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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 15.01.2020

Deutschlandfunk Kultur

Geschäftsmodell für Afrika

Biogas aus dem Rucksack

Von Bettina Rühl

Drei bis vier Kilo: Mehr wiegt auch ein prall gefüllter Gasrucksack nicht. (Katrin Pütz)
Billig, einfach und profitabel – das ist die Biogasanlage, die eine deutsche Agraringenieurin für Afrika entwickelt hat. Die Idee dahinter: Anlagenbesitzer füllen ihr überschüssiges Biogas in Rucksäcke und bringen es so auf den Markt.

Peter Kariuki füllt einen Eimer voller Kuhdung in eine blaue Tonne, den Einfüllbehälter einer Biogasanlage. Der Kenianer arbeitet auf einem Bauernhof nicht weit von der kenianischen Hauptstadt Nairobi entfernt.

„In der Tonne mische ich Dung und Wasser, ich nehme je einen Eimer voll. Dann rühre ich die Masse gut um.“

Einfachste Technik, aber kein Geschenk

Die Sache sei ganz einfach, findet der 42-Jährige Landarbeiter. Sein Chef, der Bauer Githenji, hat die Biogasanlage im August vergangenen Jahres gekauft, alle haben sich schnell an den Umgang damit gewöhnt. Unangenehm riechen tut es sowieso nicht, der Dung ist ja buchstäblich unter Verschluss. Jedenfalls hat Kariuki keine Berührungsängste. Er beugt sich über die blaue Tonne, taucht eine Hand in die Mischung.

„Ich durchsuche die Masse nach Steinen, Stöcken oder Grasklumpen, die würden die Anlage nämlich verstopfen. Wenn ich alles gefunden habe, rühre ich nochmal um. Dann ziehe ich den Stopfen und lasse die Mischung in die Anlage laufen.“

Neben ihm im Gras die Biogasanlage: ein großer weißer Sack, der jetzt platt daliegt, weil er leer ist. Darüber sind Stangen gespannt, die eine schwarze Plane tragen können. Sie ist UV-dicht und schützt den Sack, der als Fermenter dient, bei großer Hitze vor direkter Sonneneinstrahlung. Weil es heute wolkig und kühl ist, liegt die Plane neben dem Fermenter im Gras, um die wenigen Sonnenstrahlen möglichst effektiv zu nutzen. Bei 36 Grad arbeiten die Bakterien im Inneren des Fermenters am besten, machen aus der Biomasse am schnellsten Biogas. Das ist, abgesehen von den Gasleitungen, alles.

„Verglichen mit den konventionellen Systemen ist diese Anlage viel billiger. Die üblichen Biogasanlagen werden in der Erde vergraben. Diese hier ist flexibler, und wie gesagt billiger. Außerdem braucht man dafür weniger Platz, und die Installation erfordert nicht so viel Arbeitskraft. Innerhalb von nur zwei Tagen hatten wir alles aufgebaut. Für die unterirdischen Anlagen braucht man drei Wochen.“

Biogas wird in Rucksäcke gefüllt und verkauft

Stanley Githenji ist der jüngste Sohn der Bauernfamilie und wird den Hof übernehmen. Mit 32 Jahren ist er kaum halb so alt wie seine Eltern, aber seine Familie ist generationsübergreifend von dem System begeistert. Alle sind sich einig: Diese Anlage sei die billigste Lösung, sein eigenes Gas herzustellen. Rund 750 Euro mussten die Farmer investieren, unterirdische Biogasanlagen kosten in Kenia doppelt so viel. Die Kosten für Haushaltsgas fallen jetzt außerdem weg, meint Stanleys Mutter Joyce Githenji. Und:

„Das Biogas ist billiger als das Haushaltsgas. Und diese Anlage kann jeder aufbauen, man muss es nur gezeigt bekommen.“

Stanley geht voraus, um den Clou des Systems vorzuführen. Vorbei an den Hühnerställen, hier gackern 2000 Legehennen um die Wette. Außer den Hühnern besitzt die Familie fünf Kühe und ein Kalb – das sind mehr als genug Produzenten für die Biomasse. Die Gasleitung aus der Anlage führt in einen kleinen Schuppen.

Dort hängen an der Wand vier weiße, große Plastiksäcke.

„Wir können das Gas auch in diesen Säcken auffangen und verkaufen!“

„Wir verbinden dafür die Gasleitung direkt mit den Säcken. Wenn die Sonne scheint und viel Gas produziert wird, ist ein Sack nach nicht einmal einer halben Stunde voll. Dann schließen wir das Ventil und können den vollen Sack mitnehmen.“

Geschäfte statt Almosen

Und zwar ganz praktisch auf dem Rücken. Auch der gefüllte Rucksack ist gut zu tragen: er ist zwei Meter breit und etwa anderthalb Meter hoch. Selbst voll gefüllt wiegt er nur drei bis vier Kilo. Erst durch diese Rucksäcke wird das Gas transportabel und die Biogasanlage zum Geschäftsmodell. Wer mehr Biogas produziert als er verbraucht, kann es an Nachbarn verkaufen, die es im Rucksack mitnehmen können. Die Rucksäcke und die Anlage hat die deutsche Agraringenieurin Katrin Pütz entwickelt.

