Beitrag vom 06.07.2016
n-tv.de
Visa-Freiheit für 54 Staaten
Afrika bekommt einheitlichen Pass
Mit einem ambitionierten Projekt will die Afrikanische Union die politische Integration auf dem Kontinent vorantreiben: Ein gemeinsamer Pass soll für alle 54 Staaten des Kontinents gelten und Visa-Angelegenheiten unnötig machen - und das schon ab 2018.
Während sich auf dem europäischen Kontinent nach dem Brexit-Referendum der Briten Auflösungsängste verbreiten und über die Zukunft der Europäischen Union debattiert wird, bereitet die Afrikanische Union (AU) einen entscheidenden Schritt zu mehr Einigkeit auf dem Kontinent vor: Die Organisation will bis 2020 einen Afrikanischen Pass etablieren, der visafreie Reisen in allen 54 Mitgliedsstaaten der AU ermöglichen soll. "Dieses Vorzeigeprojekt hat das Ziel, Reisen und die Freizügigkeit von Gütern und Dienstleistungen deutlich zu vereinfachen", erklärt die Organisation in einem Statement
(http://au.int/en/pressreleases/30770/african-union-set-launch-e-passpor…).
Das neue Dokument soll beim AU-Gipfel in der ruandischen Hauptstadt Kigali vorgestellt werden, der vom 10. bis zum 18. Juli stattfindet. Zunächst sollen Staatsoberhäupter und hohe Beamte der Mitgliedsstaaten einen Afrikanischen Pass bekommen. Ab 2018 will die Organisation den Ausweis an die Bürger ausgeben. Die Freizügigkeit innerhalb Afrikas ist ein lang anvisiertes Ziel der Mitgliedstaaten und war bereits Teil des Abuja-Abkommens von 1991, das die Vorgängerorganisation der AU, die Organisation Afrikanischer Staaten (OAS) geschlossen hatte. Der gemeinsame Pass soll nun visafreie Reisen von Kairo bis Kapstadt möglich machen.
Zweifel an Umsetzbarkeit
Der Direktor für politische Beziehungen der AU, Dr. Khabele Matlosa, glaubt, die offenen Grenzen werden tiefgreifende Auswirkungen vor allem für geringverdienende Arbeiter haben. "Wir haben im Moment das Problem, dass junge Menschen ihr Leben aufs Spiel setzen, um die Sahara zu durchqueren oder auf Schiffen nach Europa reisen", sagte Matlosa dem US-Nachrichtensender CNN (http://edition.cnn.com/2016/07/05/africa/african-union-passport/index.h…).
"Wenn wir die Möglichkeiten hier in Afrika verbessern, reduzieren wir dieses Risiko." Matlosa gestand dem Sender ein, dass eine flächendeckende Verbreitung des Ausweisdokumentes bis 2018 ambitioniert sei. Möglicherweise könne es auch zu mehreren Jahren Verspätung kommen, bis der Pass an alle Bürger ausgegeben sei.
Zweifel hat auch David Zounmenou vom Washingtoner Institut für Sicherheitsstudien an der Umsetzbarkeit bis 2018. "Nicht alle Staaten Afrikas sind auf dem gleichen technischen Entwicklungsstand, der für die biometrischen Systeme benötigt werden, um die Bürger zu erfassen", so der Forscher gegenüber CNN. "Der Zeitraum ist zu kurz. 2020 wäre realistisch." Zounmenou fügt hinzu, dass die engere Zusammenarbeit der Staaten innerhalb der AU die Union vor Probleme stellen könnte, die aus Europa bekannt sind: Die wirtschaftlich starken Staaten, die sich über kleinere Staaten hinwegsetzen. "Nicht jedes Land wird da mitmachen", lautet seine Einschätzung. "Denn Visa-Einnahmen sind für manche Staaten wichtige Einnahmequellen, die nicht verschwinden werden, bis es einen Ausgleich dafür gibt", so Zounmenou.
Etwas neues ist ein Pass für mehrere Staaten auf dem afrikanischen Kontinent nicht. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft gibt einen Pass heraus, der für alle 13 Mitgliedsstaaten der Organisation gültig ist und das Reisen in der Region erleichtern soll.