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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 25.03.2018

FAS

Südafrika

Her mit dem Land!

Lange konnten weiße Bauern in Südafrika gut leben. Jetzt plant die Regierung, ihnen ihr Land wegzunehmen. Das soll den Schwarzen nützen. Aber wird es das auch?

Von Thilo Thielke

Jahrelang hat sich Südafrika als Regenbogennation feiern lassen. Rassenschranken sollten überwunden werden, ein friedliches Zusammenleben aller – ob schwarz, weiß oder braun – möglich sein. Das gilt, seit Frederik Willem de Klerk die Amtsgeschäfte an Nelson Mandela übergab, die Ikone des Kampfes gegen die Rassentrennung. Seitdem regiert der Afrikanische Nationalkongress, kurz ANC. Aber fast ein Vierteljahrhundert später scheint sich nun ein schwarzer Rassismus am Kap der Guten Hoffnung Bahn zu brechen.

Immer mehr weiße Bauern werden auf ihren Höfen gefoltert und ermordet: mehr als 1700 innerhalb von zehn Jahren. Damit liegt das Risiko für einen südafrikanischen Landwirt, gewaltsam aus dem Leben zu scheiden, rund 150 Mal höher als das eines durchschnittlichen Deutschen. Das hat sich bis nach Australien herumgesprochen, wo der Innenminister Peter Dutton gesagt hat, als „zivilisiertes Land“ solle Australien erwägen, den in Südafrika verfolgten Landwirten Asyl anzubieten.

Angeheizt wird die Verfolgung von dem linksradikalen Rassisten Julius Malema, der erst kürzlich twitterte: „Hahaha, du gehst, weißer Mann. Ich habe keine Sympathie für Weißheit. Für ein schwarzes Kind fühlt sich es sich so gut an, über die Zukunft eines Weißen zu entscheiden.“ Malema singt regelmäßig Lieder, die zum Mord an Buren aufrufen, und führt die drittstärkste Partei im Land an, die Economic Freedom Fighters.

Zu allem Unglück hat sich jetzt auch die ANC-Regierung vor den Karren der Radikalen spannen lassen. Um den Linken bei der Präsidentschaftswahl im nächsten Jahr Stimmen abzujagen, hat sie sich deren liebste Forderung zu eigen gemacht: Weiße enteignen zu dürfen, ohne sie, wie bisher, für den Verlust des Lands entschädigen zu müssen. Bis zum August soll ein Entwurf erarbeitet werden. Dann könnte mit der Umverteilung im großen Stil begonnen werden.

Zwar erntet die Regierung mit ihrer Ankündigung viel Zustimmung unter Radikalen und Besitzlosen, die glauben, auf diese Art und Weise unverhofft zu Reichtum zu gelangen. Unter Liberalen und Intellektuellen löst sie jedoch Kopfschütteln aus. Die Leiterin der politischen Forschungsabteilung im liberalen südafrikanischen Institute for Race Relations, Anthea Jeffery, befürchtet ein „wirtschaftliches Desaster“ für den Fall, dass es zu den Enteignungen komme. Privater Besitz von Grund und Boden sei lebenswichtig für eine Marktwirtschaft. Was die Regierung derzeit vorhabe, sei weniger die Umverteilung von Land aus der Hand von Weißen in die von Schwarzen als vielmehr in die des Staats.

Jeffery weiß, wovon sie spricht. Erst vor kurzem hat ihr Thinktank eine vielbeachtete Studie zur Landreform veröffentlicht. Dabei kam heraus, dass nur ein Prozent der befragten Schwarzen der Aussage zustimmt, dass eine Ausweitung der Umverteilungsmaßnahmen der beste Weg sei, um ihr Leben zu verbessern. Fast drei Viertel der Schwarzen halten stattdessen mehr Arbeitsplätze und bessere Bildung für das Wichtigste. Jeffery betont, dass die Regierung nun aber gerade Arbeitsplätze und Steuereinnahmen aufs Spiel setze. „Eine Enteignung weißer Farmer, ohne ihnen Entschädigung zu zahlen, ist der sicherste Weg, die Landwirtschaft zu ruinieren.“

Und das Risiko ist hoch. Obwohl schon viele weiße Landwirte Südafrika freiwillig verlassen und sich zum Beispiel in Australien, Neuseeland oder Kanada niedergelassen haben, gibt es immer noch rund 850000 Beschäftigte im Agrarsektor. Südafrika zählt, seit die Landwirtschaft in Simbabwe nach der Vertreibung der dortigen weißen Farmer weitgehend zusammengebrochen ist, zu einem der ganz wenigen Länder südlich der Sahara, in dem es kommerzielle Landwirtschaft überhaupt gibt. In den meisten schwarzafrikanischen Ländern wird nur Subsistenzwirtschaft betrieben – hier besitzen die Landwirte ein paar Hühner und Kühe und einen Flecken, auf dem sie Mais oder Hirse anbauen. Das Land jedoch gehört dem Staat oder den Stammesgemeinschaften – und kann deshalb auch nicht bei Banken beliehen werden: ein sozialistischer Teufelskreis, der nur selten durchbrochen wird.

