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Beitrag vom 01.05.2016

GIGA Focus Afrika

Afrikas neue Mittelschicht: Fakten und Fiktionen ihrer transformativen Kraft

Lena Giesbert, Simone Schotte

Afrikas neue Mittelschicht ist zu einem zentralen Thema in der Entwicklungsdebatte geworden. Sie gilt als Garant für Wirtschaftswachstum, politische Stabilität und demokratische Konsolidierung. Viele der jüngsten (teilweise erfolgreichen) Proteste und Versuche, alternde, sich an die Macht klammernde Präsidenten aus dem Amt zu jagen, wurden in den Medien mit dem Aufstieg einer afrikanischen Mittelschicht in Verbindung gebracht.

• Nach zehn Jahren starken Wachstums weitgehend ohne die Entstehung neuer Arbeitsplätze stehen die Angehörigen der aufstrebenden afrikanischen Mittelschicht größtenteils immer noch am Rand zur Armut. Es herrscht zunehmend Einigkeit darüber, dass Größe und Kaufkraft afrikanischer Verbrauchermärkte übertrieben dargestellt worden sind.

• Auch können steigende Einkommen und sinkende Armutsraten nicht ohne Weiteres mit der Entstehung einer politisch bewussten Mittelschicht gleichgesetzt werden, die Demokratie und gute Regierungsführung unterstützt.

• Die künftige wirtschaftliche und politische Transformationskraft der afrikanischen Mittelschichten hängt ab von a) ihrem Potenzial zur Herausbildung einer gemeinsamen Klassenidentität über ethnische und historische Bande hinweg; b) ihrer wirtschaftlichen Unabhängigkeit von staatlicher Unterstützung; c) dem politischen Engagement ihrer höher gebildeten Angehörigen; und c) der Vereinbarkeit ihrer politischen Eigeninteressen mit den Bedürfnissen der breiten Bevölkerung.

• Die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Verringerung fortbestehender Ungleichheiten bleiben zentrale Herausforderungen, denen sich Afrikas Regierungen stellen müssen, um ein Abrutschen der unteren Mittelschichten zurück in die Armut zu verhindern.

Fazit:
Afrikas neue Mittelschicht ist kein homogener Akteur, sondern eher ein Mosaik verschiedener Gruppen. Am unteren Rand der Mittelschicht lässt sich eine politisch bewusste Gruppe junger, städtischer Bürger identifizieren, die sich immer lauter artikuliert und deren politische Aktivitäten hauptsächlich durch Frustration angetrieben werden. Angehörige der Mittelschicht am oberen Rand sind demgegenüber politisch eher inaktiv und haben ein Eigeninteresse an der Aufrechterhaltung des Status Quo; die großen Hoffnungen auf ihr Reformpotenzial könnten sich als ungerechtfertigt erweisen.