Direkt zum Inhalt
Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 06.09.2021

FAZ

AUTORITARISMUS IN TANSANIA:

Der Magufulismus lebt weiter

VON CLAUDIA BRÖLL, KAPSTADT

Wegen angeblicher Terrorfinanzierung sitzt Oppositionsführer Freeman Mbowe seit Wochen in Haft. Sein Fall weckt Erinnerungen an die Methoden des verstorbenen Präsidenten John Magufuli. Nun entscheidet ein Gericht über die Zulassung des Verfahrens.

Seit mehr als sechs Wochen sitzt Freeman Mbowe in einem Hochsicherheitsgefängnis in Tansanias Wirtschaftsmetropole Daressalam. Polizisten hatten den Oppositionsführer im Juli bei einer nächtlichen Razzia in Mwanza am Victoriasee, 1000 Kilometer von Daressalam entfernt, festgenommen. Es ist nicht die erste Verhaftung des 59 Jahre alten Politikers, aber erstmals steht er wegen Terrorismusvorwürfen vor Gericht. Bei dieser Anklage ist eine Freilassung gegen Kaution nicht möglich.

Inhaftierungen und brutale Angriffe auf Oppositionspolitiker hatten in Tansania während der rund fünfeinhalbjährigen Amtszeit des im März verstorbenen Präsidenten John Magufuli in erschreckendem Maße zugenommen. Besonderes Aufsehen hatte im September 2017 ein Mordanschlag auf den bekannten Oppositionspolitiker Tundu Lissu ausgelöst. Zwei Angreifer schossen sechzehnmal auf ihn. Wie durch ein Wunder überlebte er. Später ging Lissu ins Exil nach Belgien.

Als die vorherige Vizepräsidentin Samia Suluhu Hassan nach dem überraschenden Tod Magufulis die Staatsführung übernommen hatte, hofften viele auf einen Wandel in dem ostafrikanischen Land, das von 1885 bis 1918 teilweise zur Kolonie Deutsch-Ostafrika gehörte.

Die gläubige Muslimin und Mutter von vier Kindern tritt leiser auf als der „Bulldozer“, wie ihr Vorgänger genannt wurde. Auch schlägt sie einen verbindlicheren Ton gegenüber Wirtschaftsvertretern und den Nachbarländern an. Für das größte Aufsehen sorgte ihre Kehrtwende in der Corona-Politik. Seit Juli meldet Tansania nach einer 14 Monate langen Pause wieder Infektionszahlen. Impfstoffe sind mittlerweile eingetroffen.

Die derzeitige Amtsinhaberin als „Geisel des Systems“

Magufuli hatte als einziger Staatslenker in Afrika die Pandemie rundweg abgestritten. Im Brustton der Überzeugung hatte er verkündet, Gebete hätten das Virus aus seinem Land vertrieben. Kranken riet er zu Kräuterkuren und Dampfbädern. Viel deutet darauf hin, dass Magufuli am Ende selbst an den Folgen einer Corona-Infektion verstarb. Zuvor wurden die Krankenhäuser vom Andrang von Patienten mit angeblichen Lungenentzündungen überwältigt. Berichte über heimliche, nächtliche Beerdigungen mehrten sich.

Doch eine entschiedene Abkehr vom autoritären Regierungsstil des „Bulldozers“ ist unter Suluhu Hassan nicht zu erkennen. Insbesondere die Bilder zum Fall Mbowe weckten Erinnerungen an vergangene Zeiten: Da wird abermals ein Oppositionsführer wie ein Verbrecher vom Polizeifahrzeug in ein Gericht geleitet. Die Beamten um ihn herum tragen noch nicht einmal Corona-Gesichtsmasken, nur er selbst.

Tundu Lissu, der wegen der schweren Verletzungen schon 25 Operationen hinter sich hat, beobachtet das Geschehen aus der Ferne mit größter Sorge. Er sehe Parallelen zu der Zeit, als sich der Mordanschlag ereignete, sagt der Oppositionspolitiker der F.A.Z. am Telefon. „Magufuli mag tot und begraben sein, aber der Magufulismus ist immer noch quicklebendig.“ Die derzeitige Präsidentin sei eine „Geisel des Systems, das nach dem Vorbild von John Pombe Magufuli geschaffen wurde“.