinem Abitur an einer Schule in Uganda und habe zusammen mit einer Freundin an einer Schule (800 Schüler) mitgearbeitet und im kleinen Hygiene- und Ernährungsprojekte aufgezogen, die heute (5 Jahre später) noch hervorragend funktionieren und die Erkrankungen um mehr als die Hälfe (laut Evaluierung) zurückgedrängt haben.

Vor Ort haben wir zusammen mit mehreren einheimischen Fachleuten das Projekt "Give-a-Goat" in Ostuganda (Kasese) gegründet.

Sinn und Zweck ist es, Kleinbauernfamilien im Bemühen, aus einer Situation ohne Einkommen, Gesundheitsversorgung und Bildung herauszukommen, zu unterstützen.

Dieses geschieht durch Schulungen, durch einheimische Fachleute (Tierärzte, Sozialarbeiter, Landwirte, Lehrer) und die Übergabe einer weiblichen Ziege nach den Schulungen in Tierhaltung, Landwirtschaft, HIV/AIDS, Gender,...
Die Themen der Schulungen wurden von den Familien vorgeschlagen und den Fachkräften vor Ort entwickelt.
Um das Projekt aufrecht zu erhalten, muss ein weibliches Zicklein wieder an das Projekt zurückgegeben werden. Die Ziegen werden unter "Zero-Grasing" gehalten, um die Vegetation zu schonen.
Die momentan 150 Familien (2011 kommen 60 neue hinzu) werden voll in den Projektalltag miteinbezogen, so wurde ein Bildungzentrum für Schüler, die das Grundschulexamen nicht antreten bzw. nicht bestanden haben, geschaffen. Hierzu mussten alle Ziegel von den Familien hergestellt werden. Die Felder, auf denen Getreide produziert wird, um die laufenden Kosten abzudecken, werden von den Projektfamilien bewirtschaftet und finanzieren das Projekt und werfen Einkommen für die Arbeiter ab. Schüler müssen Schulgebühren zahlen. Alles, was geschenkt ist, hat keinen Wert und wird nicht geschätzt.
Auch die Staffmitglieder müssen sich an allem selbst beteiligen und die gewährten Vorschüsse zurückzahlen.

Mein Fazit:
So kann Entwicklungszusammenarbeit funktionieren. Als wirkliche Zusammenarbeit! Mit Vorschüssen, die zurückgezahlt werden. Projekten, die auch Einkommen generieren, um die Kosten zu decken, und Unterstützten, die sich selbst helfen können.

Vielen Dank für Ihren Aufruf!

Zum Abschluss noch vielleicht ein Wort zu der Diskussion um die Freiwilligen:
Wir haben viele junge Leute, die sich engagieren und motiviert mitanpacken. 190 Vereinsmitglieder deutschlandweit, von denen ein Großteil Studenten sind, die etwas bewegen wollen und können!

Herzliche Grüße,
Robert Wunderlich

1.Vorsitzender
Schenke eine Ziege e.V.

So. 20 Feb 2011 - 22:59

Albrecht Heise, Freiburg
Beitrag

Was Robert Wunderlich mit seinem Verein in Uganda tut, überzeugt und imponiert!

Jedem berufsmäßigen Entwicklungshelfer aber wird es den kalten Schweiß der Existenzangst auf die Stirn treiben: Entwicklungszusammenarbeit mit der Betonung auf Arbeit? Bei dem Klima? Und die Empfänger der Hilfe entscheiden nicht nur selber über deren Art und Umfang, sondern erwirtschaften auch noch die Kosten. So ist doch nie ein ordentlicher Mittelabfluss zu erreichen, und man weiß doch, wie wichtig gerade der ist im Entwicklungshilfegeschäft. Wenn so etwas Schule macht, würde das Zehntausende von Arbeitsplätzen kosten! Die ganze Branche wäre in Gefahr. Am Ende müsste Herr Niebel sein Ministerium doch noch abschaffen. Und wer kümmert sich dann um die Interessen unserer Wirtschaft? Wenn doch wenigstens die Ziegen aus Deutschland eingeflogen würden…

Sa. 12 Mär 2011 - 13:38

Dr. Martin Schneiderfritz, Natitingou, Benin
Beitrag

Das Ungeheuer von Loch Ness oder: Ein "Marshallplan für Afrika"

Die Ereignisse in Nordafrika und die Debatte über die Gestaltung der künftigen Entwicklungskooperation mit den sich dramatisch wandelnden Ländern dieser Region liessen ein aus Vorzeiten der Diskssion um Entwicklung und Entwicklungskooperation stammendes, daraus nie ganz verschwundenes Thema wieder als ein angeblich aktuelles auftauchen: die Wunderwaffe zur Lösung der Entwicklungsproblematik, der "Marshallplan für Afrika". Dennoch, weder Anciennität noch Aktualität verleihen diesem Thema einen real-rationalen Charakter, geschweige denn den der Anwendbarkeit und Wirksamkeit in den meisten Regionen Afrikas. Die Behandlung des Themas ist nach wie vor eine verbogene, dient allenfalls dazu, der - falschen - Entwicklungsmaxime "Geld = Entwicklung" und "Mehr Geld = mehr Entwicklung" ein politisch genehmes Mäntelchen umzuhängen. Dazu ist das Instrument "Marshallplan" sehr geeignet, allerdings nur unter unzulässiger Analogie zur historischen, geopolitischen Konstellation im zerstörten, aber infrastrukturell und personell empfangs- und umsetzungsbereiten Europa. Afrika weist diese Konstellation in der Regel noch nicht auf.

Der Ruf "Ein Marshall-Plan für Afrika!" ist traditionell gängige politrethorische Pflichtübung, gepflegt in grosser Nord-Süd-Eintracht, auch in denjenigen Milieus, die wissen müssten: Die Devise "Marshallplan für Afrika" nährt nichts als einen verbalen Mythos, der Original-Marshallplan ist auf die Länder Afrikas nicht übertragbar, mangels Vorhandenseins der zu seiner Wirkung erforderlichen Rahmenbedingungen. Die Forderung nach diesem Mythos von afrikanischer Seite ist verständlich, ihre Unterstützung von westlichen, höchst informierten Instanzen eine unverantwortliche Augenwischerei, wider besseres Wissen.

Getreu der alten, doch in der Diskussion über Entwicklung und Entwicklungskooperation meist vernachlässigten Weisheit, dass vieles Richtige schon einmal erkannt und gesagt worden ist, aber in die aktuelle Debatte nicht einfliesst, da inopportun, lohn t es sich, auf eine fast ein Vierteljahrhundert alte Analyse zurückzugreifen, die unverändert gültig ist. So schreibt Jürgen Jeske in einem Artikel "Mehr als Geld - Zum Mythos Marshallplan" in der FAZ vom 04.07.1987:

"Die bittere Wahrheit ist, dass sich der Erfolg des Marshallplans nicht wiederholen lässt, wenn man damit lediglich ein grosses Kreditprogramm ins Auge fasst. Marshall selbst hat später erklärt, es sei ihm darum gegangen, die latente ökonomische Macht Europas wieder zu wecken und sie zu bündeln. Das sei mehr wert gewesen als jede Subvention, obwohl die Amerikaner von 1948 bis 1952 in einer unglaublich grosszügigen Geste dem zerstörten Westeuropa, darunter auch dem besiegten Deutschland, rund 13 Milliarden Dollar Kaufkraft zur Verfügung stellten, weitgehend als Geschenk. Dass die Marshallplan-Hilfe so schnell und nachhaltig wirkte, war jedoch den Europäern selbst zu danken, den Millionen ausgebildeter Menschen, die nur darauf warteten, die Ärmel aufzukrempeln und sich aus den Trümmern wieder nach oben zu arbeiten. Sie besassen die für eine Industriegesellschaft notwendigen wirtschaftlich-technischen Erfahrungen und Begabungen, Kräfte, die nach dem Krieg nur wieder angestossen werden mussten. ... Hinzu kam aber noch etwas anderes, das zugleich den grösseren Erfolg des Marshallplans in der Bundesrepublik erklärt: die Einführung einer marktwirtschaftlichen Ordnung und eine auf Geldwertstabilität bedachte Notenbankpolitik. Der Liberale Wilhelm Röpke merkte dazu 1953 in einem Aufsatz in dieser Zeitung an, dass die Hilfe im Falle Deutschlands nur deshalb so wirken konnte, weil hier die 'Bluttransfusion' des Marshallplans mit einer wirksamen Therapie verbunden wurde. Röpke meinte damit Erhards liberale Wirtschaftspolitik, die übrigens den weitgehend keynesianischen Vorstellungen der alliierten Berater zuwiderlief.
In den Ländern oder Ländergruppen, für die seither immer wieder Marshallpläne angemahnt werden, sind die meisten dieser Voraussetzungen nicht gegeben. Dies gilt selbst für jene hochverschuldeten lateinamerikanischen Staaten, die sich schon an der Schwelle zum Industrieland befinden. Aus diesem Grund haben selbst die bisher geleisteten Milliarden an Entwicklungshilfe (die ebenfalls einen gigantischen Marshallplan darstellen) nicht mehr bewirken und Krisen nicht verhindern können."

Eine ebenso sachliche wie erfahrungsgestützte Zusammenfassung der ganzen "Marshallplan für Afrika"-Problematik war seit dem Erscheinen des Jeske'schen Artikels in der seitdem geführten Entwicklungskooperationsdebatte wohl kaum noch zu finden, wenn, dann allenfalls verschämt im Verborgenen. Sie war vermutlich auch kaum mehr möglich; denn das Thema wurde zunehmend von der "modernen" Entwicklungspolitik vereinnahmt und entsprechend irreführend den afrikanischen Partnern präsentiert oder von diesen selbst gefordert, in Unkenntnis der besonderen Anwendungsbedingungen für das Instrument "Marshallplan". Eine aus Erfahrung resultierende realistische Sicht kann da nur stören. Sie erschwerte zumal die Fortführung und die - zumindest deklaratorisch - enorme Ausweitung der finanziellen Entwicklungshilfezusagen. Sie hätte einer weiteren, wider besseres Wissen und nur den politischen Schein wahrenden Praxis der "Bluttransfusion" (Wilhelm Röpke), die ohne jede - allen Akteuren wohlbekannte - Aussicht auf Entwicklungswirkung geschieht, im Wege gestanden.

In letzter Zeit jedoch wird die richtige Jeske'sche Analyse der "Marshallplan für Afrika"-Problematik zunehmend aufgegriffen, trotz in die falsche Richtung weiterlaufender offizieller Debatte, ewa im 2007 erschienenen Buch "Die Dritte Welt - Mythos und Wirklichkeit" von Gustav Adolf Sonnenhol und Rainer Barthelt. Ausführliches, weil zutreffendes hieraus:

"Die Frage liegt nahe, warum dem Marshall-Plan gelang, was ungleich grösserer späterer Hilfe in vielen Ländern der Dritten Welt versagt zu bleiben scheint. Der Kern der Antwort ist einfach. Im Zentrum allen Wirtschaftens und jeder Entwicklung steht der Mensch. Alle anderen, vor allem die quantitativen 'Take off'-Vorstellungen sind ein Irrtum. In Europa waren zwar die Produktionsstätten weitgehend zerstört und in Deutschland fast ganz. Aber nicht die Menschen. Man brauchte bloss ihre schöpferischen Kräfte freizusetzen, ihnen wieder Mut und Hoffnung, und wo nötig Starthilfe zu geben. Alles andere besorgten sie selbst. Gleiche politische und wirtschaftliche Interessen verbanden damals Europa mit den Vereinigten Staaten. Hinzu kam die geistige Übereinstimmung. Europa und Amerika dachten in denselben freiheitlichen, rationalen und technischen Vorstellungen. Europa hatte durch den Krieg sehr gelitten, die Entwicklungsbereitschaft der Bevölkerung war aber ungebrochen. Die technische Infrastruktur war zwar stark in Mitleidenschaft gezogen, konnte jedoch bald nach dem Krieg wieder hergestellt werden. Entscheidend war - und hier liegt der Unterschied zu den Entwicklungsländern -, dass eine soziale Infrastruktur, eine Unternehmerschaft und eine Arbeiterschaft vorhanden waren, denen man nur die notwendigen Werkzeuge in die Hand zu geben brauchte, um den Wirtschaftsprozess wieder in Gang zu setzen. In Europa wurde die Adam Smith-Behauptung noch einmal bestätigt, dass der grösste Reichtum der Völker die Arbeit ist."

Die verquere "Marshallplan-für-Afrika"-Debatte ist auch unter dem terminologischen und Schlagwort-Aspekt, welcher oft die Entwicklungskooperations-Szenerie kennzeichnet, aufschlussreich. Griffige Bezeichnungen werden gefragt und gefunden, z.B. für eine der Durchführungsmassnahmen der UN-"Millennium-Erklärung" mit ihren "Millennium Development Goals": "Millennium Challenge Account", eine auf die MDG zielende US-Programminitiative. So etwas ist Moden unterworfen. Aus Gründen des entwicklungspolitischen Marketings ist das vielleicht noch zu verstehen. Moden und modische Schlagwörter wie solche des "Marshallplans für Afrika" dagegen riskieren, völlig sachfremd und inhaltlich verfälscht verwendet zu werden. Sie dienen zudem als trojanisches Pferd, um entwicklungspolitisch überholte Ideen wie, unter anderem, die der überzogenen und für die meisten afrikanischen Länder unrealistischen Planungsgläubigkeit, weiterhin zu transportieren. Das zumindest vermutet inzidenter, und sicher zu recht, die Tageszeitung "Le Figaro", Paris, die in einem Artikel "Pourquoi le plan Marshall fascine les Français", erschienen anlässlich des 60. Jahrestags der Verabschiedung des Marshallplans am 26. März 2007, feststellt (mit Sicht auf die Situation in Frankreich; für die Lage in Afrika aber, mit entsprechender Vorsicht, wohl auch erlaubt):

"... So haben, am Folgetag des eklatanten Misserfolgs von Lionel Jospin bei der Präsidentenwahl, die Führer der sozialistischen Linken einen 'Plan Marshall pour les banlieues (die Vorstädte)' vorgeschlagen. Die Rechte, durch Thierry Breton, hat einen ebensolchen für die Universtätsausbildung und die Forschungszentren empfohlen. Für unsere politischen Führer handelt es sich natürlich nicht darum, an amerikanische Hilfe zu appelieren. Vielmehr hat dieser Terminus eine Art 'paradigmatische' Bedeutung angenommen, eine Art Modellwirkung für Frankreich. Was wollen all diejenigen wirklich beweisen, die auf dieses Instrument Rekurs nehmen zwecks Lösung aller unserer Übel? Warum diese amerikanische Referenz, zumal unsere politischen Führer nie auf die Verträge von Rom oder Maastricht zurückkommen? ... Für die Vertreter in Paris des ‘German Marshall Fund', gegründet 1972 auf Initiative des Bundeskanzlers Willy Brandt, steht der Plan von 1947 zugleich für massive Investitionen, Gefahrenabwehr sowie den Ausdruck von Solidarität. ….. Voilà qui est mobilisateur. Wie dem auch sei, der Terminus 'Plan Marshall' hat ein glänzendes Come back erlebt in der amerikanischen Debatte, Herbst 2005, zur Mobilisierung gemeinschaftlicher Anstrengung zum Wiederaufbau von Nouvelle Orléans nach dem Wirbelsturm Katrina. Könnte es sein, dass in Frankreich die Magie dieser beiden damit zusammenhängt, nach der Devise, dass on aime les 'plans', bien plus que la main invisible du marché?"

