Beitrag vom 24.04.2018
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Sein Pakt mit Afrika
Martin Jäger, der neue starke Mann im Entwicklungsministerium, hat ein Netzwerk in Berlin. Eine spezielle Geschichte verbindet ihn mit dem Kollegen Kerber im Innenressort.
von Manfred Schäfers
Jäääger. Es scheint, als ob der Name, wenn er sich am Telefon meldet, im Laufe der beruflichen Karriere immer länger und irgendwie auch bedeutender geworden wäre. Das kann natürlich auch der Einbildung des vielleicht doch einen Tick neidvollen oder besser gesagt kritischen Beobachters geschuldet sein. Tatsächlich tritt Martin Jäger im direkten Gespräch zwar selbstbewusst auf, aber auch angenehm zurückhaltend. Man plaudert nett, streift wie beiläufig die zentralen Fragestellungen und amüsiert sich prächtig.
Mittlerweile sitzt der schlanke Schwabe im Bundesentwicklungsministerium. Der Staatssekretär hat aus seinem Büro in der neunten Etage des „Europahauses“ – eines der ersten Hochhäuser in Berlin – einen phantastischen Blick auf die ihm dort zu Füßen liegende Stadt. Direkt neben dem Martin-Gropius-Bau gelegen sieht man von dort in der Ferne Fernsehturm und Rotes Rathaus. Ganz in der Nähe liegt das Bundesfinanzministerium. Man erkennt den Ministertrakt im zweiten Querflügel und ahnt um die Ecke das Fenster, hinter dem der Sprecher sitzt. Das war für zwei Jahre der Arbeitsplatz des studierten Ethnologen und Philosophen, bis er im Herbst 2016 für Mitarbeiter und Medienvertreter völlig überraschend Wolfgang Schäuble (CDU) ade sagte, um im baden-württembergischen Innenministerium als Staatssekretär bei dessen Schwiegersohn Thomas Strobl (ebenfalls CDU) anzuheuern. Doch die Arbeit für diesen Zweig der Familie Schäuble/Strobl ist nun auch schon wieder Geschichte.
Nun dient er Entwicklungsminister Gerd Müller. Warum? Es gibt Angebote, die man schwer ablehnen kann. So einer wie Jäger noch weniger, wie sein schillernder Berufsweg erahnen lässt. Es ging beim Auswärtigen Amt los, das Ministerium, das ihn wie kein anderer Arbeitgeber geprägt hat, dem er zeitweilig als Sprecher und später als Botschafter im gefahrenreichen Kabul gedient hat. Zwischendurch war er oberster Lobbyist von Daimler in Stuttgart. Doch auch diesen sicherlich gutbezahlten Posten hatte er nach überschaubarer Zeit wieder aufgegeben. „Es ist eine Sache, in der Wirtschaft zu arbeiten, es ist etwas anderes, in der Regierung eines Landes zu arbeiten“, sagt er heute zu einem ähnlich gelagerten Fall.
Der Entwicklungsminister hat Jäger kennen und schätzen gelernt, als sein Haus eng mit Schäubles Leuten zusammengearbeitet hat. Das war, als Deutschland die Präsidentschaft in der Gruppe sieben wichtiger Industrieländer innehatte. Das Finanzministerium hat dabei nachdrücklich auf die Bedeutung langfristiger Faktoren hingewiesen, wozu vor allem die „gute Regierungsführung“ gehört. Sie ist nach den Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte letztlich entscheidend, wenn es um die Frage geht, ob ein Land wirtschaftlich aufsteigt oder weiter zurückfällt. Man nannte den Ansatz im Finanzministerium etwas sperrig „Compact with Africa“, aber das Ziel war klar: eine Investitionspartnerschaft – die einen sorgen für stabile Rahmenbedingungen, die anderen helfen Unternehmen, den Weg nach Afrika zu finden.
Irgendwie hat so Müller zu Jäger gefunden und andersherum. Der bayerische Schwabe aus dem Allgäu hat ihn auf jeden Fall zu seinem wichtigsten Mitarbeiter erkoren. Anders als in den meisten Bundesministerien gibt es in seinem Ressort nur einen beamteten Staatssekretär. Entsprechend groß ist das neue Wirkungsfeld für den 53 Jahre alten „Amtsleiter“, wie man in Stuttgart in solchen Fällen zu sagen pflegt. Jäger arbeitet nun in einem Haus mit einer für ihn ungewohnten Kultur: Es gibt viele Frauen, auch in leitenden Funktionen. Die Mitarbeiter sind von dem überzeugt, was sie machen. Das gilt nicht zuletzt für den Minister selbst. Man macht weniger Gesetze, man wendet sie auch nicht an. Man macht einfach etwas.
Der neue Mann im Entwicklungsministerium kann auf ein Netzwerk bauen. Markus Kerber, den für Heimat zuständigen Amtskollegen im Innenministerium, kennt er besonders lange. Sie gingen auf dieselbe Schule, Kerber, ein Jahrgang über Jäger, war Chefredakteur der Schülerzeitung, Jäger Schülersprecher. Werner Gatzer, den Haushaltsstaatssekretär, kennt er ebenfalls gut. Als Jäger den Leitungsstab von Schäuble führte, arbeitete man eng zusammen. Gerade ist Gatzer auf zauberhafte Weise von Schäubles Nachfolger Olaf Scholz (SPD) von der Bahn auf den alten Posten zurückgelotst worden. Die Verbindung ist natürlich besonders wertvoll – wenn es ums Geld geht. Zu Walter Lindner im Auswärtigen Amt gibt es ebenfalls eine spezielle Verbindung, schließlich haben beide dort einmal als Sprecher gearbeitet. Lindner war auf dem Posten Jägers Vorgänger. Generell ist der Corpsgeist unter den Diplomaten ausgeprägt. Mit Jäger könnten somit wieder zarte Bande zwischen Auswärtigem Amt und Entwicklungsministerium geknüpft werden.
Als Jäger nach Stuttgart wechselte, spielte die familiäre Situation auch eine Rolle. Damit endete die Pendelei. Als er nach Afghanistan ging, überwinterte die Familie im Ländle, sie blieb dort während Jägers Zeit im Finanzministerium. Sie kommt nun in absehbarer Zeit nach Berlin. Jägers Frau schreibt unter dem Namen Helena Reich Krimis. Er selbst liest eigentlich keine. In ihrem Fall ist das natürlich anders. Ob es in ihren Büchern Anspielungen zum Selbsterlebten gibt? Man kann davon ausgehen. Nicole Jäger-Koydl hat länger kein Buch veröffentlicht. Die Spannung wächst. Ob demnächst ein Mörder gejagt wird, der dem Entwicklungsmilieu angehört?