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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 03.07.2025

NZZ

Wenn nicht nur Trump spart: So machen sich die Kürzungen bei der Entwicklungshilfe bemerkbar

Auch Länder wie Deutschland und die Schweiz fahren ihre Hilfe zurück. Die Uno schlägt Alarm – denn aktuelle Zahlen zeigen, wie abhängig sie von wenigen Gebern ist.

Julia Monn

In der flirrenden Hitze Sevillas sind über 15 000 Teilnehmende und mehr als 60 Staats- und Regierungschefs zusammengekommen, um bei der Uno-Konferenz über die Finanzierung der globalen Entwicklungshilfe bis 2030 zu verhandeln. Laut der Uno ist diese akut gefährdet: 4 Billionen Dollar fehlen jährlich, um die 2015 vereinbarten Ziele zu erreichen. Diese Lücke soll geschlossen werden, damit in fünf Jahren etwa keine extreme Armut mehr herrscht, Hunger ausgerottet ist und alle Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Schon damals waren diese Ziele ambitioniert und die errechnete Geldsumme illusorisch – und das war vor Donald Trump.

Spätestens mit Trumps zweiter Amtszeit ist klar, dass die USA der internationalen Entwicklungshilfe den Rücken kehren. In Sevilla war das Land nicht einmal mehr vertreten. Die Regierung Trump hat die amerikanische Entwicklungsbehörde USAID aufgelöst und will über 80 Prozent der Entwicklungsprojekte streichen. Zu solchen Projekten gehörten beispielsweise der Bau von Kliniken, Impfprogramme betreffend Polio und Malaria, Nothilfe gegen Dürre oder Investitionen in Kleinunternehmen und den Aufbau lokaler Verwaltungen.

Wegen dieser und weiterer angekündigter Kürzungen erwartet die OECD bis 2027 einen Rückgang der Entwicklungshilfeausgaben von bis zu 25 Prozent, also rund 60 Milliarden Dollar. Ein Blick auf die Entwicklungshilfe von Staaten und Organisationen weltweit zeigt jedoch: Die Ausgaben kehren damit lediglich auf das Niveau von 2020 zurück.

Die staatlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit erreichten 2023 ihren Höhepunkt

Getrieben von Corona und der humanitären Hilfe für die Ukraine und Gaza kletterten die Hilfsgelder bis 2023 auf den Rekordwert von 226 Milliarden Dollar. Der Einschnitt kommt nach Jahrzehnten des Wachstums. Mit wenigen Ausnahmen haben die öffentlichen Ausgaben für Entwicklungshilfe seit der Datenerfassung 1960 stetig zugenommen. Seit 1980 haben sie sich mehr als verdreifacht.

Die USA sind Taktgeber für Anstieg und Rückgang

Bei diesem Anstieg der Hilfsgelder spielten die USA eine Schlüsselrolle. Sie gaben am meisten – sowohl an direkter Hilfe an einzelne Länder als auch bei der Unterstützung internationaler Organisationen. 2024 stammte ein Viertel aller Entwicklungshilfegelder aus den Vereinigten Staaten.

Diese Abhängigkeit zeitigt jetzt deutliche Folgen. Das Center for Global Development hat anhand einer Aufstellung von gestrichenen Mitteln, welche die Trump-Regierung dem Kongress vorgelegt hat, berechnet, welche Länder und Sektoren von amerikanischen Einsparungen schon jetzt am stärksten betroffen sind.

Dabei zeigt sich, dass eine Reihe von Länderprogrammen bereits eingestellt wurden, vor allem in Zentral- und Ostasien, aber auch in Westafrika, Mitteleuropa und Lateinamerika. Die grösste absolute Kürzung gibt es mit 1,4 Milliarden Dollar bei der humanitären Hilfe für die Ukraine, es folgen Äthiopien und Kongo.

In mehreren weiteren Staaten und Regionen wie Kolumbien, Südafrika oder Gaza liegen die Kürzungen bei über 200 Millionen Dollar. In einigen Ländern, darunter Madagaskar und El Salvador, kommen nur noch 5 Prozent oder weniger der bisherigen Hilfen an.

Bei grossen Ausgaben wie Wirtschaftsinvestitionen, humanitärer Krisenhilfe oder HIV-Programmen wird bis jetzt verhältnismässig wenig gespart. Besonders hart trifft es dagegen landwirtschaftliche Kooperationen, Infrastrukturprojekte sowie Gesundheits- und Familienplanungsprogramme für Frauen, bei denen ein Grossteil der Mittel wegfällt.

Andere Länder kompensieren nicht

Mit dem Rückzug der Vereinigten Staaten verschärft sich die Abhängigkeit der internationalen Entwicklungshilfe von anderen Geberländern. Doch auch diese werden die Lücke nicht schliessen – im Gegenteil: Neben den USA haben bereits zehn weitere Staaten angekündigt, ihr Budget für Entwicklungshilfe in den kommenden Jahren zu kürzen. Unter den Sparern sind auch acht der grössten Geberländer, darunter die Schweiz und Deutschland.

Die Schweiz will bis 2028 rund 431 Millionen Franken bei der Entwicklungshilfe streichen. In Deutschland stehen die genauen Kürzungen zwar noch nicht fest, aber es soll gespart werden. Im Koalitionsvertrag haben die Regierungsparteien das entsprechend angekündigt. Damit reduziert auch der zweitgrösste Geberstaat seine Ausgaben.

Das wiegt schwer. Denn die elf Staaten, die jetzt sparen, stemmen gemeinsam rund drei Viertel der weltweiten Entwicklungshilfe. Auch in zentralen Uno-Programmen wie dem Welternährungsprogramm (WFP), dem Nothilfebüro Ocha oder dem Kinderhilfswerk Unicef tragen sie mindestens 70 Prozent der Finanzierung.

Laut OECD treffen die Kürzungen der Geberländer die ärmsten Staaten – vor allem in Subsahara-Afrika. Besonders betroffen sind ausserdem Programme, die sich um Flüchtlinge, Gesundheit und Bildung kümmern. Dort sind grosse Lasten oft auf wenige Geberländer verteilt.

Entsprechend hat die Uno erkannt, dass die Entwicklungshilfe neue Geldquellen braucht. Auf der Konferenz in Sevilla herrschte Einigkeit: Der Privatsektor muss mehr leisten, und die Empfängerländer müssen im Kampf gegen Korruption weiter unterstützt werden, etwa durch bessere Zusammenarbeit beim Thema Steuerhinterziehung. Ausserdem waren sich alle sicher: Die Ziele von 2015 sind bis 2030 erreichbar – dem Spardruck zum Trotz.