Der Vorwurf der "Trojanisches-Pferd"-Funktion des Etiketts "Marshallplan" mag etwas hart sein, zutreffend bleibt er allemal. Dennoch soll nicht unterschlagen werden, dass es Versuche gibt, dieses Etikett auch Ideale, vielleicht gar Werte transportieren zu lassen. So etwa den Wert "Solidarität", deren Förderung sich die "Global Marshall Initiative", proklamiert vom Gründer der Stiftung "Solidarität in Partnerschaft", Peter Hesse, zum Ziel gesetzt hat (unter anderem durch Herausgabe des Buches "Solidarität, die ankommt - Zieleffiziente Mittelverwendung in der Entwicklungszusammenarbeit", Hamburg, 2006). Unzweifelhaft unterlag dem Original-Marshallplan auch die Idee der Solidarität. Der vorzitierte Artikel in "Le Figaro" erinnert daran. Dennoch, es bleibt dabei : Dieser Nutzung des Etiketts "Marshallplan" im Rahmen der Entwicklungskooperation haftet, um es milde zu sagen, ein Geruch der Leichtfertigkeit an. Begründung: (1) Die Solidarität, welche ein Marshallplan zum Ausdruck bringen soll, bleibt eine illusionäre, wenn die übrigen Wirkungsvoraussetzungen fehlen, an welche die vorstehenden Zitate erinnern. (2) Ausserdem und vor allem: Entscheidend ist die Wahrnehmung des Begriffs durch die Partner. Und die verbinden damit eindeutig und ausschliesslich die Vorstellung eines - zusätzlichen - Hilfsfonds, aus dem Finanzmittel bereitgestellt werden, im Namen keines Prinzips oder Wertes und ohne jede weitere (Wirkungs-) Voraussetzungen im Nehmerland. Die inflationäre und sachlich irreführende Verwendung des Etiketts "Marshallplan" befördert diese Wahrnehmung. Sie konterkariert die Bereitschaft der Hilfe-Empfänger zu Entwicklungseigenanstrengungen.

03.03.2011
Dr. Martin Schneiderfritz,
Natitingou, Bénin

Do. 17 Mär 2011 - 18:46

Vincenz Oberhuber, Freiburg
Beitrag

Zum Kommentar von Jürgen Haushalter, Meckenheim am 14.09.2010, letzter Absatz:

Es gibt in Deutschland immerhin (und meines Wissens leider NUR) einen Entsender, der auch ein "Incoming-Programm" anbietet; die Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners e.V. hat diese Programm (ich weiß es leider nicht genau) 2009 oder davor ins Leben gerufen.

Sa. 19 Mär 2011 - 16:55

Jürgen Haushalter, Meckenheim
Beitrag

Jürgen Haushalter, Meckenheim, zum Kommentar von Vincenz Oberhuber vom 17.3.2011
Erfreulicherweise gibt es tatsächlich engagierte, aber leider nur wenige Organisationen, die nicht nur Jugendliche in sogenannte Entwicklungsländer entsenden, sondern auch Menschen - beispielweise aus Afrika - einladen und am Leben in unserer Industriegesellschaft teilhaben lassen. Eine davon ist Tafungua e. V., die im Rahmen des Austauschprojekts "Karibu Köln” Jugendliche aus Kenia zu Gast hatte. Ebenso wird es auf kirchlicher Ebene Partnerschaften geben, die "zweibahnmäßig” gepflegt werden.

Das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) initierte, groß angelegte Programm "Weltwärts” hat - obwohl eine von Partnerschaft getragene Entwicklungszusammenarbeit immer wieder herausgestellt wird - mit diesem Ansatz nichts zu tun und ist nicht selten ein durch Steuermittel finanziertes Tourismusprogramm für hiesige Jugendliche. Genau das ist ein Hauptgrund warum die erfahrene Entsenderorganisation Tafungua aus dem Weltwärts-Programm ausgestiegen ist. Eine umfassende Stellungnahme ist unter www.tafungua.de nachzulesen.

Sa. 30 Apr 2011 - 13:34

Volker Seitz, Bonn
Beitrag

Zu der FAZ-Meldung vom 29.04. (vgl. Neues), dass die zweitgrößte Volkswirtschaft China vom BMZ nicht mehr unterstützt wird. Das ist nur die halbe Wahrheit:Offiziell hat Deutschland seine Entwicklungshilfe an China eingestellt. Nach Informationen ebenfalls in der FAZ vom 27.10.2010 "fallen aber bestenfalls 16 Prozent der Leistungen weg. Statt des BMZ treten zunehmend das Umweltministerium (BMU) und andere Ressorts als Geber auf. Auch über internationale Organisationen wie der EU oder den Vereinten Nationen gelangen deutsche Steuergelder nach Fernost”
Benötigt ein Land, dessen Wirtschaft boomt, das 2011 etwa 65 Milliarden Euro für sein Militär ausgibt, das sich ein Weltraumprogramm für rund 2 Milliarden Euro, eine Formel 1 Strecke für eine halbe Milliarde Euro leistet und über unerschöpfliche Devisenreserven verfügt, deutsche Entwwicklungshilfe?

Mo. 13 Jun 2011 - 14:25

Kurt Gerhardt, Köln
Beitrag

zu "Neues" 12.6. "Aufschwung aus der Tiefe"

"Demokratie auf dem Vormarsch":

Die Autoren machen den Fehler, Wahlen in Afrika mit Demokratie zu verwechseln.
Abgesehen davon, dass viele Wahlen dort nicht demokratisch ablaufen, genügt es nicht, gewählte Institutionen wie Parlamente und Regierungen zu haben. Entscheidend ist, dass diese Institutionen zum Wohle ihrer Völker funktionieren, dass sie die ihnen übertragene Verantwortung wahrnehmen.

Was nützt ein demokratisch gewähltes Parlament, das bei der Kontrolle der Regierung versagt? Oder dessen Abgeordnete ihre Position vor allem dazu nutzen, sich durch maßlose Diäten und sonstige Pfründe selbst zu bedienen?

Gleiches gilt für Regierungen wie die des Präsidenten Wade im Senegal. Auch er nutzt den Zugriff auf öffentliche Mittel reichlich für private Zwecke.

Fr. 17 Jun 2011 - 16:15

Dr. Maria Giselly de Albuquerque Leinenbach, Berlin
Beitrag

Es muss nachgeprüft werden, wie viel der nominellen Hilfe aus Deutschland in Wahrheit als ABM für Deutsche zu bezeichnen wäre.

Mo. 4 Jul 2011 - 02:10

Lennart Oestergaard, Hamburg
Beitrag

Ich empfehle den Autoren und Hostern dieser Internetseite, schnellstens eine Facebook-Gruppe (mit weiterleitung auf diese Website) zu gründen, mit deren Hilfe in kurzer Zeit sehr viele Unterschriften gesammelt werden könnten.

Mo. 22 Aug 2011 - 15:54

Manuela Fischbach, Langenfeld
Beitrag

Es gibt in den verschiedenen Ländern genügend studierte Fachkräfte die in der Lage sind, in Ihrem eigenen Land Projekte zu betreuen. Man müsste für diese Fachkräfte Gelder zur Verfügung stellen! Warum wird Geld ausgegeben, um europ. Führungskräfte dort hin zu versetzen,für einige Jahre zu bezahlen, danach kehren Sie zurück und eine neue Fachkraft muss sich wieder neu in das Projekt einarbeiten. Zeitverschwendung, Geldverschwendung und keine Hilfe zur Selbsthilfe. Es gibt gute Beispiele, dass Afrika selber fähig ist das Land von innen her aufzubauen und Gelder besser investiert werden könnten "Setsoto Projekt"www.setsoto.info

So. 28 Aug 2011 - 16:03

Torben Winter, Gedern
Beitrag

Mein Resümee zu meinem weltwärts-Jahr in Ghana:

Obwohl weltwärts ein Projekt des BMZ ist, ist nicht die Hauptsaufgabe der Freiwilligen in dem Jahr die Armutsbekämpfung. Ich sehe die Ziele von weltwärts in folgenden Punkten: persönliche Erfahrungen, intrakultureller Austausch und globales Lernen.

Meine Arbeit im Projekt hat nicht den Zweck Armut zu mindern und Ghana zu entwickeln. Es ist ein Mittel zum Zweck, um die oben genannten Ziele zu erreichen. Das Projekt hat eine untergeordnete Bedeutung. Wie im letzten Blogartikel ausführlich erzählt, war es nicht meine Aufgabe als fremder Deutscher den GhanaerInnen zu erzählen, wie sie etwas zu tun haben.

Ich habe ein Jahr in dem Dorf Ajumako unter einfacherer Bedingungen als in Deutschland gelebt, musste oftmals auf Strom und fließendes Wasser verzichten. Doch die touristische Abenteuereigenschaft verliert das mit der Zeit, es wird zur Gewohnheit, wie so vieles, was am Anfang neu war. Ich bin in Ajumako angekommen, habe mich nicht mehr fremd gefühlt. In Gesprächen taucht man tiefer in die "Kultur" ein, beginnt Neues zu lernen und Dinge nachzuvollziehen.

Geholfen hat mir dabei vor allem, meine Motivation und Offenheit sich auf etwas Neues einzulassen, und die Tatsache, dass ich auf dem Land und nicht in der Stadt wohne. So habe ich Einblicke erhalten, die vielen professionellen Entwicklungshelfern trotz jahrelanger Arbeit in Entwicklungsländern verwehrt bleiben.

Gegen Ende bin ich an meine psychische Belastungsgrenze gestoßen, weil ich mir die Frage gestellt habe: Wieso braucht man weltwärts-Freiwillige, um Missstände aufzuzeigen, die Entwicklungshelfer seit Jahrzehnten nicht in der Lage waren zu lösen? Ich habe mich ohnmächtig gefühlt, mich nicht in der Lage gesehen, daran etwas ändern zu können, und habe in diesem Prozess meine persönlichen Ziele des weltwärts-Jahres auf die oben genannten heruntergebrochen. Ich habe mich von meinem anfänglichen Weltverbesserungsdrang gelöst.

Es ist nicht zu leugnen, dass mich das Jahr sehr geprägt hat. Ich habe tatsächlich globale Zusammenhänge begriffen, die globale Welt mehr verstanden und dabei so viele Missstände gesehen, was mich für diese Themen weiter sensibilisiert hat. Am weltwärts-Programm würde ich folgendes ändern:

1. Trägerschaft sollte nicht das Entwicklungs-, sondern das Bildungsministerium übernehmen. Ich habe in dem Jahr nicht Ghana, sondern mich selbst entwickelt.
2. Es sollten keine Projektplätze in Großstädten, sondern nur auf dem Land vergeben werden. So ist man gezwungen, sich mit dem Leben im Land zu beschäftigen und kann sich nicht in Beachressorts, Clubs und Restaurants mit westlichem Standart flüchten.
3. Wenn niemand die Arbeit der Freiwilligen im Projekt kontrolliert und nicht fordert - wie vertraglich vereinbart - die gesammelten Erfahrungen in die deutsche Gesellschaft einfließen zu lassen, braucht man sich nicht wundern, wenn nichts dabei herumkommt.
4. Die Freiwilligenzahl muss drastisch durch härtere Auswahlseminare reduziert werden. Viele werden nie als Multiplikatoren dienen, weil sie sich noch nie ehrenamtlich engagiert haben und werden. Zukünftiges Engagement ist keine Selbstverständlichkeit.

Wie nachhaltig das weltwärts-Programm ist, kann man nach fünf Jahren noch nicht absehen. Auch ist völlig unklar, in welche Richtung sich die Absolventen orientieren. In dem Jahr habe ich das Rüstzeug erworben, um globale Defizite offen zu legen und zu helfen die Welt gerechter zu gestalten, aber auch Möglichkeiten gesehen, in der wirtschaftlichen Ausbeutung als Profiteur mitzumischen. Die Zukunft wird es zeigen.

Weitere Artikel zu verschiedenen Themen (Entwicklungshilfe, Gesundheit, Bildung in Ghana) auf meinem Blog www.torben-in-ghana.blogspot.com

Mi. 7 Sep 2011 - 23:34

Herbert Grüner, Waiblingen
Beitrag

Zu dem Interview mit Bob Geldof im Artikel von A. Hämmerli "Afrikas Wirtschaft explodiert" (siehe Bonner Aufruf "Neues", 30.8.):
Wo Herr Geldof seine rosaroten Informationen zu Afrika herbezieht, ist mir nicht bekannt, von großer Sachkenntnis über die soziopolitischen , insbesondere korruptionsbezogenen Zustände in den meisten der einzelnen Länder jedenfalls scheinen sie mir nicht geprägt zu sein. Offensichtlich hat er sich nie die Frage gestellt, wohin denn nun die "riesigen Renditen", von denen er schwärmt, abfließen, oder besser gesagt, wohin sie geradezu "abgesaugt" werden - weite Bevölkerungsschichten jedenfalls profitieren davon nicht! Wie erklärt sich sonst der bei so traumhaft hohen Wachstumsraten nicht endenwollende Exitus von Afrikanern, die teilweise größte Lebensgefahren auf sich nehmen, nur um nach Europa zu gelangen? Sie würden für Ihre Emigration wohl kaum ein abgewirtschaftetes Modell als Fluchtziel auswählen.Tatsache ist, dass selbst in afrikanischen "Vorzeige"-Ländern, wozu z.B. Mosambik zählt, das wirtschaftlich interessante "Terrain" fest unter den maßgeblichen Familienclans aufgeteilt ist. Dieses geschieht ganz einfach und schlicht durch Zuteilung von Lizenzen, welche einer Monopolstellung gleichkommen. In einem kürzlich mir zugeleiteten Zeitungsartikel vom 15.08.11 des "Canal de Moçambique", einem bestrenommierten Zeitungsjournal des Landes, befasst sich der Autor mit den Familien Machel (Zamora Machel war Staatsgründer nach den Befreiungskriegen sowie erster Präsident von Mosambik) und Guebuza (aktueller Präsident). Danach sind beide Familien hochrangig oder als stille Teilhaber in 3 Staatsbetrieben (Hafenverwaltung, Eisenbahn- und Elektrizitätsgesellschaft) sowie der Petroleumgesellschaft "Petromoc" vertreten. Für ein vorgesehenes neues Kfz-Kennzeichen haben sich beide Familien bereits ebenfalls Teilhabe an der Herstellerfirma gesichert. Der Vorgänger des jetzigen Präsidenten ist mit gesetzeswidrigem Abbau von Tropenholz (geht hauptsächlich nach China) "beschäftigt". In Luanda, Hauptstadt Angolas (wegen der hochwertigen Erdöl- und Edelsteinvorkommen des Landes hat sich Luanda zur teuersten Stadt der Welt entwickelt!) finden Hungerstreiks statt! Vergleichbares kennt man vom medial besser bei uns bekannten Nigeria! Für Investitionen ist u.A. Rechtssicherheit unverzichtbar, dies aber ist bei den meisten Staaten Afrikas nicht gewährleistet. Ich frage mich, wo Herr Geldof sein Afrikabild herbezieht - mir scheint jedenfalls, dass seine Einschätzungen eher Fachartikeln aus interessierten Wirtschaftskreisen denn der Realität geschuldet sind!

