Beitrag vom 07.05.2018
FAZ
Druck auf Herkunftsländer der Asylbewerber
Hilfe nur gegen Hilfe – diese Forderung ist nicht neu. Um Entwicklungsruinen zu vermeiden, will die Bundesregierung künftig zwei Wege einschlagen.
mas. BERLIN, 6. Mai. Die Bundesregierung plant, die Entwicklungshilfe vermehrt an die Bereitschaft der Partnerländer zu koppeln, bei der Rückkehr abgelehnter Asylbewerber mit Berlin zusammenzuarbeiten. Dabei denkt man jedoch weniger an eine Kappung der bestehenden Zusammenarbeit, sondern vielmehr an zusätzliche Anreize für kooperationswillige Regierungen. „Dieses ,weniger Hilfe für wenig Zusammenarbeit‘ funktioniert in der Praxis nicht wirklich“, hieß es am Wochenende in Berliner Regierungskreisen. Damit riskiere man nur Investitionsruinen in der Entwicklungshilfe. Die Mitglieder der dort herrschenden Regierungen hätten kein persönliches Interesse an Staudämmen, Schulen oder Krankenhäusern. Mit einer Kürzung solcher Mittel könne man sie nicht beeindrucken. Daher müsse man über andere Wege nachdenken. Gleichwohl wird in den Regierungskreisen in Berlin zugestanden, dass es einen Nachholbedarf bei den Rückkehrabkommen gibt.
Zwei Ansätze hat die Bundesregierung identifiziert. Der erste setzt bei den Eliten der jeweiligen Länder an. Wenn diese Führungsschicht keine Visa mehr erhielte, um etwa in Deutschland den Gesundheitszustand im Krankenhaus klären zu lassen oder einkaufen zu können, treffe sie das mehr als die Kappung von Entwicklungsprojekten. Über diesen Weg rede man nicht laut, wolle ihn aber stärker gehen, hieß es in Berlin. Darüber hinaus will die Bundesregierung Länder belohnen, die bereit sind, Rückkehrabkommen zu schließen. In diesem Zusammenhang wird auf das Beispiel von Gambia verwiesen, das ein Muster für andere Länder sein könnte. Nachdem Deutschland mit dem westafrikanischen Staat sehr lange nicht zusammengearbeitet hat, bot Berlin der Regierung in Banjul unlängst Hilfen im Bereich von Bildung und Ausbildung an, wenn sie im Gegenzug Gambier aus Deutschland zurücknimmt. Diese Zusammenarbeit beginne, hieß es in Berlin.
Nachdem am Montag in der Flüchtlingsunterkunft in Ellwangen 150 Afrikaner gewaltsam die Rückführung eines Togolesen verhinderten, wächst aus den Bundesländern der Druck auf Berlin, bei diesem Thema gegenüber den ausländischen Regierungen mehr Härte zu zeigen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) schlug vor, Herkunftsländern die Entwicklungshilfe zu entziehen, wenn sie bei Abschiebungen nicht kooperieren. Erst am Donnerstag wurde der Togolese mit einem Großeinsatz der Polizei in Abschiebehaft genommen. Solche Rückführungen scheitern in vielen Fällen daran, dass die Abzuschiebenden keine Papiere haben – oft haben sie ihre Pässe selbst vernichtet, um eine Abschiebung zu erschweren. Zugleich stellen die mutmaßlichen Herkunftsländer ihre Nationalität in Frage und weigern sich, Ersatzdokumente auszustellen.
„Wir können nicht auf der einen Seite Entwicklungshilfe bezahlen, und auf der anderen nehmen diese Länder diese Leute nicht zurück“, sagte Sachsens Ministerpräsident Kretschmer der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Er regte zudem an, in ganz Europa Asylbewerbern nur noch Sachleistungen statt Geld zu geben – und das nach einheitlichen Regeln. Damit könne man das Wandern zu den reichsten Staaten stoppen. „Es darf nicht mehr so sein, dass die Menschen sich das Land mit den attraktivsten Leistungen aussuchen können und dann regelmäßig nur nach Deutschland kommen“, sagte Kretschmer.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) pocht ebenfalls auf ein härteres Vorgehen. Deutschland müsse „manchmal auch über die Entwicklungshilfe Druck auf Herkunftsländer“ machen, mahnte der CSU-Politiker. Zugleich könne es Anreize für Staaten geben, die gut mitarbeiteten. „Aber unkooperatives Verhalten darf nicht durch Entwicklungshilfe begünstigt werden“, sagte Herrmann der F.A.S. Er kritisierte, dass Deutschland die höchsten Sozialleistungen in Europa zahle. Viele, die in Deutschland ankämen, seien schon vorher in Frankreich, Italien oder in Österreich gewesen. Herrmann nannte das eine „krasse Fehlsteuerung“.
Deutschland ist mittlerweile weltweit das zweitgrößte Geberland von Entwicklungshilfe. Mehr Geld kommt nur aus Amerika. Die Bundesregierung will dieses Jahr den Etat von Gerd Müller (CSU) auf 9,4 Milliarden Euro erhöhen, das sind 900 Millionen Euro mehr als 2017.