Beitrag vom 13.09.2016
GIGA Focus Sept. 2016
Der Brexit jenseits der Grenzen Großbritanniens: Seine Folgen für Afrika
Nadine Ansorg, Toni Haastrup
Das Ergebnis des Referendums zum Austritt aus der EU vom 23. Juni 2016 in Großbritannien und Nordirland hat weitreichende geopolitische, ökonomische und soziale Implikationen für Afrika. Das gilt insbesondere für die bilateralen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und Afrika sowie die interregionalen Beziehungen zwischen Afrika und der Europäischen Union.
Insbesondere die Länder, die am stärksten vom Handel mit dem Vereinigten Königreich abhängig sind, Nigeria, Südafrika, Ägypten und Kenia, werden unter einer möglichen Rezession in Großbritannien leiden. Diese Länder werden auch die Ungewissheit zu spüren bekommen, die mit einer – unter Umständen jahrelangen – Neuverhandlung von Wirtschaftspartnerschaftsabkommen einhergeht.
Eine Rezession in Großbritannien würde zudem die Fähigkeit des Landes infrage stellen, sein Bekenntnis zur Entwicklungshilfe umzusetzen. Es gibt erste Anzeichen dafür, dass die neue Regierung in Zukunft eher die Handelsbeziehungen stärken wird, statt dort zu helfen, wo der Bedarf am größten ist.
Die Staaten Afrikas werden einen wichtigen Fürsprecher innerhalb der EU verlieren, was zu einem Klima der Unsicherheit in den ökonomischen Beziehungen führen wird. In der Vergangenheit hat sich Großbritannien immer wieder für eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU eingesetzt, auch wenn es keine substanziellen Veränderungen durchsetzen konnte.
Der Rückzug Großbritanniens aus der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU wird sich auf die sicherheitspolitischen Maßnahmen der EU in Afrika auswirken. Er betrifft auch die Finanzierung der Afrikanischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur durch die EU und damit die generelle Fähigkeit der Geber, die dringend benötigte Unterstützung in diesem Sektor aufrechtzuerhalten.
Der Brexit stellt das europäische Integrationsprojekt sowie die Glaubwürdigkeit der EU bei der Förderung regionaler Integration infrage. Gleichzeitig ist er aber auch ein Lehrbeispiel für Dynamiken und Prozesse regionaler Integration in Afrika.
Fazit
Das Ergebnis des Referendums und die unmittelbar folgenden Ereignisse, insbesondere die Ernennung der neuen Regierung unter Premierministerin Theresa May, können politische Beobachter in Afrika nicht hoffnungsvoll stimmen. Während sich die Regierung auf die Sicherung kurzfristiger ökonomischer Vorteile konzentrieren wird, werden afrikanische Staaten sich zunehmend an neue Partner für Handel und Entwicklungszusammenarbeit wenden, wie China, Brasilien und Indien. Die Staaten der EU werden den Austritt Großbritanniens durch ein stärkeres Engagement in Afrika im Bereich Handel, Entwicklung und Sicherheitspolitik ausgleichen müssen.
Langfassung (engl.):
https://www.giga-hamburg.de/de/system/files/publications/gf_afrika_1603…