Beitrag vom 16.04.2016
Welternährung (Dt. Welthungerhilfe) I/2016
Der abgebrochene Aufbruch
Wahlen sind in Afrika oft nur eine Schauveranstaltung – Gewalt statt Wandel ist häufig die Folge
In 20 afrikanischen Ländern wird in diesem Jahr gewählt. Aber kaum jemand hofft auf Wandel. Stattdessen fürchten viele, dass im Umfeld der Wahlen politische Gewalt eskaliert. Denn staatliche
Sicherheitskräfte gehen vielerorts massiv gegen Oppositionelle vor, viele Regierende wollen nicht weichen.
Von Bettina Rühl
Kurz vor der Präsidentschaftswahl in Uganda stellte Amtsinhaber Yoweri Museveni Anfang Februar die Neuauflage seiner Autobiografie vor. Erstmals war »Sowing the Mustard Seed« (»Das Senfkorn säen«) 1997 erschienen. Er wolle der ugandischen Jugend die Geschichte ihres Landes nahebringen, sagte der heute 71-Jährige über die Neuauflage. Mit 30 Amtsjahren ist er selbst ein Stück
Geschichte und einer der Dienstältesten Staatschefs des Kontinents.
Nur einen Regenten erlebt
In einem Kapitel seines Buchs weist er die Idee einer Begrenzung von Amtszeiten als
»unafrikanisch« zurück. Es handle sich dabei um ein US-amerikanisches Konzept, das dort erst 1947 eingeführt wurde, 171 Jahre nach der Unabhängigkeit 1776. Für Uganda im Besonderen und Afrika
im Allgemeinen wäre die Begrenzung der Amtszeiten nach Musevenis Meinung entschieden verfrüht, weil Afrika immer noch im »traditionellen, prä-kapitalistischen Stadium« sei und deshalb eine andere Medizin für »seine Krankheit« brauche.
In einer umstrittenen Wahl wurde er am 18. Februar für eine fünfte Amtszeit wiedergewählt. Fast 80 Prozent der 37 Millionen Ugander haben noch nie einen anderen Staatschef erlebt als Museveni. Sie waren noch gar nicht geboren, als er 1986 die Macht übernahm.
Die Verhältnisse in Uganda sind beispielhaft für den Stand der Demokratie in vielen afrikanischen Staaten. Wahlen sind bestenfalls eine Schauveranstaltung zum Gefallen westlicher Geber, die finanzielle Zusagen vom Einhalten demokratischer Minimalstandards abhängig machen. In den schlimmeren Fällen schüren sie politische Konflikte und Gewalt, manchmal viele Monate im Voraus.
Ein Beispiel dafür ist die Demokratische Republik Kongo. Dort sollen im November ein neuer Präsident und ein neues Parlament gewählt werden. Präsident Joseph Kabila darf laut Verfassung nach zwei vollendeten Amtszeiten nicht mehr antreten. Seit 2015 versucht er aber auf unterschiedliche Arten, diese Regelung auszuhebeln. In der Hauptstadt Kinshasa und in Goma im Osten des Landes gab es deshalb schon mehrfach massive Proteste, gegen die staatliche Sicherheitskräfte gewaltsam vorgingen. Inzwischen ist die Verschiebung der Wahl auf unbestimmte
Zeit nahezu sicher, angeblich aus organisatorischen Gründen. Kabila hat es damit geschafft, sich
sein Amt vorerst zu sichern. Bleibt zu hoffen, dass die Proteste dagegen nicht allzu blutig werden und nicht allzu viele weitere Oppositionelle verhaftet werden.
In anderen Wahlländern sind die Aussichten nicht besser, was grundlegende Veränderungen angeht.
Hinzu kommt, dass auch die wirtschaftlichen Perspektiven schlechter werden. Afrika war zuletzt als
neuer »Chancenkontinent« bejubelt worden, aber der Einbruch der Erdölpreise und die Schwäche der chinesischen Wirtschaft hinterlassen ihre Spuren.
Regeln passend machen
In Uganda wird übrigens jetzt schon daran gearbeitet, dass Museveni 2021 für eine sechste Amtszeit antreten kann: Die Altersbeschränkung von 75 Jahren für Präsidentschaftskandidaten
soll fallen. Der an Lebensjahren älteste Staatschef Afrikas, Robert Mugabe in Simbabwe, ist übrigens 92. Simbabwe leidet unter einer dramatischen Hungerkrise – doch Mugabes Geburtstagsparty im Februar kostete den Staat angeblich 700 000 Euro.
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Bettina Rühl ist freie Journalistin. Sie lebt in Köln und Nairobi.