Beitrag vom 02.06.2015
Frankfurter Rundschau
Fifa-Skandal
"Afrika im Blut"
Von Johannes Dieterich
Zwischen Kairo und Kapstadt genießt Sepp Blatter das Ansehen eines Königs, weil er angeblich den Fußball aus den Fängen arroganter Europäer gerissen hat.
Sollte Sepp Blatter irgendwann ins Exil fliehen müssen, kann er sich zumindest über eines sicher sein: In Afrika wird er immer Aufnahme finden. Nirgendwo anders wird der 79-Jährige mehr verehrt als unter den 54 afrikanischen Fußballverbänden, die ihm geschlossen zu seiner fünften Amtszeit verhalfen. Der Schweizer wird auf dem Kontinent wie ein einheimischer König gefeiert: Der Chef des guineischen Fußballverbands meinte sogar, gegen Blatter zu stimmen, käme "Gotteslästerung" gleich.
Auch in den Augen seiner Kritiker hat der Fifa-König Wesentliches mit einem afrikanischen Potentaten gemein. Sein absolutistischer Regierungsstil, die undurchsichtige Administration, die nicht enden wollenden Korruptionsvorwürfe, das System der Patronage. Vor allem Letzteres hat auf dem unterentwickelten Kontinent Wunder bewirkt: "Blatter hat so viel wie kein anderer für uns getan", meint der Chef des nigerianischen Fußballverbandes, Amaju Pinnick: "Er hat Afrika im Blut."
Unter Blatters Ägide wurde 1999 das Fifa-Entwicklungsprogramm geschaffen, das inzwischen fast 200 Projekte in Afrika realisierte. Selbst unbedeutendste Fußballnationen wie der Tschad dürfen sich über künstliche Plätze, Trainings-Zentren, Hauptquartiere für ihre Fußballverbände aber auch Aufbauhilfe für Nachwuchs-Ligen freuen: 70 Prozent des Fifa-Profits gehen in solche Programme, weit über 1 Milliarde Euro flossen bereits in die Entwicklung des afrikanischen Fußballs.
Hiesige Fußballfunktionäre erinnern sich noch viel zu gut an den Weltcup 1966 in England, den die Afrikaner boykottierten, weil ihnen kein einziger Platz unter den Finalisten garantiert worden war. Erst Jahre später räumte man dem Kontinent zwei Plätze ein, Blatter erhöhte sie auf fünf. Der Schweizer setzte sich außerdem mit voller Kraft dafür ein, dass die WM 2010 erstmals nach Afrika kam - genau wie er acht Jahre zuvor für das erste asiatische Turnier in Japan und Südkorea gesorgt hatte. Sowohl afrikanische wie asiatische Funktionäre rechnen dem Schweizer hoch an, dass er den Fußball aus den Fängen der arroganten Europäer gerissen habe: Der derzeitige Feldzug gegen die Fifa sei ein nur schlecht getarnter Versuch der vor Einbildung und Geld strotzenden europäischen Verbände, die Hegemonie über den wertvollsten Sport der Welt wieder zurück zu gewinnen. Blatter nimmt diese Vorlage gerne auf, indem er die US-Anklage als offensichtliche politische Einflussnahme zurückweist: Als guter Afrikaner weiß der Fifa-Chef, wie sensibel der Kontinent auf westliche Bevormundung reagiert.
Blatters Entwicklungsprogramme können allerdings auch ganz anders interpretiert werden: Als Strategie, sich sein Imperium abzusichern. Wie dubios dieses System funktioniert, wird am Beispiel der 10 Millionen Dollar deutlich, die die südafrikanische Regierung ins Gerede brachte. Nach Auffassung der US-Ankläger handelte es sich um eine nur schlecht getarnte Schmiergeldzahlung Pretorias an den damaligen Chef der karibischen Fußballunion Jack Warner, der dem Kap der Guten Hoffnung damit die WM-Austragung sicherte.
Danny Jordaan, Chef des südafrikanischen Bewerbungskomitees, räumt inzwischen sogar ein, dass das Geld geflossen ist: Es habe sich jedoch um den südafrikanischen Beitrag zur Entwicklung des schönsten Sports der Welt unter karibischen Diaspora-Afrikanern gehandelt, versichert er. Falls Warner sich das Geld in die eigene Tasche steckte, soll das dessen Vergehen gewesen sein - oder eben das Problem des undurchsichtigen und ausnutzbaren Patronagesystems, wie es Blatter etabliert hat. Unterdessen wäscht der Fifa-Chef seine Hände wie ein guter afrikanischer Herrscher in Unschuld und lässt sich - ebenfalls gut afrikanisch - zum Dauerpräsidenten küren.