Beitrag vom 20.07.2016
eigentümlich frei
Chinas Engagement in Afrika: Die Aktivität Pekings macht die Eliten besorgt
Volker Seitz
Hilfe oder Kolonialpolitik?
Chinas AfrikaPolitik wird von wirtschaftlichen und strategischen Interessen geleitet.
Chinas Engagement in Afrika steht unter dem Aspekt der Rohstoffsicherung und der
Erschließung von Absatzmärkten. Die Kritik wird auch in Afrika lauter, dass China nur
Afrikas Rohstoffe ausbeute und Entwicklungshilfe vernachlässige. Chinas
bedingungslose Hilfe gefährdet die Bemühungen der EU um gute Regierungsführung,
Demokratisierung und Achtung der Menschenrechte. Zwar versuchen die Chinesen,
Geschäft und Politik strikt zu trennen, aber sie stützen auch Regime, die politisch
unterdrücken und Menschenrechte missachten. Chinas Demokratieverständnis deckt
sich mit dem westlicher Staaten nur bedingt. Auf dem afrikanischen Kontinent gibt es
die eine oder andere Regierung, die Interessenten aus Ost und West erfolgreich
gegeneinander in Stellung bringen kann.
Afrikas Herrscher schätzen China als Partner
China zeige „mehr Achtung vor Kulturunterschieden“ und stelle keine Forderungen.
Gemeint ist der Aufbau eines ordentlichen Rechtswesens oder eines funktionierenden
Parlaments. Chinesische Entwicklungshilfe in Afrika fließt nach Untersuchungen der
RuprechtKarlsUniversität Heidelberg oft in die Heimatregionen führender
afrikanischer Politiker. Das Team mit Wissenschaftlern aus den USA, der Schweiz,
Australien und Deutschland hat in seiner Forschungsarbeit rund 2.000 chinesische Entwicklungshilfeprojekte an mehr als 3.500 Orten in Afrika untersucht. Die Forscher
haben außerdem die Daten zu Geburtsort und Ethnie von 117 führenden
afrikanischen Politikern ermittelt. Sie konnten zeigen, dass die Geburtsregionen von
Staatsführern überproportional von der Entwicklungshilfe profitieren. Nach Angaben
von Axel Dreher, Professor für Wirtschafts und Entwicklungspolitik in Heidelberg,
fließen dorthin durchschnittlich 270 Prozent mehr finanzielle Mittel als in andere
Gebiete. In China gelten nicht Bürgerrechte noch Unabhängigkeit der Justiz, deshalb
ist dies auch bei den Beziehungen zu afrikanischen Staaten kein Thema.
Staatlich gelenkt sichern sich chinesische Firmen in Afrika Rohstoffe wie Erze,
Metalle, Öl und Gas sowie Ackerland. Afrikas Staaten verdanken ihre ansehnlichen
Exporte vor allem dem Hunger Chinas nach Rohstoffen. Peking gewährt den Ländern
Afrikas günstige Kredite zu einem niedrigen Zins. Dafür bekommt es den Zugang zu
den Bodenschätzen, und chinesische Unternehmen bekommen Verträge für die
Umsetzung großer Infrastrukturprojekte vor Ort. Bevorzugte Partnerländer sind für
China der Sudan, Angola und Nigeria (Öl), Südafrika (Kohle, Platin), Kongo/Kinshasa
und Sambia (Kobalt und Kupfer).
Weil die Arbeitsethik vor Ort anders ist als die chinesische, werden Arbeitskräfte gleich
mitgebracht. Wenn denn doch Afrikaner beschäftigt werden müssen, gibt es – laut
afrikanischen Medien – gerade so viel Arbeitsschutz und Umweltschutz, wie es die
laxen örtlichen Vorschriften erfordern. Allerdings verarbeitet China keinen der in Afrika
gewonnenen Rohstoffe, sei es Öl, Kupfer oder Eisenerz, an Ort und Stelle, wie der
südafrikanische Handels und Industrieminister Ray Davies bemängelt.
Afrika dient nicht nur als Rohstofflager, sondern wurde auch als Absatzmarkt für
chinesische Produkte erschlossen. China liefert Massenprodukte, die einen
verheerenden Effekt auf die wenigen afrikanischen Industrien haben. Chinesische
Unternehmen werden für ihre Mängel beim Umwelt und Arbeitsschutz kritisiert. Aber
auch in China spielt Umweltverträglichkeit selten eine Rolle. Warum sollte dies in
Afrika anders sein? Da es kaum Gesundheits- und Sicherheitskontrollen gibt, ist Afrika
der ideale Absatzmarkt für billige Massenprodukte, die andernorts
Verbraucherschützer beschäftigen. Die Schwemme billiger Konsumgüter aus China
zwingt nationale Industrien in die Knie. Da der Import zunehmend über chinesische
Händlernetzwerke abgewickelt wird, geht er zudem zu Lasten lokaler
Kleinhändlerinnen und händler.
Bei der chinesischen Hilfe – etwa dem Bau von Infrastruktur, Sportstätten, Amtssitzen,
Flughäfen, Ministerien, Kongresszentren, Luxushotels – sehe ich positiv, dass die
Hilfe rasch und unbürokratisch bereitgestellt wird. Vor allem bauen Chinesen rasch,
und sie haben viel Erfahrung. Die eingesetzte chinesische Technik kommt den
Anforderungen in einem Entwicklungsland oft näher als westliche Hochtechnologie.
