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Beitrag vom 20.05.2016

Die Tagespost

Medikamente vom Himmel

In Ruanda transportieren künftig Drohnen Blutkonserven oder Impfstoffe.

Von Carl-Heinz Pierk

Unbemannte Flugobjekte schwirren über Ruandas Bergketten, sie transportieren Notfall-Medizin. Es klingt wie Science-Fiction – doch ab Juli soll eine Flotte von Flugdrohnen die medizinische Versorgung in dem ostafrikanischen Land verbessern. Die Drohnen sollen Medikamente oder Blutkonserven an rund zwanzig Gesundheitszentren und Krankenhäuser liefern.

Die kleinen Drohnen, die wie Mini-Flugzeuge aussehen, können ein Gewicht von bis zu 1,5 Kilogramm transportieren. Auf einer SIM-Card wird die Flugroute gespeichert, der die Drohnen folgen. Am Zielort werfen die Drohnen einen kleinen Container, der mit den Medikamenten und Blutproben beladen und an einem Fallschirm befestigt ist, ab.

In den kommenden Jahren werden zunächst drei Drohnenflughäfen (so genannte Droneports) in Ruanda entstehen, von denen aus dann knapp die Hälfte des Landes per Drohne erreichbar sein soll. Später könnte dieses Netz noch ausgebaut werden – auch für größere Drohnen. Das Londoner Büro von Norman Foster (unter anderem bekannt für die gläserne Reichstagskuppel in Berlin) soll die Drohnen-Flughäfen entwerfen und bauen. Im Jahr 2020 soll der erste Drohnenflugplatz fertig sein und Platz für eine Krankenstation, eine Post und einen Kurierdienst bieten. Zwei Drohnensysteme sollen von dort operieren: die kleinere „Redline“ für Medikamente und die größere „Blueline“ für kommerzielle Zwecke.

Ruanda ist nicht nur eines der kleinsten, sondern auch eines der am dichtesten besiedelten Länder Afrikas. Traditionell siedeln die Menschen nicht in Dörfern. Auf dem Land lebt man in Einzelgehöften. Die Hütte ist dabei umgeben vom Feld und gegebenenfalls vom Stall und der Weide für das Vieh. Der gravierende Nachteil ist, dass die Menschen schwer zu erreichen sind. Sie mit Infrastruktur zu versorgen, wie etwa mit Wasser, Strom und Schulen, ist besonders schwierig. Zudem hat das „Land der tausend Hügel“ keinen Meerzugang und keine Eisenbahn. Das ruandische Straßennetz gilt zwar als eines der dichtesten in Afrika, doch nur die Hauptstraßen sind geteert. Der Großteil des Straßennetzes besteht aus unbefestigten Straßen. Hinzu kommt die hügelige Landschaft, die gerade bei Lastkraftwagen zu hohem Kraftstoffverbrauch und häufigen technischen Problemen führt. Dringend benötigte Medikamente, Blutkonserven oder Impfstoffe benötigen in Ruanda oft Wochen oder gar Monate, bis sie ihren Empfänger erreichen. Oft ist es dann bereits zu spät. Auch Impfstoffe und Blutproben verderben unterwegs, weil die Kühlkette nicht eingehalten werden kann.

Hinter dem Drohnen-Projekt steht das Silicon-Valley-Start-up Zipline, das mit der ruandischen Regierung zusammenarbeitet und im Juli 2016 mit dem Flugbetrieb beginnen soll. Die Firmengründer haben dazu ein Team aus Luftfahrt- und Robotikexperten zusammengestellt. Großinvestoren stellten insgesamt 18 Millionen US-Dollar bereit. Das Unternehmen Zipline hofft, die bessere medizinische Versorgung bald auch andern Entwicklungsregionen anzubieten, wo die Not groß und die regulatorischen Hürden niedriger sind als in Europa und den Vereinigten Staaten.

Eine Drohne als medizinischer Transporthelfer, das gab es bereits in Deutschland. Für eine optimale Arzneiversorgung im äußersten Nordwesten der Bundesrepublik transportierte im Herbst 2014 im Rahmen eines Pilotprojektes eine Drohne Notfall-Medikamente vom Festland zur „Seehund“-Apotheke der ostfriesischen Insel Juist. Der normale Medikamenten-Transport zur autofreien Insel erfolgt von Norddeich aus per Kleinflugzeug – wenn es die Flugbedingungen zulassen. Wenn nicht, kommen die Medikamente auch per Schiff. Das Drohnen-Experiment der Bonner Posttochter DHL Express Germany GmbH mit der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen bestand aus knapp zwanzig Flügen. Der Paketkopter mit vier elektrisch betriebenen Rotoren flog die Route über das Wattenmeer automatisch ab. Je nach Wind benötigte er für die zwölf Kilometer lange Strecke zur „Seehund“-Apotheke auf der Insel rund 16 Minuten. Dabei musste allerdings aus Sicherheitsgründen jeder einzelne Flug angemeldet werden. Auch wenn einige Internetfirmen im Befördern von Paketen mit Drohnen einen Zukunftsmarkt sehen, konkrete Pläne für einen Regelbetrieb von DHL-Paketkoptern gibt es (noch) nicht. Für Ruanda aber, das erste Land weltweit, das Drohnen im Gesundheitssystem einsetzt, können sie unentbehrliche Lebensretter am Himmel sein.