Beitrag vom 24.12.2021
FAZ Leserbrief
Wie es am Anfang war
Ich habe mit Interesse Ihre ausführliche Buchbesprechung „Das verspätete Ministerium. Wie das Thema Entwicklungshilfe in der bundesdeutschen Politik allmählich ankam“ von Guido Thiemeyer (F.A.Z. vom 14. Dezember) über den Beginn der deutschen Entwicklungshilfe gelesen und mir anschließend das besprochene Buch gekauft und gelesen. Es ist nichts dagegen zu sagen, dass der Verfasser eine besondere Vorliebe für den Bundesminister Eppler (SPD) hat. Aber weder die Herren Minister Scheel noch Wischnewski noch Eppler haben die Anfänge der Deutschen Technischen Entwicklungshilfe miterlebt oder gar gestaltet. Das Auswärtige Amt hatte 1957/58 die Idee, den , wie es damals noch hieß, unterentwickelten Ländern zu helfen. 50 Millionen Mark standen dafür bereit. Es gab auch von Fachleuten erstellte Pläne für die Errichtung und den Betrieb von Gewerbeschulen in Entwicklungsländern. Aber wer und wie macht man das ? Das AA wandte sich an die damals im Besitz des Bundes und einiger Länder befindliche Wirtschaftsprüfungs- und Treuhand AG (abgekürzt Treuarbeit) in Frankfurt mit der Bitte um Hilfe. Die Treuarbeit hatte für solche Aufträge eine 100prozentige Tochtergesellschaft, „Garantie Abwicklungsgesellschaft, GAWI GmbH“ . Als erstes Projekt sollte die Ausrüstung und das Personal für eine Gewerbeschule in Bagdad beschafft und geliefert werden. Drei Personen wurden ausgewählt zum sofortigen Anfang. Ein Finanzfachmann aus dem eigenen Haus, Herr Dr. Thomas, ein neu angestellter Hamburger Exportkaufmann mit langjähriger Auslandserfahrung, Herr Chudzininski und ein Maschinenbau Ingenieur mit Praxiserfahrung, das war ich. Wir drei haben im Haus der Treuarbeit angefangen, Maschinen, Werkzeuge und Ausrüstung streng nach den Vorschriften der Bundes-Haushaltsordnung auszuschreiben, zu vergeben, zu beauftragen, zu verschiffen, zu versichern und für den Aufbau in Bagdad zu sorgen. Jede Aufgabe und Verrichtung war neu , alle Formulare mussten entwickelt und Arbeitsabläufe festgelegt werden.
Die Aufgaben wurde gelöst, örtliches und deutsches Personal angestellt und ein Projekt nach dem anderen , als Ergebnis eines Interministeriellen Ausschusses in Bonn wurde uns übertragen. Als erste Auslandsreisen wurde ich nach Madrid und nach Griechenland geschickt- damals noch Entwicklungsländer – um ein Chemielabor in Madrid beziehungsweise ein Dampfkraftwerk für die Athener Technische Hochschule einzurichten. Gewerbeschulen nach deutschem Muster wurden von uns errichtet und betreut unter anderem in Teheran, Täbris, Aleppo, Kairo, Bangkok, Vientiane und in Burao/Somalia. Daneben wurde neben vielem anderen eine Technische Hochschule in Kandahar, eine große Maschinen-Lehrwerkstatt in Delhi, die technische Hochschule in Madras, eine Omnibus Lehrwerkstatt in Colombo, Krankenhäuser in Senegal gebaut. Alles zunächst ohne BMZ und dann mit tatkräftiger Unterstützung von Minister Scheel im neuen Ministerium. Wir hatten damals ca 200 Mitarbeiter in Frankfurt und circa 1500 Mitarbeiter in den Projekten im Ausland. Das war also die „naive Phase der Deutschen Entwicklungshilfe“, wie es der Verfasser, Herr Linne, nennt. Er hat wohl den Start der Technischen Hilfe 1958 mit nur 3 Mann und den Erfolg in den Jahren danach nicht gesehen. Ich sah 1971 die Entwicklung kommen, dass Minister Eppler die GAWI der von ihm nicht beeinflussbaren, unabhängigen Treuarbeit wegnehmen würde und bin Ende 1971 als Geschäftsführer der GAWI nach 13 Jahren Aufbauarbeit ausgeschieden. 1988 wurde mir das Bundesverdienstkreuz am Bande für meine Tätigkeit in der Entwicklungshilfe verliehen. Jetzt bin ich 92 Jahre alt und seit langem pensioniert.
Dr. Hans Philipp, Hofheim