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Beitrag vom 24.01.2015

FAZ

Im Sog der Rohstoffpreise

Afrika will sich aus der Abhängigkeit befreien

clb. KAPSTADT, 23. Januar. Der Ölpreis fällt und fällt. Auch andere Rohstoffe sind zurzeit so günstig zu haben wie seit Jahren nicht mehr. Das trifft die Staaten im südlichen Afrika besonders hart. Die meisten hängen immer noch im hohen Maße vom Rohstoffexport ab, teils sogar nur von einem einzigen Rohstoff. Die Ökonomen von Weltbank und Währungsfonds haben die Wachstumsprognose für Afrika gesenkt. Die Wirtschaft Nigerias, des größten Ölproduzenten auf dem Kontinent, werde nur noch um 4,8 Prozent wachsen, teilte der IWF mit. Noch im Oktober war ein Wachstum von 7,3 Prozent erwartet worden. Öl ist für 95 Prozent der Devisen- und 70 Prozent der Staatseinnahmen in dem westafrikanischen Land verantwortlich. Ähnlich groß ist die Abhängigkeit vom Öl in Angola.

Die Länder südlich der Sahara gehören damit aber immer noch zu den schnell wachsenden Volkswirtschaften auf der Welt, wenn auch von einer niedrigen Basis aus. Laut IWF-Prognose wird die Wirtschaftsleistung der Region in diesem Jahr um 4,9 Prozent statt der zuvor prognostizierten 5,8 Prozent zulegen. Ein Jahr später sind 5,2 Prozent Wachstum zu erwarten. Die Weltbank erwartet in diesem Jahr noch weniger Wachstum. Sie bezeichnet die fallenden Rohstoffpreise als "größeres externes Risiko" für die Staaten.

Über mehr als zehn Jahre profitierten die afrikanischen Länder vom Rohstoffhunger Chinas. Die Preise für Metalle kletterten auf Rekordhöhen. Die Volksrepublik verbraucht fast ein Viertel der auf der Welt erzeugten Energie und die Hälfte des Metallangebots am Weltmarkt. Jetzt ist die lange befürchtete Wende gekommen. Nicht nur hat sich der Ölpreis seit Juni mehr als halbiert. Die Preise für Metalle wie Eisenerz und Nickel liegen um mehr als 30 Prozent unter den Höchstständen von 2011. Kupfer - das wichtigste Exportgut Sambias - ist so günstig wie seit August 2002 nicht.

Das sind keine rosigen Aussichten für die afrikanischen Rohstoffländer, von denen einige gerade den Ruf von Armenhäusern abgeschüttelt hatten. Sie müssen sich auf niedrigere Exporteinnahmen, geringere Investitionen von Minenkonzernen und Haushaltsengpässe einstellen. Preissteigerungen für viele Rohstoffe sind gemäß Weltbank-Prognose in diesem und im kommenden Jahr wohl nicht in Sicht.

An den Devisenmärkten hat sich der Niedergang der Rohstoffpreise bereits niedergeschlagen. Die nigerianische Währung hat in den vergangenen sechs Monaten um 14 Prozent nachgegeben. Kräftig verloren auch die Währungen Ghanas, Kenias und Ugandas. Eingriffe der Zentralbanken und Regierungen wie Zinserhöhungen, Handelserschwernisse und Dollarverkäufe konnten die Entwicklung nur bremsen, aber nicht umkehren. Länderspezifische Faktoren kommen hinzu. In Kenia belastet die Furcht vor Angriffen von Islamisten die Währung, in Ghana sind es chronische Stromknappheit und hohe Inflation, in Südafrika die Sorge vor neuen Arbeitskämpfen.

Vor einigen Jahren wären die Reaktionen an den Märkten vermutlich noch verheerender gewesen. Der Kontinent ist zwar immer noch einer der wichtigsten Rohstofflieferanten der Welt. Hier und da aber zeigen die Bemühungen Früchte, die Wirtschaft zu diversifizieren. "Afrika fängt auch an zu produzieren und zu exportieren, statt nur die Zutaten für die Produktion anderswo zu liefern", sagt Michael Power, Stratege bei Investec Asset Management in Kapstadt.

Nigeria beispielsweise revidierte jüngst die Statistik und wies ein deutlich höheres Bruttoinlandsprodukt aus, weil die Wirtschaftsleistung von Branchen wie Film-, IT- und Telekommunikationsindustrie erstmals berücksichtigt wurden. Der 175-Millionen-Einwohner-Staat will auch eine eigene Automobilindustrie aufbauen. Botswana, das fast ausschließlich Diamanten exportiert, hat es geschafft, die Hauptstadt Gaborone zu einem Schleif- und Handelsplatz für die Steine zu machen. In Kenia lassen asiatische Autokonzerne Fahrzeuge zusammenbauen, Äthiopien ist Standort der größten Schuhfabrik der Welt. Der nigerianische Miliardär Aliko Dangote errichtet dort Zementfabriken wie auch in Kenia und Tansania. Und der Zuckerproduzent Mauritius ist dank Steuererleichterungen ein beliebter Standort internationaler Unternehmen.

Das abgeschwächte Wirtschaftswachstum in China biete für die Niedriglohnländer in Afrika auch eine Chance, sagt Charles Robertson, Chefökonom von Renaissance Capital in London. Doch den Fluch einer hohen Abhängigkeit von Bodenschätzen könne die Region noch lange nicht abschütteln. Afrikas Wirtschaft bleibt den Schwankungen an den Rohstoffmärkten weiterhin am stärksten ausgeliefert.