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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 03.11.2016

Berner Zeitung

In der Eritrea-Politik braucht es volle Transparenz

Politikredaktor Peter Meier zum Eritrea-Bericht des Bundesrates.

Eritrea ist ein Dauerbrenner in der Asyldebatte. Denn seit Jahren stehen Eritreer mit Abstand an der Spitze der Schweizer Asylstatistik. Längst ist darum ein heftiger Streit darüber entbrannt, wie mit den eritreischen Asylsuchenden und dem autokratischen Regime am Horn von Afrika umzugehen sei.

Das Problem: Gesicherte Fakten über die Zustände im Wüstenstaat sind kaum erhältlich, weil sich die Diktatur abschottet und ausländischen Delegationen den Zutritt zu Gefängnissen und Lagern verweigert. Wie schlimm es wirklich ist, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Asylhardliner, deren Kreise bis weit in die politische Mitte reichen, behaupten, die Lage vor Ort sei gar nicht so schlimm.

Eritreische Asylsuchende müssten nicht zwingend aufgenommen werden, und Rückschaffungen seien grundsätzlich möglich. UNO, EU-Asylagentur und Hilfsorganisationen hingegen kommen übereinstimmend zum Schluss, dass Eritrea einer der repressivsten und am stärksten militarisierten Staaten der Welt sei, in dem Menschenrechtsverletzungen, Folter, Sklaverei an der Tagesordnung seien.

Tatsache ist, dass seit Jahren kein europäischer Staat Flüchtlinge zurückschickt, weil niemand für deren Unversehrtheit garantieren kann.

Die Schweizer Eritrea-Politik ist geprägt von dieser Diskrepanz. Sie ist wenig kohärent, mitunter gar völlig widersprüchlich, wie sich am Verhalten des Bundesrates festmachen lässt. So empört sich etwa Aussenminister Didier Burkhalter über die «Verharmlosung» des eritreischen Regimes.

Und Justizministerin Simonetta Sommaruga geisselt Eritrea gar als «Diktatur, Unrechts- und Willkürstaat», weshalb es «undenkbar» sei, Menschen dorthin zurückzuschicken. Beides ist zwar moralisch korrekt, passt aber nicht zur praktizierten Politik. Denn zugleich erhöht Sommaruga mit dem Segen des Bundesrats die gesetzlichen Asylhürden für Eritreer und verschärft laufend die Aufnahme- und Wegweisungspraxis für sie – zuletzt in diesem Sommer.

Gewiss: Der Bundesrat steht unter Druck. Die Politik fordert eine klare Eritrea-Strategie mit dem Ziel, die Zahl der Flüchtenden einzudämmen und abgewiesene Asylsuchende zurückzuschicken. Deshalb ist es richtig, alle Möglichkeiten auszuloten, um die Lage vor Ort zu verbessern.

Die Frage ist, wie stark man dafür mit dem Despoten kooperieren will. Doch gerade hier legt der Bundesrat nicht alle Karten auf den Tisch. In seinem ges­trigen Bericht nennt er nur unbedenkliche Entwicklungsprogramme und Bedingungen.

Mit keinem Wort erwähnt er aber, was deutsche Medien 2015 enthüllten: EU-Projekte, in die Bern involviert ist – und die das eritreische Regime stärken wollen, damit es die Menschen wirkungsvoll an der Flucht nach Europa hindert.

Über die Rolle der Schweiz und das Ausmass der Kooperation muss der Bundesrat zwingend Transparenz schaffen. Nur so können Politik und Öffentlichkeit entscheiden, ob der Zweck die Mittel heiligt.