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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 26.11.2014

Finanz und Wirtschaft

Hoffnungsschimmer in der Ebola-Tragödie

Kommentar von Wolfgang Drechsler, Kapstadt

Noch vor zwei Monaten klangen die Prognosen düster: Bis zu 1,4 Mio. Menschen, so unkten damals US-Seuchenexperten, würden sich bis zu Beginn des neuen Jahres mit dem tödlichen Ebola-Virus in Westafrika infizieren. In der Folge könnte die Lage nicht nur dort, sondern womöglich weltweit ausser Kontrolle geraten. Andere Virologen mutmassten sogar, dass die Hälfte der Menschen in den drei besonders hart betroffenen Ländern Liberia, Guinea und Sierra Leone am Ende sterben werde, weil die Kurve der Infektionen damals exponentiell stieg, sie also in immer kürzeren Abständen drastisch zunahmen.

Noch ist es zu früh, um für die Region eine umfassende Entwarnung zu geben. Denn vereinzelt überschreitet das Virus noch immer Ländergrenzen. So sind gerade in Mali sechs Menschen an Ebola gestorben, nachdem das Virus zum zweiten Mal dorthin eingeschleppt wurde. Gleichwohl mehren sich die Anzeichen für eine Entspannung der Lage: Immer mehr Experten zeigen sich vorsichtig optimistisch, weil die Zahlen vor allem in Liberia, dem mit 2500 Ebola-Toten am schlimmsten betroffenen Land, inzwischen leicht fallen. Staatschefin Ellen Johnson Sirleaf hat gerade den im August verhängten Ausnahmezustand aufgehoben. Aber auch in Guinea, wo die Seuche ihren Ursprung hat, scheint sich die Lage zu stabilisieren.

Welt nimmt die Seuche endlich ernst

Allerdings sind die Zahlen in Liberia die am wenigsten verlässlichen, weil viele Fälle aus falscher Angst noch immer nicht gemeldet werden. Immerhin scheint die Zahl der Neuansteckungen in der Region jedoch unter 1000 pro Woche gefallen zu sein. Die Gesamtzahl der Infizierten liegt nun bei 15'300, die der Toten bei 5400. Ermutigend daran ist, dass die jüngsten Zahlen gegenüber denjenigen von vor drei Wochen kaum gestiegen sind.

Allerdings dürften gerade die noch vor kurzem gemalten Horrorszenarien entscheidenden Anteil daran gehabt haben, dass die Welt die Seuche endlich ernst nimmt und ihr die nötige Beachtung schenkt. Endlich wird nun auch nicht nur genug Geld, sondern auch - viel wichtiger - medizinisches Personal bereitgestellt. Vor allem die USA haben mit Hochdruck gehandelt und Soldaten Kliniken errichten lassen, die eigentlich die jeweiligen Regierungen hätten bauen müssen. Auch werden nun endlich Aufklärungskampagnen gestartet, die den (oft abergläubischen) Menschen die wahren Gründe der Epidemie erklären und gewisse Hygienestandards etablieren.

WHO sollte aktivere Rolle spielen

Eine Entwarnung ist aber schon deshalb fehl am Platz, weil Virenausbrüche immer wieder scheinbar zum Stillstand kommen können, um dann neu aufzuflammen. Schon deshalb wäre es naiv, sich in Sicherheit zu wiegen. So besteht die Gefahr, dass das Virus zwar in einer Region besiegt wird, aber anderswo auftaucht, etwa nach einer Bestattung. Nach wie vor besteht das Ziel zudem darin, das Ebola-Virus in ganz Afrika komplett zu beseitigen. Wie weit der Weg dorthin trotz der nun verstärkten Suche nach Gegenmitteln noch ist, hat der völlig aus dem Ruder gelaufene Ausbruch in Westafrika eindrücklich bewiesen.

Um die Epidemie auf Dauer zu besiegen, gilt es, die spät angelaufenen Gegenmassnahmen weiterzuführen, gerade den Bau neuer Spitäler. Auch gilt es, eine Strategie zu entwickeln, wie derartige Beinahekatastrophen künftig vermieden werden können. Angesichts des extrem niedrigen Bildungs- und Gesundheitsniveaus in Afrika und der weit verbreiteten Gleichgültigkeit seiner Eliten gegenüber den eigenen Menschen wäre es naiv, sich auf grundsätzliche Verbesserungen in diesen Ländern zu verlassen. Notwendig ist, neben mehr Druck auf Afrikas Eliten, vor allem eine aktivere Rolle der Industrieländer, allen voran über die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Sie litt zuletzt unter Budgetkürzungen und unterschätzte anfangs den jüngsten Ebola-Ausbruch. Auf jeden Fall ist es sinnvoller, überschaubare Summen in Präventivmassnahmen zu stecken, statt wie jetzt im Katastrophenfall viel höhere Beträge nachzuschiessen. Denn wie kein anderes Ereignis zuvor hat die Ebola-Katastrophe gezeigt, dass die internationale Gemeinschaft die Unterentwicklung Afrikas schon deshalb nicht ignorieren kann, weil sich seine Probleme nicht auf den Kontinent begrenzen lassen, sondern über kurz oder lang die ganze Menschheit betreffen.