Jeffery meint: „Eigentlich sollte die Regierung über jeden kommerziellen Landwirt, der diesen Beruf noch ausüben möchte, froh sein, statt ihn fortzujagen.“ Landwirt zu sein bedeute nicht nur, einen extrem harten Job zu haben, der einen um fünf Uhr in der Früh aus dem Bett treibt; die Landwirtschaft sei heute auch hochtechnisiert und erfordere große Investitionen. Keineswegs sei es so, dass es die unter dem Apartheidsregime Benachteiligten heutzutage locke, wieder aufs Land zu ziehen – im Gegenteil: „Die meisten Menschen leben bereits in den Städten – oder sie möchten dorthin, um einen Arbeitsplatz zu finden.“ Fast 27 Prozent der Südafrikaner sind arbeitslos.

Eine Untersuchung der bisherigen, sehr kläglichen Errungenschaften der Landreform bestätigen die Befürchtungen der Forscher aus Johannesburg. Schon seit die erste ANC-Regierung an die Macht kam, wechselt in Südafrika Land seine Besitzer: Schwarze bekommen, was lange Zeit Weißen gehörte. Dieser Umverteilung liegt der Gedanke zugrunde, dass es unter dem Apartheidsregime keine gerechten Landgeschäfte gegeben haben kann – Schwarzen war es seit 1913 verboten, außerhalb ihrer „Homeland“ genannten Reservate Land zu besitzen. Heute können Gemeinschaften von ehemaligen schwarzen Landbesitzern – beziehungsweise deren Nachkommen – beantragen, ein Stück Land, das mal ihnen gehörte, zurückzubekommen. Der Staat prüft den Antrag, und wenn er ihn bewilligt, nimmt er dem weißen Bauern, der dort inzwischen lebt, das Land ab. Gegen eine Entschädigungszahlung. Die ehemaligen Besitzer können dann entweder das Land nehmen oder verzichten und sich vom Staat auszahlen lassen.

So wurden zwischen 1994 und 1998 rund 79 000 Anträge auf Landübertragung gestellt. 2013 gab der damalige Landreform-Minister Gugile Nkwinti bekannt, dass davon fast alle erfolgreich waren. Nkwinti erwartete, dass sich die Kläger „nun auf das Land stürzen würden“. Doch er irrte sich gewaltig: In nur 5800 Fällen wollten die neuen Herren des Lands dieses tatsächlich auch erhalten – alle anderen bevorzugten Bargeld. Nkwinti erkannte damals eines der Hauptprobleme: „Wir haben kein Landvolk mehr, nur noch Angestellte.“ Während die Gettos in den Städten wachsen, verödet das Land. Jeffery: „Was geschieht, ist schlicht und einfach: Die weißen Farmer verlieren ihr Land und gehen nicht selten fort; die Antragsteller verzichten auf Grund und Boden, so dass dieser dem Staat zufällt; in dessen Händen verrottet er langsam, aber sicher.“

Sollte das Land in Zukunft enteignet werden können, ohne dass die derzeitigen Besitzer dafür entschädigt werden, dürfte es noch weitaus schlimmer kommen. Allein die Androhung dieser Maßnahme versetzt bereits jetzt die Banken in Angst und Schrecken. Bei ihnen sind die südafrikanischen Landwirte derzeit mit rund elf Milliarden Euro verschuldet. Wie die Banken bei einer Enteignungswelle an ihr Geld kommen sollen, steht in den Sternen.

Nach Meinung der Forscher um Jeffery sollte der Staat in die Infrastruktur und Ausbildung investieren anstatt in die Verstaatlichung von Land. Selbst wenn sich Schwarze bereit erklärten, Landwirtschaft zu betreiben, würden sie von der Regierung im Stich gelassen und könnte dann oft nicht erfolgreich wirtschaften. Zudem lägen riesige Flächen fruchtbaren Lands in den Stammesgebieten der früheren Homelands brach.

Jefferys Institut warf schon vor zwölf Jahren in einer von der Friedrich-Naumann-Stiftung unterstützten Studie die Frage auf: „Wenn Menschen, die schon jetzt Zugang zu Land haben, es nicht für die Landwirtschaft nutzen – warum sollten die in Zukunft von der Umverteilung des Lands Begünstigten anders damit umgehen?“ Unklar sei auch, warum zusätzliche Landtransfers nötig sein sollten, wenn jetzt schon Land zugänglich sei und brach liege. Als die Studie veröffentlicht wurde, schwebte eine Verschärfung der Landreform bereits wie ein Damoklesschwert über Südafrikas kommerzieller Landwirtschaft. Nun scheint sie beschlossene Sache zu sein.