Direkt zum Inhalt
Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 05.01.2015

Handelsblatt

Scheitert Afrikas Hoffnungsträger?

Über Südafrika kreisen die Pleitegeier

von Wolfgang Drechsler

Das Land galt als Aushängeschild des Kontinents. Doch die südafrikanische Wirtschaft befindet sich in einer Abwärtsspirale. Denn Staatschef Zuma hat weder Mut noch Vision bewiesen. Ökonomen warnen vor einer Staatspleite.

Überall, wohin man in Südafrika dieser Tage blicke, gäbe es Stagnation und Alarmsignale, warnen Ökonomen.

Kapstadt. Eigentlich ist Johann Rupert nicht für furiose Wutausbrüche bekannt. Im Gegenteil: Als Vorsitzender der Schweizer Luxusgütergruppe Richemont und des südafrikanischen Industriekonglomerats Remgro bringt den 64-Jährigen so leicht nichts aus der Fassung. Angesichts einer für Südafrika ausgesprochen bedrohlichen Stromkrise und der inzwischen aus dem Ruder gelaufenen Korruption scheint jetzt aber selbst Rupert die Geduld mit dem regierenden Afrikanischen Nationalkongress (ANC) zu verlieren: Auf der jährlichen Remgro-Hauptversammlung in Somerset West bei Kapstadt sprach er Ende November jedenfalls ganz offen davon, dass Südafrika womöglich allmählich pleitegehe.

Wenn die Führung des Landes so weitermache wie bisher, könne ein solcher Zustand auch ganz plötzlich eintreten, warnte Rupert. Ihm selbst falle es inzwischen "sehr, sehr schwer", das Führungspersonal des Landes im Ausland zu verteidigen. "Wir haben lange Zeit nur die tief hängenden Früchte gepflückt. Nun sind die Bäume fast leer". Überall, wohin man in Südafrika dieser Tage blicke, gäbe es Stagnation und Alarmsignale.

In der Tat befindet sich die südafrikanische Wirtschaft seit Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft im Jahre 2010 in einer steten Abwärtsspirale. "Wenn sich die Gemüter nicht bald beruhigen und vor allem die vielen Streiks nachlassen, wird das Land auf Jahre nur noch minimal wachsen können", hatte Ökonom Chris Hart bereits 2012 gewarnt. Genau dies ist nun passiert: Mit einer Wachstumsrate von 1,4 Prozent ist der einstige Hoffnungsträger Afrikas weit hinter die meisten anderen Staaten des Kontinents zurückgefallen - und wenig deutet schon deshalb auf eine baldige Umkehr der Lage hin, weil die Probleme inzwischen strukturell verankert sind.

Das Leistungsbilanzdefizit liegt bei mehr als sechs Prozent des Sozialprodukts (BIP) und ist zu seiner Finanzierung auf ausländische Kapitalzuflüsse angewiesen, die nun aber ausbleiben. Kein Wunder, dass die lokale Randwährung in wenig mehr als zwei Jahren rund 40 Prozent gegenüber dem Euro an Wert verloren hat. Dabei bräuchte Südafrika Wachstumsraten von mindestens sieben Prozent, um seine extrem hohe Arbeitslosigkeit von offiziell 25 Prozent, vermutlich aber eher rund 40 Prozent, zumindest ansatzweise zu verringern.

80 Prozent der Staatsschulen funktionieren nicht mehr

Von der pragmatischen Wirtschaftspolitik unter dem weltweit hoch verehrten Nelson Mandela ist unter dem heutigen Staatschef Jacob Zuma kaum noch etwas zu spüren. Selbst langjährige Beobachter der Lage können sich nicht daran erinnern, seit dem Ende der Apartheid vor mehr als 20 Jahren eine ähnlich tiefe Feindseligkeit des ANC gegenüber der Privatwirtschaft erlebt zu haben. Ein Indiz für die tiefe Kluft ist das noch einmal verschärfte "Gleichstellungsgesetz" mit seinen Rassenquoten: Diese zwingen die Geschäftswelt am Kap, ihre Mitarbeiter weniger nach Kompetenz und Leistung als entsprechend der Demografie des Landes einzustellen - also zu 80 Prozent Schwarze und nur zu knapp zehn Prozent Weiße, mit Einsprengseln aus den anderen Gruppen.