Fr. 9 Sep 2011 - 23:47

Jürgen Haushalter, Meckenheim
Beitrag

Zum Interview mit Bob Geldof im BA-Beitrag vom 30.8.11, A. Hämmerli "Afrikas Wirtschft explodiert"

Zu Bob Geldofs Aussagen im Interview fallen mir nur Begriffe ein wie hanebüchen und himmelschreiend. Kein einziges Wort ist es wert, auf derart verquere Ansichten zu reagieren. Wenn überhaupt, dann liegen mir folgende Fragen auf der Zunge:
Was sind die Quellen, aus denen er seine unglaubwürdigen Zahlen und Behauptungen speist ?
Afrikas Wirtschaft explodiert förmlich ?
Wieso kommt er zu der Meinung, dass es in Afrika weniger Konflikte gibt als in Asien?
Was ist diesbezüglich - neben dem Horn Afrikas - mit Nordafrika, Simbabwe, DR Kongo, Nigeria, Angola, um nur einige Länder zu nennen ?
Ein Großteil der Welt wird durch Afrika angetrieben ?
Wenn Afrika die Produktion (!) einstellt, dann sind wir in Europa weg vom Fenster ?
Afrika wird gesunden, wenn Nike-Schuhe und iPads gekauft sowie Coca Cola und Nestle-Produkte konsumiert werden ?
Bis zum Jahr 2020 wird Afrika mehr Arbeitskräfte haben als China ?
Afrika ist völlig unterbevölkert ?

Letztere Behauptung ist nun wirklich das "Sahnehäubchen" eines Interviews, das weitere haarsträubende Statements eines Musikers wiedergibt, der schleunigst zu seinen Leisten zurückkehren sollte.
Derartige, undifferenzierte wie realitätsfremde Standpunkte repräsentieren nicht einmal annähernd die komplexe, schwierige Situation der Länder Afrikas, helfen also keineswegs, zukunftsweisende Wege aufzuzeigen.
Geldof könnte mit diesen abstrusen Äußerungen seine letzten politischen und sonstigen Unterstützer in unserer Wohlstandwelt - gewiss nicht seine Nehmer in Afrika - verwirren, ja verprellen. Ich persönlich hätte nichts dagegen.

Di. 13 Sep 2011 - 22:33

Elke Zarth, Ségou, Mail
Beitrag

Dezentralisierung in Mali - große Schilder in kleinen Gärten

Die Einschätzung, inwieweit die Dezentralisierung in Mali heute umgesetzt ist, ist zuallererst sicher eine Sache der Perspektive und die führt jeweils zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Die Frage nach der Motivation dürfte dabei grundlegend sein. Wer betreibt aus welchen Gründen Dezentralisation und mit welchem Ziel? Hier spielen Geld, Macht und Sendungsbewusstsein eine tragende Rolle.

Die malische Regierung muss sich heute mehr denn je bemühen, die Geberländer vom guten Willen zur Demokratisierung zu überzeugen, um sich für Entwicklungshilfefonds zu qualifizieren, und erschafft ein ausreichendes Bild auch zur Dezentralisierung. Die Niederlassungen der Geberländer (wie alle anderen Projekte wird auch die Dezentralisierung nicht durch in Mali erwirtschaftetes Geld finanziert) sind in ihrer Bewertung der Bemühungen großzügig - Etats müssen verteilt und ihre Verwendung gegenüber dem Steuerzahler legitimiert, eigene wirtschaftliche Interessen im Rennen neben anderen Interessenten verteidigt werden, und Mali zeigt sich offen für die Zusammenarbeit, gibt genug Anlass zu positiven Berichten.

Die notwendigen Strukturen für die Dezentralisierung (Bürgermeisterämter in den Kommunen, Wahlen, bedingte Eigenverwaltung und Steuerrecht etc.) wurden eingerichtet und arbeiten je nach Selbstverständnis der Gemeinden und vor allem ihrer politischen Vertreter mehr oder weniger effektiv. So hat die einfache Bevölkerung durchaus den Eindruck, dass etwas geschieht und sie beteiligt ist. Das war sie allerdings auch vor der Dezentralisierung durch die traditionelle Dorforganisation, und es stellt sich die Frage, ob die neuen politisierten Strukturen (die vom Zentrum finanziell angefüttert werden) besser funktionieren oder ob sie nicht gar gewachsene Strukturen verdrängen und so vor allem in ländlichen Gebieten der ständisch traditionellen Gesellschaftsstruktur mit ihrer Dorfdemokratie zuwiderläuft und Konflikte herbeiführt. Vor allem in den entfernten Regionen des Nordens ist man an unabhängiges Handeln gewöhnt und hat hierfür eigene Strategien entwickelt.

In kleinen Dingen (Geburtsurkunden, Personalausweis, Führerschein etc.) ist die Administration einen Schritt weiter gekommen. Der Ausbau der Infrastruktur dürfte für viele Malier gar ganz erstaunlich sein. Sie sind zwar nicht die wirklichen Nutznießer (das sind sicher die großen ausländischen Unternehmen, die in den wasserreichen Regionen z.B. Agrobusiness betreiben), aber es macht den Anschein, als ginge es aufwärts. In der Regel verfügt die Bevölkerung leider nicht über die notwendigen Kompetenzen, um über den üblichen Kleinhandel hinaus an der wirtschaftlichen Entwicklung teilzunehmen. Die PPP-Projekte sind steuerbefreit und generieren also keine Abgaben an die Regionen. Zudem läuft die Landvergabe über das Zentrum und die Gemeinden vor Ort (wenn sie nicht gar umgesiedelt werden) stehen dem als "Wahrer des Patrimoine" im dezentralistischen Sinne nur mit schwachen Argumenten gegenüber.

Die lokalen Amtsinhaber nutzen ihre Befugnisse leidlich aus (Bürgermeister sind dafür berüchtigt, dass sie Land, das ihnen nicht gehört, gleich mehrmals verkaufen), aber man besänftigt den Argwohn auch hie und da mit "Bonbons" (z.B. einen Tag lang kostenlose Geburtsurkunden für alle Neugeborenen). Das afrikanische Machtphänomen (ein Mächtiger, der seine Macht nicht nützt, verdient sie nicht) trägt dazu bei, dass die Gemüter ruhig bleiben.

Für wirklich wichtige Dinge des alltäglichen Lebens muss man nach wie vor in die Hauptstadt. Die Wege der Behörden sind verschlungen und es dürfte für einen Malier aus der Peripherie ohne ausreichende Bildung kaum möglich sein, den komplexen Papiermarathon (und die individuelle Auslegung der Gebührenordnungen) durchzuhalten. Es mangelt an Transparenz und demokratischem Verständnis bei den Behörden, und nicht selten vergehen Jahre, bis ein Sachverhalt (z.B. ein Antrag auf Rente) geklärt wird oder letztlich schlicht im Sande verläuft. An den Schaltstellen ist man sich der Macht bewusst und spielt diese auch aus. Von Bamako aus herrscht nach wie vor ein extremes Machtgefälle. Die großen Entscheidungen werden dort ebenso vorgenommen wie die Verteilung der Mittel (von denen ein erklecklicher Teil der Korruption zufällt).

In den Peripherien können die Gemeinden Steuern einstreichen, die für die wirtschaftliche Entwicklung vor Ort vorgesehen sind - sie scheitern allerdings an der "Weigerung" der Bevölkerung. Gerade die Landbevölkerung befindet sich mit der Agrikultur noch auf der Subsistenzebene und ist kaum in der Lage, Steuern abzuführen. Wer Steuern zahlen könnte, findet Mittel und Wege, das zu vermeiden. Die vormals staatlichen Steuerbehörden wirken zudem nicht mehr autoritär auf die Zahlungsmoral. In der malischen Bevölkerung hat diesbezüglich kein Umdenken stattgefunden: Regularien und Obligationen eines demokratischen Systems werden generell aus verständlichen Gründen umgangen. Es besteht kaum Grund zum Vertrauen in die staatlichen Strukturen, und man ist der Meinung, der Staat sei schließlich für einen da und nicht umgekehrt.

Das Rechtssystem reagiert im Großen wie im Kleinen kaum auf solche Delikte, weil es regelmäßig der verwickelten Moralstruktur und dem Nepotismus unterliegt. Hin und wieder steht der Staat den Gemeinden mit finanzieller Hilfe zur Seite, wo es am Einfachsten mangelt.

Ein ganzheitliches Umdenken wäre sicher nur durch die frühe Erziehung hin zu demokratischen Ideen und Denken fort von Clansbewusstsein, Nepotismus und traditionell organisierten Strukturen möglich. Allerdings scheint gerade das Bildungssystem das erklärte Stiefkind der Veranstaltung zu sein. Mit der Entscheidung, die ersten 5 Schuljahre in Bambara zu unterrichten, hat man endgültig - im Wissen der Geberländer und ihrer teuren entwicklungsfördernden Antennen im Land - den Rückweg angetreten. Die "pédagogie convergente" stützt sich auf die Idee, dass die bessere Kenntnis der Muttersprache das Erlernen der Fremdsprache erleichtert - ignoriert aber, dass Bambara eine traditionelle Sprache für traditionelle Inhalte ist und Kinder mit 11/12Jahren die Leichtigkeit zum Spracherwerb verlieren - womit Französisch dann unvermeidlich Fremdsprache wird Nichts spräche indes dagegen, beides parallel zu fördern und so Brücken zu bauen.

Quantitativ hat das Schulwesen enorme Fortschritte gemacht (und auch bei der Bevölkerung den fatalen Eindruck erweckt, man sei auf dem Wege der Modernisierung) - qualitativ irreparable Rückschritte, weil seit den letzten großangelegten Bemühungen vonseiten der EU Ende der 90er Jahre, das Bildungssystem zu modernisieren, eine weitere Generation ohne nachhaltiges Wissen ins Erwachsenenleben entlassen wurde. Die Analphabetenrate steigt, die Re-Analphabetisierung ist erheblich, die Abschlussquoten in der mittleren Bildung liegen unter 40%, universitär z.T. unter 30%. Man muss dazu sagen, dass die Einstellung der malischen Allgemeinheit zum Bildungssystem und zur Bildung selbst für europäisches Verständnis durchaus prekär ist: ein großer Teil des Sektors wurde privatisiert und kommerzialisiert, die Investitionen auf familiärer Ebene gehen selten in Lernmaterial, sondern eher in das jeweils gängige Moped-Modell, mit dem man an der Schule vorfährt. Lehrer kommen nicht von selbst auf die Idee, ihre Materialien zu aktualisieren. Man erwartet, dass Bildung gebracht/serviert wird. Eigeninitiative und Fragenstellen sind unerwünscht, kritisch-analytisches oder gar autokritisches Denken so wie die ganze Dialektik ein Unding. Es gibt auch nach 50 Jahren Entwicklungshilfe kein nennenswertes Berufsbildungssystem.

Wer ein echtes Interesse am "Fortkommen" seiner Kinder hat, nimmt den Begriff wörtlich und schickt sie ins Ausland - die hierfür notwendigen Mittel sind u.a. jenen vorbehalten, die eigentlich für die Abschaffung des Bildungsnotstandes zuständig sind. Diese wiederum haben aus traditionellen Gründen keinerlei Interesse an der Bildung der breiten Masse.

So dürfte die Dezentralisierung theoretisch erfolgreich in Mali lanciert worden sein und kann sich unter den anderen afrikanischen Staaten sehen lassen. Was genau allerdings die Akteure darunter verstehen und was sie im Einzelnen daraus machen, steht auf einem anderen Blatt und hat wie so oft wenig mit den Vorstellungen der Spender zu tun.

Sa. 24 Sep 2011 - 22:04

Torben Winter, Gedern
Beitrag

Ein sehr gutes Video von weltwärts-Freiwilligen der GIZ in Uganda. Es bringt den Punkt des interkulturellen Austausches sehr gut auf den Punkt. Wäre schön, wenn es überall so aussehen würde.
vimeo. com/ 28606688 (Leerzeichen entfernen, dann öffnet sich der Link)

Mi. 28 Sep 2011 - 11:28

Aart van der Heide, Elburg, Niederlande
Beitrag

ich finde es tol dass deutschland griechenland entwicklungshilfe geben will. es zeigt viel solidaritat.

Sa. 22 Okt 2011 - 19:10

Adjoa Frimpong-Boateng, Tübingen und Accra, Ghana
Beitrag

Ich frage mich schon seit Jahren, warum so viel Geld in
nutzlose Projekte gesteckt wird. Wird nicht überprüft, wohin die Gelder fließen? Die sogenannte "Entwicklungshilfe" nährt derzeit nur gierige, korrupte Machthaber und lähmt unseren Kampfgeist sowie Kreativität.
Ich würde mir wünschen, dass nur Personen, die Fleiß und Eigeninitiative zeigen, gefördert werden.

Sa. 29 Okt 2011 - 19:24

Martin Schneiderfritz, Natitingou, Bénin
Beitrag

"Auf der anderen Seite der Theke" oder :
Betrachtungen zum Stand des Dezentralisierungsprozesses in der Republik Benin,
angestellt von einem ehemaligen Mitarbeiter des reformführenden Innenministeriums, jetzt Bürger einer der neuen Kommunen

Vorbemerkung :

Zur Erinnerung : Soweit erkennbar, herrscht in der "Dezentralisierungswelt" Konsensus darüber, dass die Organisationsparameter einer dezentralisierten Territorialverwaltung mit sich selbstverwaltenden Gemeinden an der Basis universell gültig und "verbindlich" sind für alle Staats- und Verwaltungs-kulturen der Welt mit dem Willen zu solcher Reform, auch die afrikanischen. Ousmane Sy, der Vater der Dezentralisierung in Mali formuliert es eindrucksvoller (in seinem Buch : "Vorwärts Afrika - Plädoyer für einen Wandel von unten", dem auch alle nachfolgenden Zitate entnommen sind) : "Heute muss die Dezentralisierung als institutionelle Antwort verstanden werden, die … eine Einheit herbeiführen wird, die sich auf die Vielfalt stützt und sie dadurch stärkt. Daher bin ich überzeugt, dass die Dezentralisierung der Erwartung aller Völker der Welt entspricht, die unter Respektierung ihrer Unterschiede zusammenleben wollen, auch wenn jeder seiner Kultur, seinem Pantheon, seinem Referenzrahmen folgt." Entsprechend dieser Philosophie sind die Entscheidungen über die Ausgestaltung der Dezentralisation eines Landes zu treffen. Deren wichtigste beziehen sich üblicherweise auf :
-- die Ebenen der zu dezentralisierenden Verwaltungen (Gemeinden, Kreise, Departements,
Regionen) ;
-- die Mechanismen der Legitimation der dezentralisierten Ebenen ;
-- das Kommunalfinanzsystem ;
-- das Zusammenspiel zwischen Dezentralisation und Dekonzentration.

Die Grundzüge der dezentralisierten Territorialverwaltung Benins :

Auch die Republik Benin hatte für Konzeption, Vorbereitung und Durchführung ihrer "Réforme de l'Administration Territoriale, RAT" solche Grundentscheidungen zu treffen. Dabei kam ihr ein ziemlich entscheidender Vorteil zugute : die überschaubare geographische, institutionelle und politische Vorgeschichte der Gebietsverwaltungssysteme des Landes, die bis auf die Zeit vor der Unabhängigkeit zurückgehen. Auf diesen Systemen basieren die Grundlinien der RAT in Benin, in diese hat das Land die Elemente seiner Dezentralisierung eingebaut. Deren Grundpfeiler sind, summarisch zusammengefasst, folgende :

̶ Es gibt nur eine einzige Ebene der Dezentralisierung : die Gemeinde. Diese ist der institutionelle Nachfolger und gebietsmässig identisch mit den vorexistierenden staatlichen unteren Verwaltungsbezirken (Sous-Préfectures). Der entscheidende Unterschied und Reformkern : Diese Bezirke wurden zu per Kommunalwahlen legitimierten Selbstverwaltungskörperschaften erhoben, 77 an der Zahl. Gewählt werden : Der Conseil communal (Gemeinderat), der Maire und seine Adjoints innerhalb des Gemeinderats, Räte und Chefs der Stadtviertel und Dörfer (es handelt sich um Flächengemeinden mit einem Agglomerationskern und vielen Dörfern).

