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Beitrag vom 14.02.2023

NZZ

Tigray zwischen Krieg und Frieden

Der Konflikt in der äthiopischen Region hat bis zu 600000 Opfer gefordert

smi. · «Wir können endlich wieder ruhig schlafen» ist zurzeit die Aussage, die man am häufigsten hört in Tigray. Es ist eine erste, bescheidene Form von Frieden in einer Region, die während zweier Jahre einen der brutalsten Kriege der letzten Jahrzehnte durchlitten hat. Laut Schätzungen sind in der Provinz im Norden von Äthiopien zwischen November 2020 und November 2022 bis zu 600000 Menschen dem Krieg zum Opfer gefallen – die Mehrheit von ihnen Zivilisten, die infolge von Hunger und fehlender medizinischer Versorgung starben.

Drohnen töteten Zivilisten

Der Tigray-Krieg fand ausserhalb von Afrika wenig Beachtung. Unter anderem, weil die Region unter einer Blockade stand, die sie fast komplett von der Aussenwelt abschnitt. Strom, Internet und Bankverbindungen waren unterbrochen, auch Hilfsgüter gelangten lange fast keine in die Region – mit dramatischen Folgen. Die äthiopische Regierung erteilt Journalisten bis heute keine Erlaubnis, in Tigray zu recherchieren. Die NZZ konnte die Region trotzdem besuchen. Man sieht in Tigray Ansätze von Normalität, Jogger in den Strassen, Menschen in Bars. Man sieht auch viel befreites Lachen, zum Beispiel in Orten voll mit Kämpfern, die zurück sind von der Front.

Und doch ist der Krieg ständig präsent. In Form zahlreicher zerschossener Gebäude und Fahrzeuge entlang der Strassen. Und in den Köpfen der Menschen, die alle mindestens eine Geschichte von Tod, Hunger und Zerstörung zu erzählen haben. Etwa in der Kleinstadt Abiy Addi, wo Drohnen in den letzten Tagen des Krieges Bomben abfeuerten, die mehrere Dutzend Zivilisten töteten. Unter ihnen eine junge Mutter mit ihrem Kind an dem Tag, an dem sie sich ausserhalb der Stadt in Sicherheit bringen wollte.

Vertrauen wächst

Noch ist der Frieden fragil. Der General Tsadkan Gebretensae, der für die tigrinische Seite an den Friedensgesprächen in Südafrika verhandelt hat, sagt im Interview, der Prozess laufe besser als anfänglich erwartet. Die Kriegsparteien bauten allmählich Vertrauen auf. Anfang Februar haben sich die tigrinische Führung und Ministerpräsident Abiy Ahmed erstmals seit dem Friedensschluss getroffen. Es war ein weiterer Schritt, der die Menschen in Tigray hoffen lässt.