Chinesische Firmen führen die Projekte zielgerichtet durch, es werden chinesische
Produkte benutzt. Im Gegenzug für die genannten Entwicklungsgeschenke zeigen
sich afrikanische Staatschefs aber aufgeschlossen für die Interessen Chinas.
Der frühere Chef der Zentralbank von Nigeria, Lamido Sanusi, hat in der „Financial
Times“ Peking Kolonialpolitik vorgeworfen. Er schrieb, dass China immer noch
irrtümlicherweise als Entwicklungsland gilt und die Länder Afrikas ihm mehr als dem
Westen vertrauten, obwohl es lange keine Gründe mehr dafür gibt. Der Nutzen der Partnerschaft mit China sei öfters zweifelhaft. Die Infrastrukturprojekte Chinas in Afrika, vor allem in Angola, der Demokratischen Republik Kongo, Ghana, Nigeria und Simbabwe würden mit den Händen von chinesischen Arbeitern umgesetzt und nicht denen der örtlichen Einwohner.
Versuch einer Imageverbesserung
Um der wachsenden Kritik zu begegnen, hat der staatliche Fernsehsender CCTV sein
Korrespondentennetz in Afrika stark ausgeweitet und umwirbt afrikanische Journalisten. Mit Stipendien für Studenten aus Afrika will Peking sein Image auf dem Kontinent verbessern. Die Absolventen sollen „objektive Fakten“ über China verbreiten. Derzeit studieren nach offiziellen Angaben 33.000 afrikanische Studenten in China, etwa ein Fünftel der gesamten Anzahl der Auslandsstudenten in China.
Afrika könnte China kopieren
Kreative Ideen müssen nicht immer neu entstehen. Oft hilft es, sich nach dem umzuschauen, was woanders bereits erfunden wurde und dort gut funktioniert. Sinnvoll wären eine moderne Investitionsgesetzgebung und die Schaffung von Sonderwirtschaftszonen für ausländische Investoren. Der technische Fortschritt
könnte wie in China dadurch erreicht werden, dass durch das Kopieren reicherer Länder Entwicklungsschritte übersprungen werden. Es gäbe angesichts der massenhaft verfügbaren billigen Arbeitskräfte Möglichkeiten, wenn sich ausländische Investoren und Afrikaner aus der Diaspora fänden.
Die afrikanische Diaspora zählt
vermutlich 100 Millionen Menschen, eine Quelle von Wissen und Talent. Ihre
Rückkehr könnte Ideen und Kapital für den Start neuer Unternehmen bringen. Sie
hätten das Expertenwissen und Geschäftsmodelle aus der industrialisierten Welt.
Geld ist vorhanden. Afrikas Milliardäre und Millionäre investieren allerdings bisher
nicht in den eigenen Ländern: 700 Milliarden Dollar sind außerhalb des Kontinents
geparkt. Engagierte und leistungswillige junge Menschen sehen in ihren Ländern ohne
Rechtssicherheit keine Perspektiven und verlassen sie, wie wir täglich im
Mittelmeerraum erleben müssen, unter unwürdigen Bedingungen.
„Chocolate City“
Auch die Zahl der Afrikanerinnen und Afrikaner, die in China leben oder Geschäfte
machen, steigt stark an. Besonders in der drittgrößten Stadt Chinas, in Guangzhou,
haben sich viele Afrikaner niedergelassen. Aus der „Fabrik der Welt“ verschiffen
afrikanische Händler billige Waren nach Afrika, tägliche Konsumgüter, die in ihren
eigenen Ländern nicht produziert werden. Ende der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts
kamen die ersten Afrikaner nach Guangzhou, wobei ihre erste Anlaufstelle der
CanaanKleidermarkt war. Die Menschen von Guangzhou haben diesem Gebiet den
Spitznamen „Chocolate City“ gegeben.
Die Ausweitung des Exporthandels der Afrikaner hat auch afrikanische Restaurants,
afrikanische Logistikunternehmen, afrikanische Zwischenhändler und andere
unterstützende Unternehmen hervorgebracht. Afrikanische Geschäftsleute haben, wie
umgekehrt Chinesen nach Afrika, afrikanische Arbeiter und afrikanisches
Dienstpersonal mitgebracht.
Geschäftsumfeld wird schwieriger
Je mehr China sich als dominanter Partner herausstellt, desto schwieriger wird das
afrikanische Geschäftsumfeld für China. Der chinesische Staat drängt mit aller Macht
in den afrikanischen Markt, indem er seine Unternehmen subventioniert. Afrikanische
Geschäftsleute kritisieren immer öfter das hohe Aufkommen von Schmuggel und
Fälschungswaren. NichtChinesen seien demgegenüber nicht mehr konkurrenzfähig.
In Duala habe ich beobachtet, dass Chinesen zu konkurrenzlos günstigen Preisen
Krapfen verkaufen und damit armen Afrikanerinnen den Lebensunterhalt streitig
machen. Die guten Beziehungen zwischen China und Afrika auf Regierungsebene
übertragen sich nur schwer auf die Bevölkerung. Die Kritik wächst. Vor einigen Jahren
herrschte in China mit Bezug auf Afrika eine wahre Goldgräberstimmung. Das ändert
sich. Chinesische Unternehmer, ob staatlich, halbstaatlich oder autonom agierende
Akteure, stehen vor ähnlichen Schwierigkeiten wie westliche Firmen. Auch Chinesen
wurden in Nigeria und Niger gekidnappt. Genau wie westliche Regierungen gibt das
chinesische Außenministerium auf seiner Internetseite Reisewarnungen aus.