Beitrag vom 28.07.2025
DW
Sahel: Schmuggel-Hotspot in Europas Nachbarschaft
Jan-Philipp Scholz
Die afrikanische Sahelzone ist bekannt für ihre vielen Krisenherde. Nun floriert auch der Drogen- und Menschenhandel in der Region wie nie zuvor. Russlands wachsender Einfluss vor Ort ist daran nicht unbeteiligt.
Es herrscht großer Betrieb am Busbahnhof von Agadez. Die nigrische Wüstenstadt ist eins der wichtigsten Drehkreuze der Region. Hier, am nördlichen Rand der Sahelzone, laufen seit Jahrhunderten Handelsrouten zwischen Westafrika und dem Maghreb zusammen. Und schon immer waren hier die Grenzen zwischen legalen Handelsgütern und Schmuggelware fließend. Vor allem die Schleusung von Menschen aus Subsahara-Afrika, die sich ohne Papiere nach Europa aufmachen, gilt – zumindest inoffiziell – als die Haupteinnahmequelle der Stadt.
Auch Bamadou wollte sich mit Hilfe von Schleusern nach Europa durchschlagen. Der junge Mann aus Guinea gab aber nach kurzer Zeit auf. Jetzt ist er in Agadez gestrandet und warnt andere Migranten vor den immer brutaleren kriminellen Banden in der Wüste: "Manchmal kommen sie mit Baseballschlägern und schlagen einfach zu. In einem Migranten-Konvoy im März sind sogar mehrere Menschen gestorben. Drei Senegalesen, zwei Südamerikaner und zehn Landsleute aus Guinea."
Neue Politik führt zu Schmuggel-Boom
Wenn es nach dem Willen der Europäischen Union ginge, wäre die brutale Schleuser-industrie im Sahel längst Vergangenheit. Und zeitweise sah es tatsächlich so aus, als könnten sich die Europäer durchsetzen. 2015 verabschiedete die nigrische Regierung auf Druck der EU ein weitreichendes Anti-Schmuggel-Gesetz, schickte schwer bewaffnete Patrouillen in die Wüste und nahm innerhalb weniger Monate Hunderte Schleuser fest.
Doch 2023 wurde das Gesetz nach einem Militärcoup von den neuen Machthabern in Niamey abgeschafft. "Das hat die neue Militärführung nur einen Tag, nachdem sie ein neues Militärabkommen mit Russland abgeschossen hatte, durchgezogen", erklärt Ulf Laessing. Der Leiter des Regionalprogramms der Konrad-Adenauer-Stiftung im benachbarten Mali sieht hier einen offensichtlichen Einfluss Moskaus im Hintergrund. Die Auswirkungen der neuen nigrischen Politik ließen nicht lange aus sich warten: Schon wenige Wochen nach der Abschaffung des Gesetzes lief das Schmuggelbusiness in Agadez laut Bürgermeister wieder auf Hochtouren – und die Tendenz ist weiter steigend.
Partner in Moskau statt Brüssel
Auch in Nigers Nachbarstaaten zeigt sich ein ähnliches Bild: In Burkina Faso und Mali putschten sich in den vergangenen Jahren ebenfalls neue Regierungen an die Macht – und auch hier sehen die neuen Machthaber ihre Verbündeten eher in Moskau als in Brüssel.
Fast zeitgleich begann in den Ländern eine rasante Expansion der regionalen Schmuggelindustrie, insbesondere im Drogenbereich.
Am eindrücklichsten zeigt sich die neue Drogenflut im Sahel am Beispiel Kokain: Während zwischen 2015 und 2020 nur rund 13 Kilo der Drogepro Jahr von Behörden in Burkina Faso, Maliund dem Nigerbeschlagnahmt wurden, schoss die Zahl innerhalb weniger Jahre in ungeahnte Höhen. 2022 waren es bereits rund 1,5 Tonnen - ein Anstieg um mehr als 11.000 Prozent, so geht es aus Berichten des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung hervor. Auch danach ging der Höhenflug weiter. Neuste Daten von 2024 zeigen, dass während einer einzigen Kontrolle an der Grenze zwischen dem Senegalund Mali mehr als eine Tonne Kokain beschlagnahmt wurde.
Kokainschwemme in der Wüste
"Ein absoluter Rekord", warnt Amado Philip de Andrés vom UNODC im senegalischen Dakar. Laut de Andrés ist der Sahel aufgrund seiner geografischen Lage schon seit langem von Interesse für Drogenschmuggler. Die Staaten liegen genau zwischen den Herstellern in Lateinamerika und den Konsumierenden in Europa, die immer mehr von dem weißen Pulver verlangen. Auch die politische Instabilität in der Region wurde schon früher von kriminellen Netzwerken ausgenutzt. Doch seit kurzem haben die Schmuggelaktivitäten laut UN-Experte de Andrés auch qualitativ eine völlig neue Dimension erreicht. Bereits bei der Anlieferung der Droge entlang Westafrikas Atlantikküste habe sich viel verändert. "Wir sehen immer ausgefeiltere Technologien. Es gibt Unterwasser-Fahrzeuge, die eine halbe Tonne Drogen an Bord haben."