̶ Es gibt nur eine einzige Ebene der Dekonzentration : Das Département, mit einem Préfet als einzige (zwischen Zentralstaat und Gemeinden) dekonzentrierte Kommunalaufsichtsinstanz.
Das Département ist auch die Ebene der dekonzentrierten Dienste der Sektorministerien.

Der vorerwähnte Vorteil war zunächst nicht das Verdienst des Landes. Allerdings war es sehr wohl ein Zeichen politischer Weisheit, diese Vorgegebenheiten der Gebietsverwaltungsorganisation nicht verworfen, sondern dazu genutzt zu haben, eine pragmatische Dezentralisierung mit realistischen Umsetzungschancen zu konzipieren, indem vorbestehende staatliche Verwaltungseinheiten zu selbstverwalteten, durch Wahlen legitimierte Kommunen erhoben wurden. Immenser Vorteil dieser Situation : Das vermutlich delikateste und "politischste" Kernstück jeder Dezentralisierung und Einrichtung von Gemeinden, die Definition des Gemeindegebiets, entfiel bei der Reform in Benin
(… und konnte im wesentlich komplizierteren Falle Malis und seiner Dezentralisierungs- und Kommunalaufbaupolitik nur dank des meisterlichen Reformmanagements von Ousmane Sy gelingen). Auch konnten die neuen Gemeinden von Erfahrungen in Verwaltung und Organisation der kommunalen Vorgängerinstitution "Sous-Préfecture" (z.B. in der von diesen bereits gehandhabten Budgetisierungspraxis) profitieren. Wichtiger weiterer Startvorteil : Das vorhandene Personal. Allerdings, dessen Umpolung von der altgewohnten Tradition einer Kommandoverwaltung (oder "Besatzungsverwaltung", wie es Ousmane Sy nennt) auf eine Attitude dem lokalen Gemeinwohl (und nicht nur dem privaten) verpflichteten Kommunalbeamtentums bleibt ein hartes Stück Reformdurchführungsarbeit.

Kritik an solcherart "zu kurz gesprungener" (da nicht und sofort auch auf andere Ebenen, etwa die Départements, ausgedehnter) Dezentralisierungspolitik des Landes blieb nicht aus. Dennoch : Die gewählte Konzeption ist gemessen an universellen Dezentralisierungsprinzipien wie auch an der nationalen Verfassung unangreifbar.

Die Vorteile und Unterschiede der oben skizzierten RAT Benins zu anderen sich dezentralisiert habenden Ländern des frankophonen Westafrikas, vor allem zur vorgenannten Republik Mali, sind evident. Die entscheidendsten darunter : Begrenzte Anzahl der neu zu schaffenden Gemeinden, limitierte, vordefinierte Gemeindegebiete, die zu dezentralisieren und durch Wahlen zu legitimieren waren. Dekonzentration der staatlichen Verwaltung nur in einem Schritt : von der Zentralregierung zur Departementsverwaltung. Das alles ergab eine relativ einfache, nur dreistufige Konstruktion der neuen Gebietsverwaltungsorganisation (1. Sous-Préfecture umgewandelt zur und legitimiert als selbstverwaltete Gemeinde ; 2. Departement ; 3. Zentralregierung).

Nun, wieweit ist man mit der Umsetzung des Ganzen zum heutigen Zeitpunkt, nach Ablauf der ersten Mandatur (Gemeindewahlperiode, von 2003 bis 2008), und von fast vier Fünftel der zweiten (von 2008 bis Ende 2012 ? Und wichtiger noch : Wieweit hat sich die Lage der Bevölkerung, d.h. der 74 Gemeinden (77 minus die drei Grosskommunen Cotonou, Parakou, Porto-Novo) erkennbar
gebessert ? Es kann bei diesen Kommunen durchweg von ländlicher Bevölkerung gesprochen werden. Zwar gibt es in jeder Gemeinde eine eher urbane Agglomeration mit dem Sitz der Kommunalverwaltung. Diese ist aber vom rein ländlichen übrigen (Flächen-)Gemeindegebiet nicht zu trennen.

Die Meilensteine der bisherigen Umsetzung der Dezentralisierungsgesetze und ihrer Durchführungstexte :

-- Zwei Kommunalwahlen ziemlich korrekt durchgeführt.
-- Kommunen sind eingerichtet, Aufbau- und Ablauforganisation bestehen.
-- Ein Kommunalfinanzsystem ist eingerichtet und an die Selbstverwaltung der Gemeinden
angepasst.
-- Ein kommunaler Investitions- und Finanzausgleichsfonds existiert und funktioniert passabel.

Hindernisse für die praktische Umsetzung der Dezentralisierungsgesetze und ihrer Durchführungstexte :

Die klassischen :

Auch für Bénin und trotz seiner angepasst-pragmatischen Reform gilt die ebenso banale wie richtige Erkenntnis : "Die "Mutter aller Umsetzungsprobleme" von Dezentralisierung und Gemeindeaufbau ist und bleibt - ganz nach Ousmane Sy und anderen seriösen Beobachtern - die Angst des Zentralstaates vor Verlust von Zuständigkeiten, Macht und Mittelzugang. Es ist diese Angst, die den entsprechenden politischen Reformwillen lähmt und allenfalls unter Druck von aussen allmählich und irgendwann richtig zum Tragen bringt. Die derzeit negativsten Folgen dieses Phänomens für die in der Umsetzung befindliche Gebietsverwaltungsreform des Landes Benin sind :

(i) Andauernder Verzug in der tatsächlichen Übertragung der den Gemeinden gesetzlich zustehenden Kompetenzen und, vor allem, in den gesetzlich fixierten staatlichen Transferleistungen zu deren Finanzierung.

(ii) Restriktive, kaum vorauszukalkulierende Handhabung der allgemeinen Transferleistungen des Staates an die Gemeinden ; es gibt z.B. immer noch keinen gesetzlich fixierten Prozentsatz am BNP (etwa nach dem Vorbild Ghanas).

(iii) Kein Ersatz für wegfallenden Gemeindeanteil an Verbundsteuern.

(iv) Bisher vollständige Blockade der qua Gemeindeorganisationsgesetz vorgeschriebenen Verwaltungsdekonzentration. Erläuterung hierzu : Die beninischen Sektorministerien besitzen auf Départementsebene regionale Antennen für ihre Dienste (sog. Directions départementales de la Santé, … de l'Education, … des Travaux Publics, etc.). Die gesetzlich und theoretisch-politisch gewollte Aufgabenstellung dieser Strukturen im Rahmen der Dezentralisation besteht in der Beratung und technischen (natürlich honorarpflichtigen) Assistenz der Kommunen ihres Bezirks bei der Wahrnehmung der auf sie übertragenen Kompetenzen. Dies gilt für alle kommunalen Infrastruktur-Aufgaben die technisch-administratives know-how und Personal erfordern, z.B. für Gesundheit, Erziehung, Wegebau, Wasserversorung, etc. Eine sehr vernünftige Lösung, angesichts der unvernünftigen und unrealistischen Alternative, auf der kommunalen Ebene eigene technische und Managementkompetenzen aufzubauen. Was ist geschehen seit Gründung der Gemeinden Anfang 2003 ? Fehlanzeige komplett ! Die dekonzentrierten Dienste weigern sich, ihre neue Rolle zu akzeptieren. Sollten sie das doch irgendwann, haben sie kein Geld für die den Kommunen anzubietenden Dienstleistungen (auch der kleinste Wasserhahn muss beim Fachministerium in Cotonou beantragt werden) : Die zentralen Sektorministerien weisen ihren dekonzentrierten Dépendancen keinerlei Budget zu. Das für ihren Betrieb erforderliche Geld existiert, wird aber in der Zentrale budgetiert …. und meist bestimmungswidrig ausgegeben. Dieses Verhalten, weiterhin geübt, ist eine Killer-Annahme dafür, dass die grosse Mehrheit der Kommunen jemals die ihren Bürgern geschuldeten Dienstleistungen, auch nur im Ansatz, erbringen können.

(v) Fortführung eines schon in der Vorreformzeit praktizierten (gegenüber den schon damals budgetisierenden Sous-Préfectures) Verhaltens des "Trésor Public" (Staatskasse) als "unfreundlicher Bankier". Erklärung hierzu : Benin hat für seine Gemeindefinanzordnung das französische Prinzip der "Unité de caisse" übernommen. Diesem Prinzip zufolge gibt es für die Nation nur eine einzige öffentliche Kasse, den Trésor Public, der die Gesamtheit der öffentlichen Ein- und Ausgaben des Landes verwaltet, auch die der Gemeinden. Diese halten dort ihr eigenes Konto, das der Trésor Public als ehrlicher Bankier zu führen hat (was in Frankreich auch geschieht, mit dem grossen Vorteil für die Gemeinden, zum Beispiel über Kassenkredite verfügen zu können, eine Möglichkeit, die etwa deutsche Gemeinden nicht haben). Nun klemmt in Benin gerade hier das System, und zwar zu einem - aller Verbesserung der materiellen kommunalen Finanzsituation zum Trotz - die lokale Entwicklung stark gefährdenden Grad : Der - staatliche - der Kommune zugeordnete und deren Konto führende "Receveur-Recepteur" weigert sich des Öfteren, Zahlungsanweisungen des seine Mittel bewirtschaftenden Bürgermeisters durchzuführen, trotz auf dem Gemeindekonto vorhandener Deckung. Dies ist absolut gesetzeswidrig. Doch, so heisst es meist, müsse er erst Ausgaben für den Staat honorieren, z.B. die Pensionen der in der Gemeinde lebenden Ruhestandsbeamten oder das Benzin für den Präfekten oder …. oder…. . ; klarer Fall zentralstaatlich organisierter Veruntreuung kommunaler Gelder.

Hindernisse, deren Ursprünge im allgemein immer noch schwach entwickelten politischen Reformwillen, aber auch in der Konfusion von lokaler und nationaler Politik liegen :

Einige Beispiele :

(i) Ungelöste Situation des Gemeindepersonals :
Fortbestehende Vermischung von Personal der Gemeindeverwaltung mit der des Zentral- und dekonzentrierten Staates / Verschleppung des Gesetzes über ein Personalstatut mit der Folge weitgehender Schlecht- und Ungleichbehandlung und damit Demotivation des kommunalen Personals.

(ii) Systematische Hinderung - durch die Zentralregierung - der Präfekten an der konsequenten Ausübung ihrer Kommunalaufsichtsbefugnisse, besser : Nichtausübung derselben in vorauseilendem politischem Gehorsam ; denn ein Präfekt wird hierzulande - gesetzeswidrig - von vornherein nicht zu Kontrolle und Promotion "seiner" Gemeinden eingesetzt, sondern nach Kriterien der nationalen Politik und der Durchsetzung derselben vor Ort, und sei's zum offensichtlichen Nachteil der Gemeinden. In dieser Praxis liegt der Keim des Scheiterns der gesamten Reform, denn : Ohne starke, kompetente Wahrnehmung der Aufsicht und auch der Assistenzpflichten des Präfekten gegenüber natürlicherweise noch unerfahrenen, personell unterbesetzten, mit allerhand Startschwierigkeiten kämpfenden Kommunen, sind diese zu nachhaltiger Misswirtschaft geradezu eingeladen.

(iii) Systematische Vermischung von nationaler mit lokaler Politik bei unangreifbarer Dominanz von ersterer :
Die Gemeinden als neuer Raum oder Forum für Kommunalpolitik bieten aber auch neue Politikmissbrauchsräume. Es gilt die Maxime, frei nach Orwell's "Farm der Tiere" : "Alle Politiken, die nationalen und kommunalen - regionale gibt es in Benin noch nicht - sind gleich, die nationale jedoch ist gleicher als gleich". Im Klartext : Kommunalpolitik, die sich - vor allen nationalpolitischen Erwägungen - prioritär an den Bedürfnissen der lokalen Entwicklung und, vor allem, denen der Gemeindebürger orientiert, findet im Lande noch nicht statt, ausgenommen einige wenige Fälle couragierter Bürgermeister. Die gibt es! Doch sonst legt sich nationale Politik über alles, was an lokalpolitischen Initiativen aufzukommen versucht. Das fängt an bei der Listenaufstellung zur Kommunalwahl (die Möglichkeit freier Listen besteht, ist aber ohne praktische Bedeutung) und geht weiter über die selektive - je nach Affinität zum präsidialen politischen Lager - Einleitung. aufsichtsrechtlicher Massnahmen gegen misswirtschaftende oder/und korrupte Bürgermeister.
Besonders beliebt ist die Übung der Zentralverwaltung, Realisierungen, die von der Gemeinde in ihrer eigenen Kompetenz verantwortet worden sind, vom Staatspräsidenten selbst oder seinen Ministern mit grossem Pomp und den Ruhm für sich reklamierend einweihen zu lassen. Dies mag als Detail erscheinen, ist aber, ganz im Gegenteil, von grosser demotivierender Wirkung für Bürgermeister und Kommunalverwaltung ; schlimmer noch : es beschädigt, in den Augen der Bürger, die Autorität von beiden, und verwirrt das Volk bei der Beantwortung der Frage, wer denn nun für die Lokalentwicklung zuständig ist und wozu die Gemeinde überhaupt da ist. Solche Phänomene machen so manche Bemühungen (des Staates, meist aber der Kooperation und der NRO) zunichte, die Dezentralisierung, die Rolle der Gemeinden und die Nützlichkeit einer guten Kommunalverwaltung (vulgo : Bonne Gouvernance Locale) den Bürgern näherzubringen.

Aber auch : Trotz Hindernissen gibt es Beispiele konkreter Fortschritte in der Reformdurchführung und der Situation der Gemeinden :

Stellvertretend für die Dezentralisierungsgewinne sei hier nur einer, der entscheidende, genannt :
Die Einnahmeseite der Gemeindefinanzen hat sich seit Bildung der Gemeinden in 2003 dramatisch verbessert. Nimmt man als Ausgangsbasis die Budgetsituation der institutionellen Vorgängerinstitution, der Sous-Préfecture, so hat sich diese im Durchschnitt aller 77 Kommunen etwa verzehnfacht. Die wesentlichen Gründe : Verbesserte Anwendung eines neuen Systems der den Gemeinden als Eigeneinnahme zustehenden Grundsteuer und deren Eintreibung sowie die Produkte der Gewerbesteuer und einer neugeschaffenen lokalen Entwicklungssteuer. Positive Auswirkungen hat auch das neue System der Zuweisung von Finanzausgleichszahlungen (Funktionszuweisungen und Investitionsfinanzierungen als Subventionen) über einen kommunalen Ausgleichs- und Unterstützungsfonds. Die Einrichtung funktioniert seit zwei Jahren recht gut, da - noch - ganz überwiegend geberfinanziert, deshalb ziemlich wirksam kontrolliert und vor Mittelfehlleitungen geschützt. Generell hat sich durch diese Möglichkeiten der Handlungsspielraum für kommunale Investitionen erheblich erhöht.

Die Wirkungen der Reform für die Gemeindebürger -- Was ist angekommen bei der Bevölkerung ?

