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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 18.06.2016

FAZ

Der Globalisierer

Amadou Diallo lebt und verkörpert die Globalisierung. Für den Vorstandschef von DHL Fracht führt der Weg aus der Armut über Bildung und internationalen Handel.

Amadou Diallo verkörpert die Globalisierung. Im Senegal gebürtig, arbeitet er heute als Vorstandsvorsitzender von DHL Freight in einer zum Konzern der Deutschen Post gehörenden Gesellschaft, die im globalen Frachtgeschäft tätig ist. Dazwischen verbrachte der heute 51 Jahre alte Topmanager viele Jahre in anderen Ländern. Zur Deutschen Post kam Diallo im Jahr 1996, als der deutsche Logistikkonzern eine Gesellschaft in den Niederlanden kaufte, für die der Senegalese damals arbeitete.

Für seinen neuen Arbeitgeber verbrachte Diallo zwischendurch lehrreiche Jahre in Frankreich, in Großbritannien und in Singapur, wo er neben dem Geschäft in Südostasien auch Präsenzen in afrikanischen Ländern aufbaute. Seit 2011 ist Diallo, der sechs Sprachen spricht, Vorstandsvorsitzender mit einem Büro in Bonn, aber nach wie vor befindet er sich viel auf Reisen.

Diallo verkörpert nicht nur die Globalisierung, sondern er lebt sie aus Überzeugung. Bildung heißt für ihn das Zauberwort, das es auch Menschen in armen Regionen ermöglicht, ein erfülltes Leben zu führen. Von den Menschen in den reichen Ländern erwartet Diallo keine finanzielle Hilfen für die Armen, sondern vor allem Respekt für jene Menschen, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen, und Verständnis für das Leben in fernen Regionen.

Der Senegalese stammt aus einem kleinen Ort im Süden seines Heimatlandes, und anfangs mochte nicht viel auf seine spätere Karriere deuten. Seine Großeltern waren Hirten, sein Vater ein fahrender Schuhverkäufer. Der junge Diallo erhielt die Gelegenheit, eine Universität zu besuchen, und gab so seiner Karriere einen Schub.

In den reichen Ländern gibt es viele Kritiker, die sich an den im Vergleich optisch sehr niedrigen Löhnen in armen Ländern stören. Diallo erinnert diese Kritiker an die ökonomische Binsenweisheit, dass nicht die nominale Lohnhöhe entscheidend ist, sondern die Kaufkraft des Geldes in den jeweiligen Ländern. In einer Industrienation reicht ein Lohn von 1,50 Euro je Stunde nicht zum Leben. "Aber im Senegal kann man für 1,50 Euro ziemlich viele Fische kaufen", hält Diallo Kritikern entgegen. Und Lebensfreude, so führt er weiter aus, beschränke sich ohnehin nicht auf materiellen Reichtum.

Noch eine weitere Botschaft hält er Kritikern der Globalisierung entgegen: Die Präsenz westlicher Unternehmen in armen Ländern bietet Menschen dort Gelegenheit zur Arbeit. Und auch wenn die dortigen Einkommen aus westlicher Sicht optisch nicht hoch sein mögen, schafften sie in armen Ländern Einkommen und Kaufkraft, von denen weitere Menschen profitieren.

Schritt für Schritt entstehe so ein wirtschaftliches Potential und die Aussicht auf ein besseres Leben. Denn mit den Einkommen steigen die Möglichkeiten, Bildung zu erlangen. Und damit ist Diallo bei einem seiner Lieblingsthemen: Bildung sei der Weg aus der Armut, aber sie müsse auch honoriert werden. Dass Afrikaner mit Studienabschluss in Deutschland und anderen Ländern manchmal nur eine Tätigkeit als Taxifahrer ausüben können, empfindet er als Verschwendung wichtiger Ressourcen.

Nach vielen Jahren in Deutschland könnte Diallo wohl einen deutschen Pass erhalten. Und er räumt auch ein, gelegentlich wie ein Deutscher zu denken, weil die Menschen nun einmal von ihrer Umwelt geprägt werden. Aber im Grunde seines Herzens ist Diallo Senegalese geblieben, und so kommt es für ihn nicht in Frage, seine Staatsangehörigkeit zu wechseln. Diallo ist daneben Vorsitzender der Hilfsorganisation Amref, die ihr Betätigungsfeld in Afrika hat, aber nicht einfach Geld verteilen will, sondern Hilfe zur Selbsthilfe anbieten möchte.

Ihn stört, dass im Westen viele Menschen mit dem afrikanischen Kontinent in erster Linie Armut und Katastrophen verbänden. In Afrika lebten viele glückliche und engagierte Menschen, hält Diallo entgegen. Und wenn sie ihr Leben in die Hand nehmen und eine Chance erhalten, können sie es, wie das Beispiel Amadou Diallos zeigt, auch nach westlichen Maßstäben sehr weit bringen.

GERALD BRAUNBERGER