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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 16.12.2015

Kölner Stadt-Anzeiger

Südafrika erlebt drei Finanzminister in nur fünf Tagen

Präsident Zuma verwirrt das Land mit einer zweifelhaften Personalpolitik und löst Kurssturz an den Börsen aus

VON WOLFGANG DRECHSLER

Ist es ein Beispiel für späte Erkenntnis oder leidet der südafrikanische Präsident Jacob Zuma tatsächlich an maßloser Selbstüberschätzung und zunehmendem Realitätsverlust, wie viele seiner Kritiker meinen? Das Stück jedenfalls, in dem der 73-Jährige derzeit (noch) die Hauptrolle spielt, hätte das Zeug zum Bestseller. Zunächst versetzte Zuma die Finanzmärkte seines Landes mit einer willkürlichen Personalentscheidung in höchste Aufruhr, dann korrigiert er seinen Fehler und beendet eine Karriere, noch ehe sie richtig begonnen hat. Doch der Reihe nach.

Am vergangenen Mittwoch entließ Zuma zunächst ohne jede Angabe von Gründen seinen in der Geschäftswelt und bei Investoren geschätzten Finanzminister Nhlanhla Nene (57). Zugleich bestimmte er den unbekannten David van Rooyen zum Nachfolger - eine Art Dorfpolitiker ohne jede wirtschaftliche Erfahrung und noch dazu ohne jede Referenz für den nach dem Präsidenten wohl wichtigsten Posten im Land.

Die Aktienkurse an der Börse in Johannesburg brachen daraufhin ein, die Landeswährung Rand verlor ein Zehntel an Wert, am Anleihenmarkt kam es zu panikartigen Verkäufen, wie sie das Land bis dahin noch nie an einem Tag erlebt hatte. Die Geschäftswelt, aber selbst führende Köpfe der Regierungspartei Afrikanischer Nationalkongress (ANC) waren ob des Vertrauensverlusts alarmiert.

Zuma entging das alles nicht: Am Sonntag, nur vier Tage nach der Ernennung, setzte er van Rooyen wieder ab und installierte Pravin Gordhan (66) als neuen Finanzminister. Dieser hatte das Amt bereits von 2009 bis 2014 inne und gilt wegen seiner Verlässlichkeit und Integrität als Wunschkandidat der Wirtschaft Südafrikas. Zuletzt war Gordhan Minister für "Kooperative Regierungsführung und traditionelle Angelegenheiten" und damit für die Lokalverwaltungen im Land verantwortlich, wo es seit längerem zu immer heftigeren Protesten gegen Zuma und seinen ANC kommt, dem fast unisono die Selbstbereicherung von Parteibonzen auf Kosten der Allgemeinheit vorgeworfen wird. Diesen Posten soll nun van Rooyen übernehmen.

Nach Ansicht langjähriger Beobachter hat sich Zuma durch sein willkürliches Handeln selbst am meisten geschadet. Er habe deutlich die Grenzen seiner Macht aufgezeigt bekommen, schreibt etwa der angesehene Kommentator Ray Hartley, vormals Chefredakteur der "Sunday Times". Offenbar habe der Präsident nicht mit einer solch massiven Gegenreaktion der Öffentlichkeit gerechnet. Am vergangenen Freitag forderte erstmals auch eine ehemalige ANC-Ministerin öffentlich Zumas Ablösung.

Doch ansonsten schweigt die Partei, da fast alle ihrer führenden Vertreter von Zuma abhängig sind. Und Ex-Finanzminister Nene betont, dass er bis zuletzt versucht habe, die Staatskasse vor Zugriffen Unbefugter zu schützen.

Wen er damit gemeint hat, lässt sich nach den Vorkommnissen der vergangenen Tage nicht allzu schwer ausmachen. Nene galt als Kritiker einer Reihe von Zumas Vorhaben, darunter eines extrem kostspieligen Atomenergieabkommens mit Russland, das Südafrika in den Bankrott stürzen könnte. Daneben war Nene zuletzt wiederholt mit der Vorsitzenden der maroden Fluggesellschaft South African Airways (SAA), Dudu Myeni, aneinandergeraten, die eine enge Vertraute Zumas ist.

Sogar an der Basis verliert der Präsident an Rückhalt: Eine Petition im Internet, die Zumas Rücktritt fordert, hat in nur drei Tagen mehr als 100 000 Unterstützer gefunden. Für die nächsten Tage sind sogar landesweit Demonstrationen gegen den Präsidenten geplant. Für Zuma ist das ein herber Rückschlag. "Es ist deutlich geworden, dass er nicht über die Macht verfügt, die er glaubte, kraft seines Amtes ausüben zu können", sagt Hartley.

Jacob Zuma hat sich durch sein willkürliches Handeln selbst am meisten geschadet

Für die nächsten Tage sind landesweit Demonstrationen gegen den Präsidenten geplant