Dabei ist die Expertise im Land noch immer genau andersherum verteilt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Regierung das staatliche Bildungswesen in den vergangenen Jahren mit immer neuen Experimenten gründlich ruiniert hat. 80 Prozent der Staatsschulen funktionieren nicht mehr. Allein die Privatschulen haben das Land bislang vor Schlimmerem bewahrt. Wer als Unternehmen dennoch nicht genügend schwarze Mitarbeiter einstellt, riskiert drastische Geld- und sogar Haftstrafen.

Auch verschiedene andere Gesetzesinitiativen haben in der Geschäftswelt für Entsetzen gesorgt. Die international üblichen Schutzverträge für ausländische Investitionen gelten inzwischen zum Beispiel in Südafrika nicht mehr; die ANC-Regierung hat sie zur Empörung ihrer westlichen Handelspartner einseitig aufgekündigt, vermutlich um dem ANC um beim geplanten, sozialistisch inspirierten Umbau der Gesellschaft freie Hand zu haben.

Das renommierte Institute of Race Relations (SAIRR) kommt in einer Untersuchung der seit Anfang 2013 erlassenen Wirtschaftsgesetze jedenfalls zu dem Ergebnis, dass diese die Eigentumsrechte massiv schwächen und die Unabhängigkeit des Privatsektors stark untergraben.

Unternehmen sitzen auf fast 50 Milliarden Euro liquiden Mitteln

Bezeichnend für die immer stärkere Bindung Südafrikas an China ist, dass der wegen neuer Korruptionsvorwürfe in die Kritik geratene Präsident Zuma nebst einer großen Ministerriege den ersten Jahrestag von Nelson Mandelas Tod am 5. Dezember nicht etwa daheim sondern in Peking verbrachte - ein Affront der besonderen Art. Deutlicher hätte Südafrika seine neue Prioritätensetzung kaum demonstrieren können.

Viele Beobachter wie der renommierte Wirtschaftskommentator David Shapiro machen vor allem die starken Antipathien der Regierung gegenüber dem Privatsektor für den Rückzug der Geschäftswelt verantwortlich. Trotz einiger reich gewordener Mitglieder ist der ANC im Herzen noch immer eine sozialistische Partei geblieben, die Wirtschaftsunternehmen gerne mit Wohltätigkeitsorganisationen verwechselt. Kein Wunder, dass die Unternehmen am Kap inzwischen auf umgerechnet fast 50 Milliarden Euro an liquiden Mitteln sitzen, weil sie sich scheuen, das Geld angesichts der Unsicherheit im Land zu investieren.

Selbst die stets optimistische deutsche Wirtschaft die den schleichenden Niedergang Südafrikas jahrelang schönredete, spricht inzwischen Klartext. Der langjährige BMW-Südafrika-Chef Bodo Donauer, der zu den wenigen Kritikern des Landes zählt und gerade nach sieben Jahr seinen Posten abgegeben hat, drängte Südafrika zum Abschied, seine Wettbewerbsfähigkeit entscheidend zu stärken und vor allem endlich ein wirtschaftsfreundlicheres Umfeld zu schaffen - bislang vergeblich. Staatschef Zuma hat jedenfalls weder den Mut noch die Vision bewiesen, längst überfällige Reformen wie etwa die der rigiden Arbeitsgesetze anzustoßen.

Vermutlich hätte ein kräftiger Warnschuss in Form eines schlechten Wahlresultats den Antrieb dazu im ANC deutlich erhöht. Statt dessen erhielt die frühere Widerstandsbewegung bei den Wahlen im vergangenen Mai wieder rund 62 Prozent aller abgegebenen Stimmen. Für David Shapiro dürfte dies nach den wenig guten Erfahrungen der vergangenen Jahre dazu führen, dass sich der ANC auf den Lorbeeren des hohen Wahlsiegs ausruht - und das Staatsschiff noch längere Zeit führungs- und richtungslos dahinschlingert.