Beitrag vom 07.07.2017
Kölner Stadt-Anzeiger
GASTBEITRAG
2017 ist das "Jahr Afrika"
von Prof. Dr. Winfried Pinger
Nach dem Scheitern der bisherigen Entwicklungspolitik müssen Deutschland und die G 20 bei der Korruptionsbekämpfung helfen und Arbeitsplätze schaffen
Eine Zuwanderung von über 900 000 Flüchtlingen wie 2015 nach Deutschland in wenigen Monaten darf und wird sich nicht wiederholen. Diese Zusicherung hat Kanzlerin Angela Merkel gegeben. Gut also, dass die Balkanroute geschlossen ist. Was bleibt, ist die berechtigte Sorge wegen einer Massenflucht aus Afrika über das Mittelmeer. Dabei geht es nicht - wie bei der Flucht aus Syrien -um ein einzelnes Land mit 20 Millionen Einwohnern, sondern um einen Kontinent mit 54 Ländern und einer Milliarde Menschen. Durch das starke Bevölkerungswachstum wird sich die Zahl im Jahre 2050 sogar auf zwei Milliarden Menschen verdoppeln.
Afrika ist nach wie vor gekennzeichnet durch Armut, Elend und Perspektivlosigkeit junger Menschen. Sie haben keinen Arbeitsplatz und keine Beschäftigung. Wenn sich das nicht ändert, werden nicht Hunderttausende, sondern Millionen die Flucht über das Mittelmeer wagen und in Europa ihr Heil suchen.
Diese Entwicklung hat die Kanzlerin klar erkannt. Daher hat sie das Thema "Migration und Afrika" auf die Tagesordnung der Staats- und Regierungschefs der G 20 am 6. und 7. Juli in Hamburg gesetzt. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) tritt für einen "Compact for Africa" ein, und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat den Entwurf eines "Marshallplans mit Afrika" vorgelegt. 2017 ist das "Jahr Afrika".
Minister Müller stellt fest, Afrika brauche jährlich 20 Millionen neuer Arbeitsplätze. Die wichtigste Frage ist deshalb: Wie sollen sie entstehen? Das Elend Afrikas entstand in den vorigen Jahrzehnten durch miserable staatliche Rahmenbedingungen. Minister Müller: "In zu vielen Ländern Afrikas haben korrupte Eliten noch zu viel Einfluss. Eliten, die ihr Geld lieber außer Landes schaffen, statt es vor Ort zu investieren."
Es ist jetzt das Ziel der Bundesregierung, mit Unterstützung der G-20-Staaten verbindliche Vereinbarungen mit einigen Ländern wie Marokko, Elfenbeinküste, Ghana, Ruanda und Äthiopien zu treffen und diesen Ländern zugleich zusätzliche Hilfen zukommen zu lassen.
Es geht dabei vor allem um die Bekämpfung der Korruption und um rechtliche, wirtschaftliche und militärische Sicherheit für die Unternehmen. Das soll es ausländischen, vor allem auch deutschen Firmen endlich ermöglichen, in Afrika zu investieren. Die Veränderung und Verbesserung der Rahmenbedingungen - wie etwa in den nach wie vor kommunistischen Ländern China oder Vietnam - haben gezeigt, in welch großem Ausmaß Arbeitsplätze durch ausländische Investitionen geschaffen werden können.
Ein weiteres Ziel muss es jedoch unbedingt sein, nicht nur ausländischen Unternehmen die Investitionstätigkeit zu ermöglichen, sondern auch die Millionen einheimischer kleinster, kleiner und mittelständischer gewerblicher und landwirtschaftlicher Betriebe in Afrika zu fördern. Das ist zum Beispiel über Zugänge zum Kreditmarkt möglich. Mit der Mikrofinanz in Entwicklungsländern haben inzwischen 200 Millionen Kunden, davon mehr als 90 Prozent Frauen, hervorragende Erfahrungen gemacht.
Ferner ist es dringend erforderlich und möglich, die weltweit anerkannten Kriterien der dualen Berufsausbildung nach deutschem Muster auch in Entwicklungsländern anzuwenden sowie leistungsfähige Selbstverwaltungsorganisationen in kleineren Betrieben zu fördern. Über die eindeutige Priorität der Fördermaßnahmen für kleinere Betriebe gibt es allerdings unter den entwicklungspolitischen Experten der Bundesrepublik weiterhin heftige Debatten - trotz des Scheiterns der bisherigen Politik.
Umso mehr ist zu wünschen, dass sich das derzeitige besondere Interesse an Afrika umsetzt in schnelle, konkrete und durchgreifende Maßnahmen, die der Jugend Perspektiven auf ihrem Kontinent eröffnen.