Die Antwort auf die Frage : Was kommt beim Gemeindebürger an? hängt zunächst vom Grad der gesetzeskonform ausgeübten Kommunalverwaltung ab. Dazu bietet die Gestaltung der RAT und die bisherige Praxis ihrer Umsetzung den Gemeinden in Benin durchaus die geeigneten Instrumente und kommunalpolitischen Möglichkeiten (wenn das Ganze denn die Nationalpolitik nicht behindert). Die Gemeinden haben auch schon jetzt die finanziellen Mittel zur Versorgung der Bürger mit korrekten Dienstleistungen und Investitionen. Allerdings : Sie haben, für wichtige Dienste, nicht die technischen und Managementkompetenzen. Die brauchen sie auch nicht, sondern können sie delegieren, u.a. auf staatliche dekonzentrierte Strukturen (die aber nicht funktionieren ; s. dazu oben). Für einige der wichtigsten Dienste werden nachstehende Fallbeispiele gebracht, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und nur zur Veranschaulichung des Grades der Reformumsetzung und der dabei für den Bürger spürbaren Wirkungen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Umsetzung der Reform und der Eintritt von Verbesserungen oder Nicht-Verbesserungen kommunaler Dienstleistungen nicht landeseinheitlich, sondern je nach Gemeinde sehr unterschiedlich sein kann :

(i) Förderung der lokalen Wirtschaft :
Hier hat sich in den neuen Gemeinden Einiges getan, etwa in Form der Gründung von Entwicklungsagenturen in verschiedener Form, an die der gemeindliche Dienst für die Promotion der lokalen Wirtschaft die Durchführung konkreter Förderungsaktivitäten delegiert. Solche Agenturen sind sicher eine sachlich angepasste Lösung. Die Struktur muss nur mit Leben (d.h. in erster Linie mit kompetentem und motiviertem Personal) gefüllt werden. Anderes gilt, wenn nach der in Benin (nicht nur bei der Regierung, sondern auch unter den verschiedenen Kooperationen!) beliebten Devise gehandelt wird : Struktur gebildet - Problem gelöst. Hier wird eher Politschau betrieben, die dazu dient, die Gründung einer Organisation, Institution oder ähnlichem schon als aktive Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung zu verkaufen. So geschehen jüngst durch die unter grosser medialer Begleitung aus der Taufe gehobene "Dezentralisierte Partnerschaft für Beschäftigung", die in jeder Gemeinde einen Stützpunkt für Beschäftigungsförderung vorsieht. Über Aufgabenbeschreibung, Wirkungsmöglichkeit oder Realisierungschancen dieser Strukturen konnte Näheres nicht in Erfahrung gebracht werden. Sie bleiben nach aller Erfahrung hypothetisch.
Allerdings, es gibt sehr wohl und sehr viele Kommunen, die reale Investitionen tätigen mit konkret-positiver Wirkung auf die lokale Wirtschaft und die wirtschaftliche Betätigung der Bevölkerung, allem voran die Investitionen in Konstruktion und Ausbau kommunaler Märkte und Autohöfe. Diese generieren substantielle Einkünfte für Kommunen und Gewerbetreibende. Sie sind der sichtbarste Ausdruck der Möglichkeiten kommunaler Selbstverwaltung auf dem Gebiet der Förderung von lokaler Entwicklung und Wirtschaft.

(ii) Kommunaler Strassen- und Wegebau :
Es scheint hier zunächst um ein rein technisches Detail zu gehen und darum, zu unterscheiden zwischen Strassen- und Wegenetz in der Agglomeration einer Kommune und dem enormen übrigen, zutiefst ländlichen, Gemeindegebiet. Tatsächlich aber steht hier ein grundsätzlicher Entwicklungsfaktor zur Debatte, die Transportinfrastruktur einer sich über grosse Flächen erstreckenden Gemeinde.
Zu ersterem Komplex, dem Wegenetz der Agglomeration : Hier ist die Bandbreite gross zwischen Gemeinden einerseits, die ihre Kompetenzen und die bestehenden Finanzierungsmöglichkeiten nutzen zu Ausbau und Rehabilitierung ihrer Wege, und, andererseits, Gemeinden, die dem rapide zunehmenden Verfall der Netze tatenlos zusehen, ohne jede Initiative ihres Bürgermeisters (auf den allein kommt es an). Der Verfasser dieses Vermerks hatte und hat Gelegenheit, beide Varianten der Auffassung von Verantwortung dieses Amtes in situ zu beobachten, besonders deren Folgen für die Bevölkerung : Als Bürger einer Gemeinde mit verantwortungs- und initiativloser Führung musste er die besonders in der Regenzeit gravierenden Konsequenzen solcher Haltung miterleben, auch am eigenen Leib : Massive Beeinträchtigung des sozialen und wirtschaftlichen Lebens durch eingeschränkte, zeitweilig völlig blockierte Mobilität der Bürger ; signifikant steigende Unfallhäufigkeit (vorwiegend für Motorräder, dem Rückgrat jedes gemeindlichen Personentransports in Benin) mit ebenso steigender Zahl tödlicher Ausgänge (dank unterspülter, metertief eingebrochener, nie gewarteter und unbeleuchteter Pisten). Und nun der Gegenentwurf : eine Nachbargemeinde, in Grösse, Fläche und Mittelzugang vergleichbar mit der Erstgenannten, jedoch gesegnet mit einem dynamischen, jede der zahlreichen Finanzierungsgelegenheiten auslotenden und nutzenden Bürgermeister. Die Folgen dieser Situation sind evident und zeigen das genaue Gegenteil der vorerwähnten Konsequenzen einer "Bad Local Governance".
Zum zweiten Komplex, dem ländlichen Wegenetz : Es sei an eine Binsenwahrheit erinnert, die jede seriöse und ins Konkrete gehende Entwicklungsdebatte bestimmt oder bestimmen sollte : Die Tatsache, dass wirtschaftliche und soziale Entwicklung eines Landes (und natürlich von Gemeinden mit grosser Fläche wie die beninischen) nur stattfinden kann, wenn dem Ausbau und der Wartung eines Strassen- und Wegenetzes erste Priorität eingeräumt wird. Ganz besonders gilt das für die ländliche Entwicklung : Keine Verbesserung landwirtschaftlicher Produktion (und der Lage der Produzenten), wenn diese nicht oder nur zu unvertretbaren Kosten zu ihren Absatzmärkten kommen kann. Diese Grunderkenntnis hat sich in der Mehrheit der neuen beninischen Gemeinden offenbar noch nicht in eine greif- und nutzbare Verbesserung der ländlichen Wegenetze umgesetzt. Es gibt zwar Wegebauprogramme für den ländlichen Bereich ; die gehen aber meist nicht von kommunalen Initiativen aus, sondern sind "gebergetrieben". Die meisten Gemeinden besitzen ein fruchtbares Umland, das den Anbau von in den "Städten" nachgefragten Nahrungsmitteln erlaubt. Nur, sie schaffen es nicht, dieses Umland strukturell so zu entwickeln, dass Obst, Gemüse und Konsorten auch wirklich in die "Stadt" kommen. Deshalb wird erst gar nicht ausreichend angebaut. So müssen sich etwa die Bürger der oben als Negativbeispiel angeführten Gemeinde (die ein fruchtbares Umfeld besitzt), ihre Tomaten, Zwiebeln, etc. häufig aus den Nachbarländern Togo und Burkina Faso besorgen! Diese Lagebeurteilung ist hart, sicher auch voreilig, gemessen an der relativ kurzen Existenz der Gemeinden. Sie wird dennoch so formuliert, da eine Besserung der Lage nur dann eintreten kann, wenn eines der oben genannten Grunddefizite, die fehlende Zusammenarbeit zwischen Gemeinden als Bauträger und dekonzentrierten staatlichen Diensten (hier der "Directions Départementales des Travaux Publics") als Berater und Ausführende, ausgeräumt sein wird. Nur dann kann die Abhängigkeit von der internationalen Entwicklungszusammenarbeit durch Wahrnehmung der eigenen (kommunalen wie staatlichen) Kompetenzen irgendwann einmal enden.

(iii) Verbesserung der Dienstleistungen, welche die Gemeinde ihren Bürgern zu erbringen hat :
Der Gemeindeverwaltung obliegt, neben den technischen Aufgaben der Daseinsvorsorge, auch die Leistung einer Vielfalt von weiteren Diensten an ihre Bürger, sei es im eigenen Wirkungskreis (z.B. Dienstleistungen sozialer, kultureller, planungstechnischer, wirtschaftsfördernder, etc. Natur), sei es im übertragenen (der sog. Auftragsverwaltung, darunter der für die Bevölkerung wichtigste Aufgabenbereich des Personenstandswesens, Etat civil). Die ganz entscheidende Grundvoraussetzung dafür, dass diese Leistungen wirksam und bürgerfreundlich erbracht werden, ist die Verfügbarkeit von Personal, das nach Zahl, Ausbildungsqualität und Motivation den Anforderungen entspricht. Hier hapert es gewaltig.
Die Gemeinden mussten ein Personal übernehmen, das eine Art Mitarbeiter-Patchwork darstellte, bestehend aus freigestellten Staatsbeamten, örtlichen Beamten ohne jegliches Statut, Angestellten mit Arbeitsverträgen, Tagelöhnern. Seit Übernahme des Personals hat sich an dieser Situation nichts geändert. Ein die Lage klärendes Kommunalbeamtengesetz ist nicht in Sicht. Der Qualifikationsstand der Mitarbeiter entspricht ihrer arbeitsrechtlichen Lage : chaotisch und unzureichend. Es liegt auf der Hand, dass solche Umstände kaum einen Mitarbeiter (die vom Staat delegierten und bezahlten Beamten vielleicht ausgenommen) dazu motivieren, seine Dienste so zu verstehen und zu erbringen, wie es ihm die neue Gemeindeorganisation ermöglicht, nämlich bürger- und bedarfsorientiert. Es bleibt demnach festzuhalten, dass die Dezentralisierung mit dem Aufbau sich selbst verwaltender und durch Wahlen legitimierter Gemeinden noch keine für den Bürger spürbare Verbesserung im Vergleich zur "Besatzungsverwaltung" der Vorgängerinstitution "Sous-Préfecture" gebracht hat. Die schlechte Personalsituation ist dafür der Hauptgrund. Bevor diese nicht geklärt ist, vornehmlich in den Punkten Arbeitsrecht, Ausbildung, aber auch Führungsmethoden der Bürgermeister, sind Fortschritte nicht zu erwarten.

(iv) Verbesserung der sonstigen Infrastruktur :
Beispiel Wasser und Strom : Die Zuständigkeit für diese Leistungen der Daseinsvorsorge liegt zwar bei den Gemeinden ; die aber müssen sich für die technische Leistungserbringung der lokalen Antennen der Versorgungsbetriebe für Wasser und Elektrizität bedienen. Das Dumme dabei : Beide Versorger sind Staatsbetriebe und zählen zu den Champions in den Disziplinen Korruption und Misswirtschaft. Druckmittel zur Verbesserung dieser Lage besitzen die Bürgermeister kaum, wenn sie denn politisch überhaupt wollten.

(v) Schlecht sieht es in den zwei zum Über- und Besser-Leben der Gemeindebevölkerung sowie für jegliche Entwicklung überhaupt wichtigsten Dienstleistungssektoren aus : Gesundheit und Ausbildung. Die Zuständigkeiten hierfür sind geteilt : Die Gemeinden besitzen, immerhin, die Kompetenz für bauliche und ähnliche Infrastrukturmassnahmen (und haben Anspruch auf entsprechende staatliche Finanzzuweisungen, …. die nicht kommen) ; die weit wichtigere Zuständigkeit aber, nämlich diejenige, die Verfügbarkeit professionellen Personals in genügender Zahl und Qualität zu garantieren, verblieb beim Staat (im Grunde auch richtig, die Gemeinden selbst würden das nie schultern können). Der jedoch setzt seine traditionelle "Bad Governance" im Gesundheits- und Ausbildungswesen unverändert fort. Den Gemeindebürgern, und zwar allen, den städtischen und ländlichen, hat die Dezentralisierung für ihre Gesundheit und Bildung also nichts gebracht. Besserung, auch mittelfristig, ist nicht in Sicht. Die Reform verpufft.

Fazit der vorstehenden Einzelbetrachtungen über die beninische Gebietsverwaltungsreform (Dezentralisierung - Dekonzentration) und ihren bisherigen Nutzen für die Bevölkerung :

Vorstehende Betrachtungen mögen den Eindruck einer allzu pessimistischen Bewertung der Zielerreichungschancen der Reform erwecken. Dieser Eindruck ist zu relativieren. Zwar könnten die aufgeführten - in der Mehrzahl negativen - Einzelbeispiele zu einem solchen Schluss verleiten ; das Gesamtbild aber des derzeitigen Umsetzungsstandes in den Reformbereichen : Dezentralisierung, Dekonzentration und Gemeindeaufbau, extrapoliert in die langfristige Zukunft, liefert durchaus Anhaltspunkte für Optimismus. Ein solcher Punkt betrifft, das mag erstaunen, das Phänomen der Korruption : Dezentralisierung der Territorialverwaltung, so eine der finsteren Prognosen, sei nichts anderes als Dezentralisierung der Korruption. Ganz richtig und zunächst : die Prognose trat wie erwartet, gewissermassen natürlicherweise, ein. Ständig wurden und werden Fälle korrupten Verhaltens, besonders auf Bürgermeisterebene, aufgedeckt, sanktioniert oder nicht (je nach politischer Couleur), oder im Dunkeln belassen. Doch das Ganze hat auch einen positiven
Folgeeffekt : Die Fälle werden der Bevölkerung bekannt, viel häufiger und detaillierter als dies in Korruptionsfällen auf Regierungs- und Zentralverwaltungsebene geschehen kann. Interessanter noch und ein Effekt der Tatsache, dass der kommunale Raum einen ungemein fruchtbaren kommunikativen Mikrokosmos bildet : jeder Gemeindebürger ist in der Lage (und er tut das auch, egal, ob Analphabet oder kundiger Leser eines Kommunalbudgets), eine direkte Verbindung herzustellen zwischen Art, Umfang und Modalität der veruntreuten Güter (Geld, Fahrzeuge, Gemeindegrundstücke, um die häufigsten Fälle zu nennen) und dem Schaden für ihn und seine Gemeinde, den solche Missverwaltung seiner Steuern und Beiträge verursacht. Leider folgt diesem Effekt - noch - nicht die "finale" Konsequenz, die allein wirksame Sanktion : die Nicht-Wiederwahl der indelikaten Mandatsträger bei der nächsten Kommunalwahl. Noch hat der Stimmbürger die Möglichkeiten dieses Mittels nicht verinnerlicht, noch versteht er sich, wie in der Vergangenheit, als machtloses Objekt einer unberührbaren "Besatzungsverwaltung".

Ermutigende Perspektiven, was die Erfolgschancen der Reform betrifft, sind durchaus erlaubt. Die erste Voraussetzung dafür ist erfüllt : eine pragmatisch konzipierte Reform, die mit den heute schon
vorhandenen personellen, finanziellen und organisatorischen (wenngleich noch stark verbesserungsbedürftigen) Mitteln ins Werk gesetzt wird und künftig werden kann. Vieles ist schon realisiert, besonders strukturelle und Organisationsmassnahmen. Doch nötig ist auch, bei allem Verständnis für Komplexität und Dauer von Veränderungen sowie die Zeit, die es braucht, bis theoretische Vorgaben zur Praxis werden, eine überschaubare zeitliche Perspektive. Hierzu ein Konkretisierungsvorschlag : das Ende der vierten Kommunalwahlperiode, 2018 ; das ergäbe dann eine Reformumsetzungsdauer von zwanzig Jahren (ab erster Wahl in 2003) ; unbeschadet natürlich der Tatsache, dass die Umsetzung einer Reform ganz allgemein eine permanente, nie endende Geschichte ist.

