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Beitrag vom 30.04.2023

welt.de

„Das Land steht in Flammen“ – EU-Kommission fürchtet Ausweitung der Krise im Sudan

Von Christoph B. Schiltz, Korrespondent in Brüssel

Im Sudan bricht die vereinbarte Waffenruhe immer wieder. Noch immer versuchen viele Menschen, vor dem bewaffneten Konflikt zu fliehen. EU-Kommissar Janez Lenarcic warnt in WELT AM SONNTAG vor einem Übergreifen der Unruhen auf benachbarte Staaten.

Die Europäische Kommission warnt vor einer Ausweitung der Unruhen im Sudan auf Länder in der Nachbarschaft. „Das Risiko, dass die Krise auf umliegende Staaten in der Region übergreift, ist reell“, sagte der für humanitäres Krisenmanagement zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic WELT AM SONNTAG. Rund um den Sudan lägen weitere Staaten, die „höchst fragil“ sind. „Die Konsequenzen wären desaströs. Das kann niemand wollen – darum muss die erste Priorität sein, die beiden Kriegsparteien zur Vernunft zu bringen“, sagte Lenarcic weiter.

Der Kommissar aus Slowenien erwartet eine weitere Verschärfung der Situation. Die Lage im Sudan sei schon vor der jetzigen Krise dramatisch gewesen und „kann jetzt nur noch schlimmer werden“, betonte der Kommissar. „Das Land steht in Flammen, es fehlt an allem: sauberen Wasser, Nahrungsmitteln, Medikamenten und Kraftstoff.“ Hunderte von humanitären Programmen im ganzen Land seien suspendiert worden, Lagerhäuser geplündert und die Transportmittel, auf die humanitäre Helfer angewiesen sind, zerstört. Dafür seien, so Lenarcic, allein die beiden Kriegsparteien verantwortlich, aber die Zivilbevölkerung des Sudan müsse dafür „zahlen“.

Lenarcic forderte einen „haltbaren, langfristigen Waffenstillstand und Respekt für das internationale Völkerrecht, damit die humanitären Akteure wieder ihre Arbeit machen können“.

Trotz einer vereinbarten Waffenruhe hat es am Samstag wieder heftige Kämpfe gegeben. Über die Hauptstadt Khartum flogen Kampfflugzeuge, wie ein Bewohner der Nachrichtenagentur AFP sagte. Als Reaktion auf die Luftangriffe seien Luftabwehrgeschosse abgefeuert worden. Ein anderer Augenzeuge sagte, die Kämpfe seien am Morgen fortgesetzt worden, unter anderem an der Zentrale des staatlichen Rundfunksenders in Khartums Nachbarstadt Omdurman. Über dem Flughafen von Khartum hing Rauch.

Großbritannien hat die Evakuierung seiner Bürgerinnen und Bürger aus dem Sudan beendet. Der letzte Flug des britischen Militärs habe das afrikanische Land am späten Samstagabend verlassen, teilte das Außenministerium in London am Sonntagmorgen mit. „Die britische Regierung führt keine Evakuierungsflüge vom Flugplatz Wadi Saeedna mehr durch.“ Insgesamt seien mindestens 1888 Menschen mit 21 Flügen außer Landes gebracht worden. Dabei handele es in erster Linie um Britinnen und Briten sowie ihre engsten Angehörigen. Schätzungen zufolge könnten sich noch Tausende Briten im Land aufhalten.

Außen-Staatsminister Andrew Mitchell nannte die Mission in der BBC „äußerst erfolgreich“. Zugleich betonte er: „Wir können angesichts solch gefährlicher Umstände nicht für immer dort bleiben.“ Außenminister James Cleverly kündigte an, weiter auf eine diplomatische Lösung zu drängen, um das Blutvergießen zu beenden. „Letztendlich ist ein stabiler Übergang zu einer Zivilregierung der beste Weg, um die Sicherheit und den Wohlstand des sudanesischen Volkes zu schützen“, sagte Cleverly.
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Im Sudan kämpfen seit nunmehr zwei Wochen Armeeeinheiten unter dem Kommando von Armeechef Abdel Fattah al-Burhan gegen die von dem General Mohamed Hamdan Daglo angeführte RSF-Miliz. Mehr als 500 Menschen wurden seitdem getötet.

Am Dienstag trat eine unter Vermittlung der USA ausgehandelte 72-stündige Feuerpause in Kraft, die am Donnerstag kurz vor Ablauf noch einmal um 72 Stunden bis Sonntag um Mitternacht verlängert wurde. Allerdings wurden bisher alle Waffenruhen gebrochen.