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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 09.06.2016

Tages-Anzeiger, Zürich

Rohe Eier und Rohöl

Isabel dos Santos, die reichste Frau Afrikas, wird noch reicher.

Johannes Dieterich

Dass sie schon heute Afrikas reichste Frau ist, hat Papa offenbar nicht ausgereicht. Angolas Präsident Eduardo dos Santos, mit 36 Amtsjahren einer der hartnäckigsten Staatschefs des Kontinents, machte seine Tochter Isabel nun auch noch zur Generaldirektorin der staatlichen Erdölgesellschaft Sonangol: ein Job, der unter Kennern der südwestafrikanischen Nation als – gleich nach dem Präsidentenamt – mächtigste Position in dem erdöltriefenden Land gilt. Forbes schätzt den Reichtum der attraktiven 43-Jährigen auf 3,3 Milliarden Dollar: Sie hat Beteiligungen im Erdöl-, Diamanten-, Banken-, Medien- und Telekommunikationsgeschäft.

Die Präsidententochter brüstet sich damit, dass ihr Wohlstand allein unternehmerischem Talent zu verdanken sei: Sie habe ihre Karriere als unabhängige Geschäftsfrau bereits im zarten Alter von sechs Jahren mit dem Verkauf von rohen Eiern begonnen. Ihr Reichtum sei weder staatlichen Mitteln noch öffentlichen Geldern zuzuschreiben, versicherte sie.

Alles bleibt in der Familie

Rafael Marques de Morais, der wegen seiner Enthüllungen mehrere Male im Gefängnis sass, ist anderer Meinung. In einem Beitrag für die Website «Maka Angola» legte der Journalist jüngst dar, dass Isabel dos Santos’ Reichtum vor allem ihrer Beteiligung an der portugiesischen Erdölgesellschaft Galp Energia zuzuschreiben sei: Und diese sei allein mithilfe des Sonangol-Konzerns zustande gekommen. Über eine Frontfirma habe der Erdölkonzern fast die Hälfte des 1,6-Milliarden-Dollar-Anteils der Präsidententochter finanziert, den diese niemals zurückgezahlt habe.

Sonangol gilt als Selbstbedienungsladen der Elite.

Mit Isabels Aufstieg an die Spitze von Sonangol bleibt nun ohnehin alles in der Familie. Sonangol gilt schon seit langem als Selbstbedienungsladen der Elite. Auch seinen Söhnen hat der 73-jährige Dauerpräsident wetterfeste Positionen verschafft. José Filomeno ist Geschäftsführer des staatlichen Wohlfahrtsfonds, der die Milliarden des derzeit grössten afrikanischen Erdölproduzenten anlegt. Und dessen Brüder Welwitchea José und José Paulino besitzen eine von staatlichen Aufträgen gesegnete Kommunikationsagentur. Tritt der Präsident, wie angekündigt, in zwei Jahren ab, ist durchaus denkbar, dass seine Tochter übernimmt. Allerdings hat der Papa schon öfters seinen Abgang angekündigt, ohne sein Versprechen einzuhalten.

Angola steckt in einer Wirtschaftskrise

In der Zwischenzeit will sich Isabel dos Santos nach eigenen Worten ausgerechnet darum kümmern, dass Sonangol «transparenter» wird. Der Staatsriese soll ausserdem «global» tätig werden, was angesichts seiner vom niedrigen Ölpreis geleerten Kassen keine geringe Herausforderung darstellt. Angola steckt derzeit in einer Wirtschaftskrise: Im vergangenen Jahr musste ein Viertel des Staatshaushalts eingespart werden. Das trifft allerdings weniger die Milliardenqueen als den gemeinen Angolaner, der mehrheitlich mit zwei US-Dollar am Tag auskommen muss.