Weitere Fortschritte in der praktischen Anwendung der beninischen Territorialverwaltungsreform verlangen weitere konsequente Massnahmen. Diese sind zu treffen im unbedingten Respekt aller Bedingungen, welche die Reformgesetze für den Dezentralisierungsprozess sowie für Organisation und Funktionieren der Gemeinden festgelegt haben, zumindest soweit es diejenigen der oben bereits angesprochenen Grundelemente angeht, die als "Geschäftsgrundlage" der Reform gelten können :
-- gesetzliche und organisatorische Klärung der Situation des Gemeindepersonals
-- wirksame Umsetzung der Dekonzentrations-Regeln
-- konsequente, möglichst wenig politisierte Wahrnehmung der Kommunalaufsicht durch die
Präfekten
-- effektive Kompetenzübertragungen an die Gemeinden mit den zugehörigen Finanzzuweisungen
-- korrekte Führung der Gemeindekonten durch den "Trésor Public".

Sollte dies alles erfreulicherweise geschehen, sollte sich gar der politische Wille der Regierung verfestigen dahingehend, die vorstehend spezifizierte "Geschäftsgrundlage" der beninischen Reform nun tatsächlich zu schaffen, bleibt dennoch eine Ungewissheit. Es ist die Frage danach, ob und wieweit diese Reform "von einer technokratischen Dezentralisierung zu einem echten politischen Projekt" (Ousmane Sy) geworden oder dabei ist, es zu werden. Oder anders gefragt, und auf die beidseitigen (Kommunen und Staat) Akteure der Reform bezogen : Haben Bürgermeister und Gemeinderäte verinnerlicht, was die Verpflichtungen, aber auch die Möglichkeiten eines Kommunalpolitikers sind ? Haben die reformverantwortlichen Vertreter des Staates verstanden, dass ihre Rolle nicht mehr im Kommandieren nach unten besteht, sondern in der Kontrolle und begleitenden Assistenz der Gemeinden ? Oder ist es beim alten, immer noch verbreiteten Verständnis eines öffentlichen Amtes, das Mittelzugang und Einflussmöglichkeit bietet, geblieben, karikiert üblicherweise als "Politique du ventre" (Titel eines Buches von Jean-François Bayart : "L'Etat en Afrique - La politique du ventre", 1989) ? Für die meisten gewählten Gemeindevertreter sieht das Bild bisher wenig ermutigend aus, auch wenn die bekannt gewordenen und die zu vermutenden Fälle von Korruption und Misswirtschaft der Bürgermeister (s. oben) nicht pauschal für alle 77 Kommunen Benins zu verallgemeinern sind. Auch sind es nicht nur die strafrechtlich relevanten Verwaltungs-methoden von Bürgermeistern, die ihrer Autorität schaden, bzw. diese gar nicht erst entstehen lassen. Oft verwalten und "führen" sie in weitgehender Isolation von ihrer Bevölkerung und halten keinen Kontakt zum Terrain. Oft sind sie bei der eigenen Bevölkerung unbekannt. Ihr vorzugsweises Wirkungsgebiet sind Seminare, Konferenzen, Auslandsreisen, sachlich nicht gerechtfertigte Dienstreisen in die Hauptstadt, etc. Die Teilnahme daran generiert üppige Spesen, hält sie aber fast permanent von ihrer Gemeinde fern.

Die Ursachen für eine solche Amtsauffassung bleiben zu ergründen. Vielleicht liegen sie an einem "Mangel an früher Erziehung hin zu demokratischen Ideen und Denken fort von Clanbewusstsein, Nepotismus und traditionell organisierten Strukturen" (Artikel von Elke Zahrt : "Dezentralisierung in Mali - große Schilder in kleinen Gärten", 2011). Vielversprechender indes als solche Lektionen von ausserhalb scheint der Ansatz von Ousmane Sy zu sein : Der liegt im Rückbesinnen auf das historische Empire Mali des 13. Jahrhunderts und dort nachweisbare Vorläuferformen dezentralisierter Territorialverwaltung. Auf seinen Sensibilisationsreisen durch's Land (auf denen er auch nach einem Pendant in Landessprache zum Terminus "Dezentralisierung" suchte) stiess Ousmane Sy auf Dorfautoritäten, denen das Dezentralisierungsvorhaben des modernen Mali bekannt vorkam. Es sei nichts anderes als "die Rückkehr der Verwaltung nach Hause". Merkenswert und schön!

Es bliebe zu untersuchen, ob auch für Benin solche Hinweise auf Vorläuferformen der Dezentralisation und historische Vorgängerinstitutionen der heutigen selbstverwalteten Gemeinden zu finden sind. Wie auch immer, vielleicht könnte das genannte historisch-afrikanische Beispiel der Selbstverwaltung eines Dorfes und der Rolle von Dorfchef und Dorfrat dabei helfen, die heutigen Gemeinderäte zu einer an Entwicklung und Wohl ihrer Kommunen (und nicht nur dem eigenen) orientierten Politik zu motivieren.

Do. 1 Dez 2011 - 21:00

Gerhard Karpiniec, Laxenburg, Österreich
Beitrag

Was mich stört.

In einem doch qualifizierten Gremium wird natürlich Kritisiert, andererseits fehlt mir das Aufzeigen wo es funktioniert. Dabei denke ich nicht an das Aufzeigen der PR-Abteilung vieler NGO´s und Initiativen sondern das aufzeigen der Buchhaltungen in den Ländern wo real gearbeitet wird. Dem nicht Verschleierns von Aufwand und Ertrag bei den Projekten. Eine transparente Entwicklungszusammenarbeit. Meine Theorie dazu ist, nur über eine gesunde Wirtschaft kann soziales realisiert werden. Mein Vorschlag, bzw. meine Bitte, im Bereich des "Bonner Aufrufs” solch eine Datenbank zu realisieren.

Gerhard Karpiniec
g.karpi@aon.at Tel+fax 0043(O)2236/72 363

Mo. 12 Dez 2011 - 15:47

Alex Kofi Appiah, Essen
Beitrag

Das Ergbenis der Entwicklungspolitik in Afrika kann man überhaupt nicht übersehen - Bildung, Infrastruktur, Gesundheitswesen, etc - Mir fällt gerade ein Wort ein -> ERBÄRMLICH!

Di. 13 Dez 2011 - 16:37

Gerhard Karpiniec, Laxenburg´, Österreich
Beitrag

Gerne gebe ich Herrn Alex Kofi Applah mit dem verwendeten Wort ERBÄRMLICH recht.
Meine Frage an Ihn, was sind seine Vorschläge zur Verbesserung der jetzigen Situation. Was hat er bisher gemacht, mit wie viel eigenem Geld hat er versucht , auch im kleinsten Bereich die Situation zu verändern. Wie viel hat er oder auch zusammen mit Freunden versucht noch mehr zu verändern.
Das Forum wäre erfreut diese Infos wahr zu nehmen.
Da er, ein anonymer berechtigter Kritiker der derzeitigen EZA -Arbeit keine Kontaktdaten uns übermittelt, hoffe ich doch seine Meinung zu erfahren.

Gerhard Karpiniec
Wienerstr.6
A-2361 Laxenburg
Tel+Fax 0043 (0 )2236/72 363
E-Mail g.karpi@aon.at

Di. 13 Dez 2011 - 18:45

Kurt Gerhardt, Köln
Beitrag

Zum Beitrag von Hr. Karpiniec vom 1.12.2011
Lieber Herr Karpiniec,
vielen Dank für Ihre Anregung, aber solche Dinge übersteigen einfach unsere Möglichkeiten. Wir haben nicht das Personal, um so etwas machen zu können.
Mit der Bitte um Verständnis und besten Grüßen,
Kurt Gerhardt

Sa. 24 Dez 2011 - 13:17

Volker Seitz, Bonn
Beitrag

Ich lese immer wieder in den Medien, dass die "Millenium Entwicklungsziele " gefährdet seien. Die Ziele sind nicht nur gefährdet, sondern es ist absehbar, dass sie nicht erreicht erden können.
Die Milleniumsziele spielen nur noch eine zentrale Rolle bei der Mobilisierung der Öffentlichkeit für immer mehr finanzielle Mittel für die Entwicklungshilfe.

Wichtig wäre es offiziell zu sagen, dass bei der Verabschiedung der Milleniumsziele im September 2000 die Entwicklungsziele unzulänglich formuliert wurden und unzureichend sind.

Weder gute Amts-und Regierungspraxis noch die Achtung der Menschenrechte konnten als Ziele durchgesetzt werden .Wer wird denn kleinlich darüber streiten, dass Empfehlungen für den Aufbau von gerechteren Gesellschaftsformen -selbstverständlich aus übergeordneten politischen Motiven -ad acta gelegt wurden. Deshalb war für alle Experten absehbar, dass die Ziele bis 2015 weitgehend verfehlt werden. Jetzt gibt es folgerichtig bereits Vorschläge zur "Agenda beyond 2015” Das hängt auch mit der fast unumschränkten Machtfülle afrikanischer Staatschefs-und ein Verständnis vom Staat, das diesen als reine Einnahmequelle der herrschenden Volksgruppe begreift zusammen. Noch gilt in Afrika ein Regierungsposten als bessere Wohlstandsgarantie als eine gute Ausbildung in der Privatwirtschaft.

So. 8 Jan 2012 - 15:08

Rita Hirsch, Erkrath
Beitrag

Ist denn niemand mal auf die Idee gekommen, sich einen Staat herauszupicken, in dem nachhaltige Entwicklungspolitik vorzeigbar und öffentlich betrieben wird, der dann als Vorzeigestaat für andere Entwicklungsländer als Vorbild dienen könnte. Ganz Afrika sich da vorzunehmen, muss doch automatisch scheitern.

So. 8 Jan 2012 - 18:48

Volker Seitz, Bonn
Beitrag

Doch Frau Hirsch. Selbstverständlich gibt es gute Beispiele. Ruanda ist z.B. ein Vorzeigestaat. Ich habe dies in meinem Buch, Interviews und zahlreichen Artikeln hervorgehoben: Der Präsident von Ruanda, Paul Kagame hat eine Vorstellung von der Zukunft seines Landes und davon wie Wachstum und Jobs geschaffen werden. Er ist ein Praktiker und Macher. Seine Ideen und Fähigkeiten kommen vorwiegend durch Probieren und Abschauen in Asien zustande.Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen sind ausreichend kalkulierbar. Es gibt ein Funktionsfähiges öffentliches Finanzmanagement. Die Reformen werden dem Land nicht von außen auferlegt, sondern wurden von der ruandischen
Regierung und der Verwaltung selbst entwickelt. Die erheblichen Fortschritte in Ruanda werden nicht wegen sondern trotz der
Entwicklungshilfe gemacht. Ruanda ist keine Demokratie, wie sie uns gefällt, es gibt keine Zivilgesellschaft, keine Opposition. Das
wird gerechtfertigt mit der notwendigen Versöhnung des ethnisch immer nochgespaltenen Landes. Aber es ist ein Staat, der aufgrund von hoher
Eigenverantwortlichkeit, einer autonomen Steuerbehörde , einer fiskalischen Dezentralisierung, einem unabhängigen
Rechnungshof, mit stabilen Rechtsregeln für die Wirtschaft, der Förderung der Frauen wesentlich besser vorankommt als die meisten
anderen Staaten in Afrika. Vor allem arbeitet die Regierung nicht gegen die Interessen der Bevölkerung.Die Weltbank zeichnete Ruanda in ihrem jährlichen "Doing Business" Bericht zum zweiten Mal in Folge als weltweiten führenden Reformer aus. Statt 16 Tage wie im
Jahr 2008 benötigt ein Investor heute noch 3 Tage für die Eröffnung eines Betriebs. Die Betriebseröffnungen stiegen folglich von 700
pro Jahr auf über 3000.

Die Frauen sind in Ruanda besser ausgebildet und sie bekommen deshalb weniger und gesündere Kinder. Politik beginnt in Ruanda
mit dem Nachdenken darüber, ob und wie man Ziele erreichen kann. Im afrikanischen Maßstab ist es einmalig: es gibt Sicherheit in
allen Teilen Landes, die Schulpflicht und eine allgemeine Krankenversicherung wurden eingeführt. Ruanda ist das einzige Entwicklungsland , in dem es gelang, eine Gesundheitsversicherung flächendeckend einzuführen, in der 91 Prozent der Bevölkerung 2010 versichert waren. Es kam
zu einer Senkung der Malariasterblichkeit und die ärztliche Versorgung der Mütter und Säuglinge wurde erheblich verbessert.

Ruanda erhielt Ende September in New York den "Future Policy Award 2011” für die Schaffung einer gesunden Umwelt durch sein vorbildliches Waldschutzprogramm bei dem der Schutz des Waldes, massive Aufforstungsaktionen und staatliche Ausbildungsprogramme zur nationalen Priorität erklärt wurden. Der Zuwachs der Waldfläche in den letzten zwei Jahrzehnten ist in Ruanda um 37 % gestiegen.

Abzuwarten bleibt ob der Staatschef im Einklang mit der Verfassung im Jahre 2017 mit nur 60 Jahren abtreten wird.

Sa. 28 Jan 2012 - 22:10

Roland Becker, San José, Costa Rica
Beitrag

Es ist spannend wie viele Leute ueber Entwicklung, Kooperation, Bildung etc. debattieren, und die Bedeutung der Auslandsschulen und der Schueler der Ausslandsschulen immer wieder ausser Acht gelassen wird.

Ebenso in dem Zusammenhang - m.E. kontraproduktiv - wird nicht einmal nachgeprueft wie es mit Ausstattung und Beschulung tatsaechlich zugeht.

Aus dem Ausw Amt kommen "Sprueche" wie:

Eltern haben keinen Anspruch darauf, dass ihre Kinder an einer Auslandsschule aufgenommen werden.

oder

Ein Anspruch aufgrund des Grundgesetzes ist nicht gegeben, weil Auslandsschulen ausserhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes liegen.

Zu den Details dieser Quatsch-Behauptungen an anderer Stelle.
(Journal Auslandsschulen und im FaceBook).

Hier waere wichtig den Widerspruch unserer Regierung (?), Behoerden (?) zu bemerken, wenn einerseits Studenten und Fachkraefte aus aller Welt angeworden, andererseits aber die Kinder die entsprechend Ihrer Staatsbuergerschaft dazugehoeren sollten einfach draussen vor der Tuer gelassen werden.

Das ist - m.E. - nicht nur einer Frage von chaotischer Un-Zustaendigkeit - sondern vor allem auch eine Frage von persoenlichem Anstand die hier leichtfertig, buerokratisch und systematisch Akten ablegen ohne Kernfragen zu untersuchen, geschweige denn zu loesen.

In diesem Sinne haben das Ausw Amt und sogar das Bundespraesidialamt ihre Hausaufgaben leider nicht hinreichend erfuellt.

Und der Verweis aus der Chefetage des BMZ, die Zustaendigkeit laege beim Ausw. Amt ist da auch nichts weiter als buerokratische Un-Zustaendigkeit.

In einer globalen Welt sollten die Fuehrungsetagen in der Lage sein neue Loesungen zu schaffen statt sich auf alte Weise den Fragen der Buerger zu entledigen.

Wieviel mehr koennten private Initiativen in aller Welt erreichen, wenn unser Land wenigstens die Grundlagen des Generationenvertrages zuverlaessig erfuellen wurde ?

Darum:

Kostenlose Schulausbildung, wo immer eine geeignete Schule existiert sollte nicht Kuer sondern Pflicht aller Staatsdiener sein.

Ohne dass ist es sonst Wurscht, ob internationale Zusammenarbeit nun Entwicklungshilfe oder Kooperation heisst.

Entwicklung, das ist doch das, was Menschen machen, und dabei sollten alle die einen Beitrag leisten koennen, auch dazu eingeladen und gefoerdert werden.

Was meinen Sie ?