„Ich hatte natürlich, bevor ich damit angefangen habe, recherchiert, was in Afrika zum Thema Biogas bereits gemacht wird“. erklärt sie. „Und da bin ich auf nationale Biogas-Programme gestoßen. Und eins, was tatsächlich zu der Zeit am weitesten war, war das in Ruanda. Da hat nämlich die deutsche Entwicklungshilfe sich beteiligt, und die haben unterirdische Fix-Dome-Anlagen gebaut, so heißen die, die sind unterirdisch, gemauerte Anlagen für einzelne Haushalte. Ich glaube, damals hat eine Anlage 1500 Euro gekostet. Ich dachte mir, dass das mit Sicherheit niemals etwas Eigenständiges werden wird, was Ruanda selber umsetzen kann ohne die Gelder aus dem Westen. Und das hat mich geschockt, weil ich einfach diese Denkweise nicht verstehe, wie man solche ineffizienten, teuren Technologien in Länder bringen kann, wo die Leute sich sowas niemals leisten können werden.“

Bis auf Ausnahmen blieben die Menschen also von Entwicklungshilfe abhängig, um solche Systeme zu kaufen. Kathrin Pütz wollte etwas anderes:

„Die Idee war einfach, erstens eine andere Anlagentechnik zu verwenden, die günstiger ist, und zweitens, diese Anlage dann auch rentabel zu machen. Das heißt, nicht eine Anlage für 1500 Euro im Boden, die ein bisschen Kochgas produziert, die sich aber niemals amortisieren wird, sondern eine Anlage, die sich in kürzester Zeit amortisiert. Über den Verkauf von überschüssigem Gas.“

Kundendienst und Training vor Ort

Katrin Pütz will aus Hilfsempfängern Geschäftspartner machen. Der Biogas-Rucksack war vor zehn Jahren ihre Masterarbeit, anschließend entwickelte sie die dazugehörige Biogasanlage, die nun auf dem Hof der Githenjis in Kenia steht. Importiert und installiert wurde sie auf eigene Rechnung von einem Kenianer. Dass sie überhaupt importiert werden musste, ist nur eine vorübergehende Lösung. Katrin Pütz hat bei der Entwicklung ihres Systems darauf geachtet, dass alle Materialien auch in Afrika zu kriegen sind, die Anlagen und Rucksäcke können also auch auf dem Kontinent hergestellt werden. Das lohnt sich aber erst, wenn klar ist, dass es tatsächlich einen Markt gibt. Für Kenia ist das noch nicht sicher. Katrin Pütz’ kenianischer Geschäftspartner Michael Nganga testet das gerade aus, er hat erst zwei Anlagen importiert. Der Ingenieur Nganga lebt seit 2003 in Deutschland:

„Diese Anlage, das ist eine ganz einfache Technologie. Und ich möchte, dass sie den Menschen die Augen öffnet, dass sie sehen: Okay, meine Probleme kann ich vielleicht besser so lösen. Ich muss nicht warten, dass jemand von außen kommt und das für mich macht. Ich bin der einzige, der die Verantwortung dafür hat. Ich möchte den Leuten Kraft geben und zeigen: Wir können das!“

Arbeit auf Augenhöhe und Respekt sind auch für Katrin Pütz zentrale Argumente gegen Entwicklungshilfe. Ein weiteres: die Wartung der Anlagen. Die sei häufig nicht sichergestellt, wenn Anlagen im Rahmen von Entwicklungshilfeprojekten verbreitet würden. Sie dagegen hat sich viele Gedanken darüber gemacht, wie sich ein zuverlässiger Kundendienst aufbauen lässt.

„Biogasanlagen, das ist keine Technik, wo man einmal etwas rein schmeißt, und es läuft dann für den Rest des Lebens, sondern da muss man sich täglich darum kümmern. Und das, obwohl das eine ganz einfache Technik ist, kann da immer mal Wasser in der Leitung sein, dann verstopft das Wasser die Gasleitungen, dann kommt kein Gas mehr raus. Wenn man jetzt als Bauern nicht weiß, woran liegt das? Dann funktioniert die Anlage für den nicht mehr. Da gibt es zig Tausende von solchen Anlagen, die in der Wildnis verstreut sind, die einfach aus einem kleinen Grund nicht mehr funktionieren.“

Keine Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen

In ihrem Geschäftsmodell sind die Installateure eigenständige Handwerker, die Anlagen installieren, die Kunden trainieren und die Wartung übernehmen. In einigen afrikanischen Ländern funktioniert das bereits. Angebote, mit Entwicklungshilfeorganisationen zusammenzuarbeiten, hat Katrin Pütz nach eigener Aussage mehrfach abgelehnt. Der Grund: Sie will das System durchbrechen, in dem Afrikaner immer Hilfsempfänger sind.