Beitrag vom 14.06.2024
Table Media
Sahel: Warum der Umgang mit Putschisten die Bundesregierung spaltet
Lucia Weiß, David Renke
Im Sahel haben inzwischen Putschisten
das Sagen – und die suchen die
Nähe zu Russland. Dennoch will
Deutschland die Zusammenarbeit mit
der Region nicht aufgeben. Das sorgt
für Verwerfungen in der Regierung,
vor allem zwischen dem grünen AA
und dem roten BMZ.
In der Bundesregierung knirscht es,
denn in der Frage eines angemessenen
Umgangs mit Putschisten ist man von
einer gemeinsamen Haltung weit entfernt.
Besonders gut illustriert das die
deutsche Politik im Sahel, bei der die
verschiedenen Ministerien diametral
entgegengesetzt handeln. Ob und inwieweit
Deutschland mit Militärregierungen
zusammenarbeitet, entscheidet
letztlich auch darüber, wie viel Geld
aus der deutschen Staatskasse nach
Westafrika überwiesen wird.
In rund einem Monat tagt in Berlin die
Sahel-Allianz – das wichtigste internationale
Geber-Bündnis für die Region.
Bei dieser Gelegenheit könnte sich die
Bundesregierung mit den Putschregierungen
der Region an einen Tisch setzen.
Das heißt, ein Teil der Bundesregierung:
Das Bundesentwicklungsministerium
(BMZ) und seine Ministerin
Svenja Schulze haben hohe politische
Vertreter eingeladen, auf Ministerialebene.
Im BMZ will man den Kontakt zu
den Putschisten halten, um in der Region
präsent zu bleiben und vor allem
Russland und China das Feld nicht zu
überlassen. Die Initiative des BMZ
dürfte im Auswärtigen Amt (AA) jedoch
nicht gut ankommen.
AA geht auf Distanz zu Putschisten
Dort will man sich von den Putschisten
möglichst fernhalten. Denn eine
Zusammenarbeit mit Militärregierungen,
die keine demokratische Legitimation
aufweisen können, passt nicht zur
wertegeleiteten Außenpolitik, die Baerbock
propagiert. In Westafrika kennt
man deswegen vor allem Svenja
Schulze. Gut ein halbes Dutzend Mal
besuchte sie seit 2022 Westafrika. Ihre
Ziele dabei: Mali, Burkina Faso, Niger
und die angrenzenden Küstenländer.
Dagegen beläuft sich die Reisebilanz
von Baerbock auf magere zwei
Kurztrips nach Westafrika.
Wie uneinig sich die Bundesregierung
im Umgang mit Putschregierungen ist,
zeigt sich besonders in Niger. Das AA
ist auch hier zurückhaltend. „Natürlich
stellen sich einige Fragen mit Blick auf
die Verlässlichkeit dieser Regierung“,
sagte AA-Sprecher Christian Wagner
vor rund zwei Wochen. In letzter Zeit
habe es Entscheidungen gegeben, die
Fragen aufwerfen. Gemeint ist damit
der Rauswurf der US-Amerikaner und
die engere Kooperation mit Russland.
Baerbock forderte bereits 2022 ein
Umdenken
Die Zurückhaltung des AAs hat seine
Gründe. Der letzte Besuch der Außenministerin
im Sahel ist gut zwei Jahre
her. Damals besuchte Baerbock die
ehemals in Gao stationierten Bundeswehrsoldaten.
Die Botschaft der Ministerin
damals war bereits eine ähnliche:
„Die Regierung in Bamako hat in den
letzten Monaten international sehr viel
Vertrauen verspielt, nicht zuletzt durch
Verschleppung des demokratischen
Übergangs und durch intensivierte militärische
Zusammenarbeit mit Moskau“,
sagte Baerbock vor ihrer Reise
2022.
Damals forderte die Ministerin ein Umdenken
– kein „Weiter so“. Tatsächlich
setzte sie sich jedoch für die Verlängerung
des Minusma-Mandats der
Bundeswehr ein. Dies endete schließlich
dann doch vorzeitig auf Wunsch
der malischen Militärjunta Ende 2023.
„Punktuelle Kooperationen“ mit Niger
Im Falle Nigers scheint das AA vorsichtiger
zu agieren. Die Verlängerung des
Bundeswehreinsatzes dort überließ das
Ministerium dem SPD-geführten Verteidigungsministerium.
Das BMVg
handelte ohne Beteiligung des Bundestags
ein bilaterales Übergangsabkommen
aus, das den Verbleib der Soldaten
bis August sichert. Das AA bezeichnet
diese Zusammenarbeit mit der Putschregierung
als„punktuelle Kooperation“.
Doch die Entwicklung von ganz Westafrika
hängt maßgeblich von der Sicherheitslage
im Sahel ab. Besonders
befürchtet man in der Bundesregierung
Spillover-Effekte aus dem Sahel in die
angrenzenden Länder wie Nigeria,
Ghana oder die Elfenbeinküste, aber
auch Benin, Togo und Ghana. Diese
sind schon jetzt sichtbar, wie Zahlen
der UN belegen. Josep Borell, Hoher
Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik,
nannte die Spillover-
Effekte im Dezember als zentrale Motivation
für die EU, einen Beschluss zum
Start einer Sicherheits- und Verteidigungsinitiative
in den westafrikanischen
Staaten im Golf von Guinea zu
fassen.
Baerbock will nach Westafrika reisen
Baerbock weiß, dass Westafrika für
Deutschland und Europa von großem
Interesse bleibt – auch wenn diese
Weltregion gefühlt sehr weit weg von
Berlin ist. Die Sicherheitslage und die
Rückkehr zu demokratischen Regierungen
beeinflussen maßgeblich die Migrationsbewegungen
in Westafrika, wie etwa
die UN-Flüchtlingshilfe und die
Hilfsorganisation Brot für die Welt annehmen.
Die Migration betrifft Deutschland
zwar nur indirekt. Politisch ist diese
aber längst zum Reizthema in Europa
geworden sind.
Darauf will Baerbock sich nun offenbar
konzentrieren. So soll sich ihr Profil
in Abgrenzung zu ihrer Kabinettskollegin
Schulze schärfen. Noch im Juli
erwägt die Ministerin nach Informationen
von Table.Briefings eine Reise in
die Region. Stationen könnten demnach
Mauretanien, der Senegal – als potenzieller
LNG-Lieferant und Verbündeter
bei einer klimafreundlichen Energiewende
– sowie die Elfenbeinküste sein.
Um die von Putschregierungen geführten
Länder in der Region macht Baerbock