Sa. 4 Feb 2012 - 21:30

Dr. Birgit Lödige, Münster
Beitrag

Zum Beitrag : GSK's Andrew Witty on the future of pharma collaboration to help poor countries vom 31.1.2012
Es erscheint mir bemerkenswert, dass die Journalistin Sarah Boseley ihr Interview mit A. Witty ausdrücklich nicht kommentiert hat.
Ganz sicher ist es wert, diese Ankündigung der Pharmaindustrie im Hinterkopf zu behalten und weiter zu verfolgen. Die Vergangenheit hat mich gelehrt, "Wohltätigkeiten" der Pharmaindustrie mit grössten Vorbehalten und Misstrauen zu begegnen. Inzwischen überblicke ich 35 Jahre im Gesundheitswesen (Deutschland+Afrika), aber wirkliche Wohltätigkeiten sind mir nicht begegnet - wohl aber viele Skandale und Projekte, die Abhängigkeit schafften und immer wieder maximale Profitorientiertheit - oft rücksichtslos gegenüber den Patienten. Als eines der jüngsten Beispiele sei hier auf die Kampagne zur Schweinegrippe verwiesen, die sich als von Partikularinteressen und zweifelhafter Profitgier dominiert herausstellte mit verschwindend geringem Nutzen für die Patienten. Bei der Pharmaindustrie - einer der grössten Lobbygruppen nach Banken und Atomindustrie - vielleicht kein Wunder.
Es dürfte interessant bleiben, was man in 1-2 Jahren über dieses Projekt der Pharmaindustrie in der Presse zu lesen bekommen wird.

Mi. 28 Mär 2012 - 20:00

Elke Zarth, Ségou, Mali
Beitrag

Zum Putsch in Mali und dem Artikel in Le Monde, 26.03.2012

« LE MONDE

L'exemplaire démocratie sénégalaise

Vu de Bamako, Dakar doit faire rêver ! Alors que la capitale du Mali vit à l'heure du chaos et de la confusion, celle du Sénégal célébrait, dimanche 25 mars, à l'occasion du second tour d'une élection présidentielle, une démocratie solide et sereine. Ainsi va l'Afrique de l'Ouest - toujours dominée par l'exemplarité politique du Sénégal. … »

Nachdem wir uns nun einige Tage mit der Berichterstattung über den Putsch in Mali befassen konnten, gibt mir der Ausschnitt des obigen Artikels von Le Monde Anlass zu ein paar deutlichen Worten:

Inzwischen ist eine Woche vergangen und es kann keine Rede von Chaos und Konfusion sein. Wider alles (internationale) Erwarten ist das CNRDR bemüht, Normalität herzustellen und für die Sicherheit im Land zu sorgen. Man kann sich frei und sicher bewegen, es gibt keine Reiseeinschränkung und keine nennenswerten Versorgungsengpässe! Kundgebungen in der Hauptstadt - ob pro oder contra - sind ruhig verlaufen, die Menschen können sich über Radio und Fernsehen frei zur Sache äußern. Alle Institutionen haben ihre Arbeit wieder aufgenommen - das Land funktioniert.

Die bedrückenden Probleme im Norden sind nicht nur der Ausgangspunkt für den Putsch, sondern auch höchste Priorität des CNRDR. Schon lange hatte man (im Bunde mit den Anrainerstaaten) moniert, dass nicht entschieden gegen die marodierenden Gruppierungen im Norden vorgegangen wird und inzwischen wurde gar der Vorwurf laut, selbst ATT habe dort eigene Interessen zu schützen - was allerdings unzweifelhaft für seine Entourage an der ehemaligen Regierungsspitze gilt.

Kuriose Rückzugsstrategien der malischen Armee haben in der Vergangenheit nicht zur Stärkung der malischen Souveränität geführt, sondern eher zu ihrer Aufweichung. Die fehlenden Mittel sind nun in Munitionslagern auf dem Weg in den Norden gefunden worden, nachdem die malische Regierung sich schon lange nicht mehr zu schade war, die Bevölkerung zu Spenden für die Unterhaltung der Armee aufzurufen - trotz enormer Hilfen aus dem Ausland.

Dass ein Putsch kein demokratisches Mittel für politische Veränderung ist, muss nicht betont werden. Das innewohnende Risiko ist sehr hoch. Das Verlesen einer neuen Verfassung ist ein schwerwiegender Schritt, der auf sehr unsicherem Terrain gemacht wird. Die Verantwortung wiegt sehr schwer (vergessen wir aber nicht, dass ATT selbst seinerzeit die Vorlage für diesen Weg geliefert hat) und das Manövrieren birgt Gefahren.

Dennoch sollte man dem Vermögen vor allem der malischen Bevölkerung, in Zeiten von Krise und Bedrohung, derart Ruhe zu wahren und sich auf die Organisation des normalen Alltags zu konzentrieren anstatt sich wie noch kürzlich Elfenbeinküste in bürgerkriegsähnliche Unruhen zu verlieren, Anerkennung zollen. Es ist ein enormer Ausdruck von demokratischem Verständnis. Die Mehrzahl der Malier steht entschieden hinter dem CNRDR, weil sie nach zu vielen Versprechungen (und dem daraus resultierenden unausweichlichen Vertrauensbruch) endlich Handeln sehen will und sie scheint entschlossen, ihren Beitrag dazu zu leisten.

Dass die internationale Journaille dem kaum Beachtung schenkt, ist bedauerlich. Sie füttert die Empfänger mit den üblichen Putsch-Bildern, sucht nach Toten und Verletzten. Seit es in der Art nichts mehr zu vermelden gibt, ist die Berichterstattung nahezu verebbt. Man ist enttäuscht - der Klassenbeste im Fach Demokratie ist abgetreten. Die internationale Diplomatie reagiert mit Zurechtweisungen, Drohungen (man werde die Hilfen einstellen - eine nicht eben konstruktive Leistung!!) und Ablehnung. Man packt die Koffer, weil die schöne, aber leider sehr dünne "Tischlein-deck-dich-Demokratie" in ein unangenehm unruhiges Puzzle zerfallen ist, das keiner zu reparieren weiß. Dabei hat man nicht schlecht mit an den Teilen herumgeschnipselt, damit das Bild passte. Wie viele Hilfsgelder sind in all den Jahren unkommentiert abgeschrieben worden, wie viele Schönschreibberichte haben die Fassade mitgehalten? Wie wenig wurde die Umsetzung der demokratischen Dezentralisierungsreformen kontrolliert?

Wo sind nun die internationalen Berater? Wo ist die Unterstützung für die Vorbereitung demokratischer Wahlen? Jetzt wäre der Moment, zu zeigen, dass man ein Land - und damit ist seine Bevölkerung gemeint und nicht seine Regierung - auch in seiner Krise nicht allein lässt. Dass es in der Präsenz tausender internationaler Kooperatoren auch eine inhaltliche Konsequenz gibt.
Ich wünsche dem malischen Volk von Herzen weiterhin viel Durchhaltevermögen für einen positiven Ausgang aus dieser Krise und dass ihm in diesen Zeiten die Unterstützung zuteil wird, die es verdient.

So. 6 Mai 2012 - 17:46

Gilbert Kana, Reutlingen
Beitrag

"Exige beaucoup de toi-même et attends peu des autres.
Ainsi beaucoup d'ennuis te seront épargnés."
Confucius.

So. 13 Mai 2012 - 15:50

Alexandre Armando Dunduro, Beira, Mosambik
Beitrag

Schön, dass es Menschen gibt, die sich auf diese Art um Afrika kümmern.
Ich glaube, dass es viele gute individuelle Projekte gibt, die nur als Ein-Mann- Projekt funktionieren können. Doch solche Projekte haben keine Chance, weil sie nicht ein Mal gesehen werden. Nur große Projekte werden betrachtet.
Natürlich bin ich ganz Ihrer Meinung. Es gibt viele Länder und Regierungen, die sehr schlecht mit dem Geld umgehen, das für Entwicklungsarbeiten gespendet wird. Und es gibt viele Afrikaner, die nicht mit solchen Machenschaften einverstanden sind.
Das Geld sollte genutzt werden, damit Afrika politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit erlangen kann.

Mo. 14 Mai 2012 - 00:59

Awah Callistus Akuma, Gelsenkirchen
Beitrag

The President
Peasant Economists Association e.V (PEECAS)
www.peasanteconomists.org
Tel:(Germany):0049-2842-1239005
Tel:(Cameroon):00237-74363962

TRADE NOT AID!

EMPOWERMENTOF CIVIL SOCIETY, NOT CORRUPT COVERNMENTS!

So. 20 Mai 2012 - 15:04

Kurt Gerhardt, Köln
Beitrag

Die Meldung in "Neues" (20.5.2012) vom Mannheimer Katholikentag hätte ohne das Wirken des "Bonner Aufrufs" wahrscheinlich anders gelautet. Es fällt auf, dass bis in Formulierungen hinein die dort geäußerten Meinungen dem sehr ähnlich sind, was in den letzten Jahren vom Bonner Aufruf verbreitet worden ist.
Unsere Bemühungen waren offenbar nicht vergebens.

Mo. 16 Jul 2012 - 17:40

Volker Seitz, Bonn
Beitrag

Warum gibt es Armut und Hunger in Afrika?

Ständig wird Afrika von interessierter Seite als arm und hilfsbedürftig vorgeführt. Kein Wort davon, dass die Rettung vor der eigenen Haustür liegt. Stichworte: Bekämpfung der Bestechlichkeit, Steuerehrlichkeit, rechtsstaatliche Verhältnisse und funktionierende Gewaltenteilung. Es ist erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit die Machteliten und ihre nützlichen Helfer auch bei uns die Schuld an dem Dilemma, in dem viele Staaten Afrikas stecken, ausblenden, wegschieben, verklären oder umdeuten. Es wird ihnen aber auch durch die" stete Fürsorge"unserer Entwicklungshilfeindustrie und deren starken Lobby, die befürchtet Marktanteile zu verlieren, zu leicht gemacht. Korrupte einheimische Politikerkasten bereichern sich am Vermögen der angeblich ärmsten Länder. Das große Problem in vielen Ländern Afrikas ist, dass der Staat nicht funktioniert, sondern auf Korruption aufgebaut ist. Die Wähler haben darum kein Vertrauen zu ihren Politikern, und das mit gutem Grund. Notwendig wäre ein Neustart mit einer Generation jenseits des alten Beziehungsgeflechts und der alten Mentalität.
"Korruption hat immer katastrophale soziale Folgen: An die Stelle von fairer Verteilung und demokratischer Verfahren setzt sie Intransparenz, Stärkung der Starken und Schwächung der Schwachen" sagt Peter Eigen, der Gründer von Transparency International. Das Problem ist auch, dass in mangelhaften Rechtssystemen Sanktionsmöglichkeiten nicht umgesetzt werden.

5 Beispiele:
Die Firma SAWA hatte 2009 begonnen in Kamerun Sportschuhe mit dem Label "Made in Africa" herzustellen. Das Projekt lief sehr gut. Die Schuhe wurden in Paris, London, Berlin, den USA und Japan verkauft. Aber bereits 2011 war das Geschäft nicht mehr rentabel weil die Schikanen der Hafenbehörden in Duala zunahmen und die Steuern "sehr variabel" wurden. Hunderte Arbeitsplätze gingen verloren weil die Firma inzwischen nach Äthiopien umgezogen ist.(vgl. NEUES vom 2.5.12)

Nach einem Ende November 2011 im britischen Parlament vorgelegten Bericht hat der Kongo bislang rund 5,5 Milliarden Dollar an Einnahmen verloren, weil die Führungsclique des Landes gegen Schmiergeld die wertvollen Bergbau-konzessionen verschleudert hat. Das zeigt den Zynismus mancher Politiker, die um des eigenen Vorteils willen nicht davor zurückschrecken, das ihnen anvertraute Land auszuverkaufen.

Nigeria:Am 23. April 2012 hat das nigerianische Parlament einen Bericht veröffentlicht nachdem zwischen 2009 und 2010 5,1 Milliarden Euro mit Benzin-Subventionsbetrug von hochrangigen Mitgliedern der Regierungspartei PDP veruntreut wurden. Der "Doing Business Report" der Weltbank platziert die meisten Staaten Afrikas auf den letzten Plätzen 100 bis 180. Ausnahme die üblichen Verdächtigen wie Südafrika, Botswana und Ruanda.

Im Mai 2012 wurde bekannt, dass 6 Minister(darunter die Minister für Finanzen, Gesundheit,Energie, Handel und Tourismus) Gelder veruntreut haben. Tansania erhält u.a. aus Deutschland weiter Entwicklungshilfe. Und dies obwohl 2011 einige Länder, die ihre Steuerzahler ernst nehmen, ihre Zahlungen gekürzt hatten, weil die tansanische Regierung die Korruption nicht eindämmen konnte oder wollte. Tansania belegt auf dem internationalen Korruptionsindex von Transparency International Platz 100 von 182 Ländern.

Südsudan:Nach einem Bericht der "Sudan Times" vom Juni 2012 wurden um 4 Milliarden Dollar, die von 75 namentlich nicht genannten Staatsangestellten, oder ihnen nahestehenden Personen gestohlen wurden. Erst jüngst hatte ein Bericht von einer Milliarde Euro Öleinnahmen gesprochen, die alleine 2005 bis 2006 der damaligen südsudanesischen Autonomiebehörde veruntreut wurden. Ein Jahr nach der Unabhängigkeit Südsudans leiden viele der 8 Millionen Einwohner unter Armut und Hunger - dabei ist der 619.745 km² große afrikanische Staat reich an Erdöl.

Di. 6 Nov 2012 - 17:51

Kurt Gerhardt, Köln
Beitrag

On Nov. 13th "Friends of Europe" will hold their Summit on Africa
"Ascending Africa: Opportunities and challenges” in Brussels.

In the invitation to the conference it says:

"Africa is in the global spotlight: with its booming economies, soaring commodity exports and new investment opportunities, Africa is attracting the attention of business leaders from across the world."

I wrote this letter to the organizers:

Dear Friends of Europe,

I am appalled by your 'hallelujah' on African 'booming economies' and 'soaring commodity exports'.
Don't you know that the main beneficiaries of these blessings are corrupt upper classes and warmongers? And that the ordinary African people benefit the least from these huge revenues? Your statement is a slap in the face for millions of poor Africans.

Kurt Gerhardt
Co-Initiator of the Bonn Appeal www.bonner-aufruf.eu
Friend of Africa

CC:
Andris Piebalgs, EU Commissioner for Development
Eva Joly MEP, Chair of the European Parliament's Committee on Development
Nicholas Westcott, Managing Director for Africa at the European External Action Service (EEAS)
Mario Pezzini, Director of the OECD Development Centre
Victor Murinde, Director of the African Development Institute at the African Development Bank (AfDB)
Reiner Klingholz, Director of the Berlin Institute for World Population and Global Development

(speakers at the Summit on Africa)

Sa. 24 Nov 2012 - 20:48

Jacques Abel Onya, Bonn
Beitrag

Die 10 Vorschläge finde ich sehr zutreffend. Ich hoffe, dass Bonner Aufruf mit deutschen und internatioanalen Geldgebern zusammenarbeitet, damit die 10 Vorschläge praktisch umgesetzt werden.

Fr. 7 Dez 2012 - 02:42

Dr. Adjoa Frimpong-Boateng, Tübingen
Beitrag

Lieber Herr Gerhardt, Sehr geehrter Herr Seitz, sehr geehrter Herr Karpiniec,

vielen Dank für Ihre Anteilnahme an den Sorgen unseres Kontinentes. Ich vergleiche unseren Kontinent häufig mit einem Waisenkind. Keine Eltern (der Staatsapparat, die Politiker, die uns im Stich lassen), keine Verwandten (die Familie, die Bürger, die auf andere warten die Veränderungen herbeizuführen), keine Freunde (Entwicklungshilfe die zum größten Teil zu einer Industrie geworden ist).

