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Beitrag vom 05.06.2017

NZZ

70 Jahre Marshall-Plan

Afrika liegt nicht in Europa

von Thomas Fuster

Der Marshall-Plan vor 70 Jahren gilt als Erfolg. Übertragbar auf die Probleme Afrikas, wie bisweilen suggeriert, ist er aber nicht.

Die ökonomische Bedeutung des Marshall-Plans, dessen Geburtsstunde sich am Pfingstmontag zum 70. Mal jährt, wird in Rückblenden zwar oft überhöht. Dennoch dürfte unumstritten sein, dass die über 13 Mrd. $ schweren Hilfszahlungen der USA an das kriegsversehrte Europa einen wichtigen Beitrag leisteten für den Wiederaufbau des alten Kontinents. Dieser Erfolg wird von Vertretern internationaler Entwicklungsagenturen oft für ihre Anliegen zu nutzen versucht. Mit Blick auf den Schwarzen Kontinent fordern sie etwa einen «Marshall-Plan für Afrika», wobei die Hoffnung geweckt wird, dass auf diese Weise auch das Problem der Migrationsströme zu lösen wäre.

Doch taugt der Marshall-Plan als Vorbild für Afrika? Braucht es nur ein grosszügig finanziertes Programm, um Afrika zu entwickeln? Wohl kaum. Die afrikanische Ökonomin Dambisa Moyo weist auf wichtige Unterschiede hin: So verfügten die durch den Marshall-Plan unterstützten Staaten Europas vor dem Krieg über funktionierende Institutionen, etwa ein Gerichtswesen oder soziale Einrichtungen. Nach dem Krieg mussten diese nur wieder zum Laufen gebracht werden. Beim Marshall-Plan ging es somit lediglich um einen Wiederaufbau und nicht – wie in Afrika – um die Entwicklung einer wirtschaftlich rückständigen Region.

Der Marshall-Plan war zudem zeitlich begrenzt auf fünf Jahre; hinzu kamen präzise Vorgaben. Das zwang zu einem konzentrierten Vorgehen. Westeuropa verfügte dabei über die Facharbeiter, Ingenieure und Manager, um die Gelder zielgerecht und effizient einzusetzen. Ähnliches ist in Afrika kaum der Fall. Von einem «Marshall-Plan für Afrika» wäre wenig zu erwarten. So mag der Kontinent zwar arm sein an wirtschaftlichen Erfolgen, er ist seit Jahrzehnten aber reich an grandiosen Entwicklungsplänen. Dass sie allzu oft scheiterten, lag selten an einem Mangel an Kapital, eher am Unvermögen der mit den Plänen betrauten Akteure.