Herr Seitz, sie haben in Ihrem letzten Beitrag (16.07.12) wieder alles auf den Punkt gebracht. Sie haben Recht, wenn Sie schreiben, dass die Rettung vor der eigenen Haustür liegt. Momentan denke ich, dass nur die Eigeninitiative kombiniert mit viel Herzblut und der Bereitschaft Opfer (Zeit, Know-how, Bereitschaft vor Ort mitzuwirken) zu bringen, uns retten kann. Ich bin der Meinung, dass wir Afrikaner uns auf unsere Stärken konzentrieren sollten, um unsere Probleme zu lösen. Dabei denke ich an Gruppen, die sich eines Problems annehmen, Lösungsstrategien entwickeln und diese auch umsetzten. Es sollte auch dabei keine Scheu aufkommen Vorort mitzuwirken und persönlich mit anzupacken.

Herr Karpiniec, zu Ihrem Beitrag vom 01.12.2011: Eine Datenbank, die eine Übersicht für alle geförderten Projekten von allen Geberländern und NGOs ermöglicht, stellt meines Erachtens eine hervorragende Idee dar. Ich befürchte jedoch, dass wie auch bei vielen anderen Projekten die Daten "verschönert" werden. Bis dato hat jedoch die wiederholte Diskussion dieses Themas und dessen Veröffentlichung keine wirkliche Konsequenz nach sich gezogen. Zu ihrem Beitrag vom 13.12.2011 habe ich folgendes anzumerken: Ich kenne Herrn Alex Appiah persönlich soweit, dass ich sagen kann, das er hoch motiviert ist und mit der wenigen Zeit, die ihm zu Verfügung steht , sich als Mitglied im Ghana Council NRW e.V. engagiert und die Vereine Schwarz-Weiß Paderborn e.V. und African Group of Evolving Minds (AGEMs ) mitbegründet hat.
Weiter würde ich Sie bitten, auch einen Blick auf die folgende Webseite http://www.cleanafrica.org. zu werfen.

Ich selber arbeite ehrenamtlich in meiner Urlaubszeit in meiner Heimat Ghana als Augenärztin. Ich denke jedoch, dass ich mehr tun könnte und arbeite daran, mehr Zeit in meine Heimat verbringen zu können.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Adjoa Frimpong-Boateng

Sa. 8 Dez 2012 - 13:14

Dr. Adjoa Frimpong-Boateng, Tübingen ,
Beitrag

Es wäre wünschenswert die Vergabe der Entwicklungsgelder an vorausgegangene sicht- und messbare sowie nachhaltige Erfolge zu knüpfen. Ein Großteil der Steuergelder verschwindet derzeit in Taschen von korrupten Machthabern und Institutionen oder wird für sinnlose Zwecke ausgegeben. Erst sollte die Leistung erbracht und aufgezeigt werden, dann sollte erst weiteres Geld bewilligt werden, sonst müssen die Gelder ganz konsequent gestrichen werden.

Geberländer und Empfängerländer sollen an ganzheitlichen Projekten arbeiten.
Oft wird in einem Dorf ein Brunnen gebaut, in einem anderem eine Solaranlage und
in einem weiteren Dorf eine Schule. Es wäre aus meiner Sicht besser, wenn ein Dorf oder eine
Gemeinde sich selbst versorgen könnte und auch so weit produktiv wäre, dass ein regelmäßiges Einkommen zum Selbsterhalt zustandekommt. Weiter sollten nachhaltige Konzepte gefördert werden. Es macht z.B. keinen Sinn, ein Krankenhaus zu bauen, wenn Ärzte, Schwestern und Techniker fehlen. Eine Produktionssteigerung im Bereich der Agrikultur wäre auch ohne ein entsprechendes Verkehrsnetz oder eine Gewährleistung vom Abnehmer der Produkte oder eine fehlende Konservierung der Erzeugnisse nicht sinnvoll.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf den Beitrag von Herrn George Ayittey vom 23.04.2009 hinweisen. Er schrieb u. a "Furthermore, aid has become an industry, replete with its own lobbyists, consultants, etc. who will fight to maintain the status quo.".

Wir müssen daher, wie bereits erwähnt, so viel wie möglich in unsere eigenen Hände nehmen.

Vorschläge:
1. Afrikaner, sowohl in kleinen Gruppen als auch in größeren Institutionen, müssen sich vereinen, um zusammen nachzudenken und Lösungsstrategien zu entwickeln (geschieht bereits!).
Diejenigen Afrikaner, die im Ausland leben, müssen bereit sein, auch vor Ort an den Problemen mitzuwirken. Ich würde z.B. von einem afrikanischen Architekten ein Konzept für den Hausbau mit den uns zu Verfügung stehenden Materialien und technischen Möglichkeiten erwarten. Von einem Wirtschaftswissenschaftler würde ich genau wissen wollen, was wir tun müssen, um z.B. unsere Schokolade - als Beispiel eines Rohstoffes - mit Gewinn ausführen zu können oder die Möglichkeiten eines inter-afrikanischen Handels aufzubauen.

2. Kooperation mit Personen aus Afrika, die von sich aus ihr eigenes Schicksal in die Hand nehmen wollen. Hilfe aufzudrängen jedoch wird mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg bringen. Das bedeutet wiederum, dass wir Maßnahmen ergreifen müssen, um diese Personen, die Hilfe suchen und auch "ehrlich" motiviert sind, zu identifizieren.

3. Angebot einer umfassenden handwerklichen Ausbildung mit dem Ziel, die Produkte und Leistungen auch vermarkten zu können. Alle Aspekte der handwerklichen Disziplin sollten von A bis Z vermittelt werden. Ein bisschen Brot zu backen oder ein bisschen Kleidung zu nähen gelehrt zu bekommen bietet keine erfolgversprechende Möglichkeit, mit Nachhaltigkeit etwas aufzubauen.

4. Schüler und Studenten sollten in Lösungsstrategien miteingebunden werden. Wir müssen lernen, unsere eigenen Probleme zu lösen. Das bedeutet auch, entsprechende Forschungsprojekte in die Wege zu leiten. Ich würde mir z.B. eine afrikanische Version von "Jugend forscht" wünschen.

5. Aufbau einer mobilen Messe, die von Ort zu Ort ziehen könnte mit dem Ziel, Wissen zu vermitteln, um einfache und nützliche Geräte nachbauen oder um zentrale Schlüsseltechniken bekannt zu machen, z.B. Solartrockner, einfache Aquakultur oder einfache Aquaponic-Anlagen.

6. Das Motto sollte sein: Kleine aber schmackhafte Brötchen backen; einfache und schöne Häuser aus Lehm; einfache aber gute Toiletten. Das Design sollte trotzdem ansprechend sein, so dass jeder gerne drin wohnen würde.

7. Die Kirchen müssen mehr eingebunden werden, da sie in vielen afrikanischen Ländern eine zentrale Rolle spielen und oft zuverlässiger sind als die staatlichen Institutionen.

8. Unsere Journalisten sollten mehr über die Missstände berichten. Leider kann das Berichten in vielen afrikanischen Ländern lebensbedrohlich sein. Deswegen sollten die Rahmenbedingungen für die Pressefreiheit und -sicherheit gefördert werden.

Ideen gibt es jede Menge, nur müssen sie auch erfolgreich umgesetzt werden, und es müssen eigene afrikanische Erfahrungen gesammelt werden. Ein Patentrezept für alle afrikanischen Länder gibt es jedoch vermutlich nicht.

Mo. 27 Mai 2013 - 23:46

Carl Maria Schulte, Frankfurt am Main
Projektentwickler, Leiter Eine Welt Laden etc.
Beitrag

Entwicklungsländer gibt's ja bekanntlich im SÜDEN u n d im NORDEN!
Sustainable Living, ökologische Lebensweisen können modellhaft in Ökosiedlungen realisiert werden, die Wohnen, Arbeiten und Freizeit integrieren.
Richtung ECOTOPIA gehen z.B. Auroville (Indien), Findhorn (Schottland), Crystal Waters (Australien), Sirius-Community, The Farm, gesundheitinstitut.org etc. (USA), Mini-Masdar: denkallmend.ch, Tempelhof-Gemeinschaft, Ökodorf 7 Linden etc. (Deutschland). Siehe auch: gaia.org, eurotopia.de ...

Ein Ökosiedlungsprogramm könnte nicht nur in Europa eine Chance für Jugendliche sein, ihre Arbeitslosigkeit als Chance für den Aufbau besserer Zukünfte zu nutzen. Neue Wohn- und Arbeitsweisen sind für alle Menschen attraktiv, die für das eigene gute Leben stehen und zugleich dem Gemeinwohl dienen.

Infos etc.: an_stiftung@yahoo.de, Stichwort: Ökotopia

herzlich! Namaste! Salam! Shalom! Aloha! ...

Do. 8 Aug 2013 - 08:32

Dr. Johannes Michael Nebe, Trier
durch Lehre und Forschung seit 1997, vor allem Ostafrika
Beitrag

Dieses nun eingerichtete EZ-Forum ist notwendig. Es bietet die Möglichkeit, den kritisch-konstruktiven Gedankenaustausch für eine dringend zu erneuernde Entwicklungspolitik zu fördern. Diese Erfahrung habe ich in zahlreichen Projekten, die ich mit Studierenden der Universität Trier und der Kenyatta University Nairobi zu verschiedenen umwelt- und entwicklungspolitischen Themen vor allem in den Slums von Nairobi seit 2001 regelmäßig durchführen konnte, gesammelt. Die "westliche Entwicklungspolitik und EZ kommt in aller Regel "unten" bei der Bevölkerung nicht an. Besondere Einsichten konnten insbesondere bei der Durchführung des Projektes "Peace Building and Conflict Management in Kenya" (2012) gewonnen werden.

Das im September/Oktober 2013 geplante Projekt "Youth-Led Development in Kenya - Challenges and Opportunities" greift eine für die zukünftige Entwicklung Kenias äußerst brisante Fragestellung auf. Hier wächst eine junge arbeitshungrige junge Bevölkerung weitgehend ohne berufliche Perspektiven heran, die sich politisch und wirtschaftlich vernachlässigt fühlt und eines Tages gewaltsam ihre Rechte auf ein menschenwürdiges Leben einfordern dürfte. Rasantes Bevölkerungswachstum, unzureichende Infrastruktur- und Arbeitsmarktpolitik, mangelnde Verbreitung motivierender Arbeitsmarkt-Informationen sowie weithin fehlende Berufsqualifikationen sind nur einige Faktoren, die die Situation immer mehr verschärfen.

Trotz dieser vielen negativen Vorzeichen ist es erstaunlich, mit welcher Kreativität und welchem Durchsetzungswillen Jugendliche in Kenia eigene Geschäftsideen entwickeln. Genau hier möchte unser Projekt ansetzen. In sieben Bereichen "Renewable Energies", "Technology Innovations", "Arts and Sports", "Environment and Slum-Upgrading", "Peace Building and Governance", "Urban Agriculture" und "Media and Education" wollen wir zeigen, dass Initiativen "von unten" erfolgversprechende Einkommen generieren können, die wiederum zur Verbesserung der Lebenssituation junger Menschen und deren Familien beitragen. Politik und Wirtschaft in Kenia wären gut beraten, dieses kreative Potential zu unterstützen, um drohende politische, ökonomische und soziale Verwerfungen zu vermeiden. Letztlich kann das Projekt auch zu einer Neubesinnung unserer "westlichen Entwicklungspolitik und EZ" führen, sich stärker den Zielsetzungen einer nachhaltigen Jugendpolitik zuzuwenden.

Dieses Projekt wird in enger Kooperation mit UN-Habitat in Nairobi durchgeführt werden, um damit auch Erfahrungen aus anderen Entwicklungsländern einbeziehen zu können.

Mir ist es wichtig, dass sich die Bachelor und Master-Ausbildung an unseren deutschen Hochschulen auch Fragen einer kritischen Entwicklungspolitik und EZ zuwendet. Ein Austausch unter den Kollegen und Kolleginnen, die sich hier insbesondere engagieren, ist notwendig und sehr wünschenswert. Nur so können wir gewinnbringend von einander lernen.

Sa. 17 Aug 2013 - 11:49

Mebada Nkodo Bertrand Tatien, Jaunde, Kamerun
Ich bin ein Kameruner
Beitrag

Ich bin der Meinung, dass die Entwicklungshilfe der Entwicklungshelfer sehr günstig ist aber nicht den Afrikanern.

Fr. 23 Aug 2013 - 10:45

Bert Meyer, Friedberg
Ich habe 12 Jahre als Schreiner in Kamerun gearbeitet, 96-08
Beitrag

Ich beziehe mich hier auf einen Artikel von Herrn Volker Seitz "Bequem, aber wirkungslos" und den darin enthaltenen Absatz "Regieren in Afrika heißt improvisieren und Durchwursteln" aus der Süddeutschen Zeitung vom 23. Juli 2013 (zu lesen in "Neues")

Es gibt heute sicherlich einige afrikanische Regierungen, die wirtschaftlich schwach sind, nicht organisieren können und auch improvisieren. Gar keine Frage. Darüber hinaus gibt es aber auch afrikanische Länder, deren Wirtschaft offenbar richtig gut läuft und vielversprechend wächst. In der Wirtschaftsmetropole Douala zum Beispiel wird gerade ein neues Zementwerk gebaut.

Nachdem was ich in den vergangenen Tagen so gehört habe ist anzunehmen, dass es in Kamerun ein durch und durch effizientes Steuersystem gibt. Also nichts mit Improvisieren und Durchwursteln. Die Mitarbeiter in den landesweiten Finanzämtern wissen ganz genau wie viel Geld sie dem Finanzministerium in Yaoundé am Ende des Jahres abliefern müssen. Die zu zahlende Summe steht wahrscheinlich schon zu Beginn eines jeden Wirtschaftsjahres fest. Das ist keine Magie, und es wird auch nichts mit schwieriger Mathematik ausgerechnet. Gezahlt wird ein Großteil der jährlichen Steuern in der Regel vom Unternehmer, oder Kleinstunternehmer in Kamerun. Der Steuerzahler zahlt aber nicht nur an den Vater Staat, sondern er zahlt obendrein auch in die privaten Taschen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Finanzämter. Es nützt einem Unternehmer also nichts "ehrlich" seine Steuern zu zahlen. Die Gesamtsumme steht bereits fest, die er zu zahlen hat. Wer seine Steuern dennoch ehrlich ausrechnen und zahlen will, der muss am Ende damit rechnen ein Großteil seines Vermögens abgenommen zu bekommen. Die Ehrlichkeit des Einzelnen würde dann sogar das ganze "Steuersystem" durcheinanderbringen und am Ende müsste der ehrliche Unternehmer Insolvenz anmelden. Deshalb wird in der Regel ein Handel zwischen dem Steuerzahler und dem Finanzamt-Chef ausgemacht von dem dann jeder profitiert. Der Staat, die privaten Taschen und der Unternehmer.

Das ist aber nur die eine Seite. Auf der anderen Seite gibt es viele Familien in Kamerun, die jeden Tag ums "Überleben" kämpfen. Ein "Glückspilz" ist sicherlich derjenige, der in einem der vielen Kameruner Behörden arbeitet. Aber leider hat auch dieser "Glückliche" nicht viel von seinem Glück bzw. Geld. Das nach Hause gebrachte Geld wird dann gleich an die bedürftige Großfamilie weitergegeben. Die Großfamilie wird dann in manchen Fällen sogar zum echten Albtraum. Wer sein Geld dennoch retten will, der baut sich ein Haus, oder investiert in sein Eigenheim oder in die studierenden Kinder (im Ausland).

Soweit ein paar Gedanken die mir dazu gekommen sind.

Neuen Kommentar hinzufügen