Beitrag vom 21.11.2013
Weser Kurier
Politiker fürchten Folgen von Unzufriedenheit bei Jugendlichen
Afrika fehlen Arbeitsplätze
Von Markus Schönherr
Lusaka - Mit 200 Millionen Jugendlichen unter 18 Jahren lebt in Afrika die jüngste Bevölkerung weltweit. Bis zum Jahr 2045 soll die Zahl laut Prognosen mindestens auf das Doppelte steigen. Doch für den Arbeitsmarkt des Kontinents bedeutet der Nachwuchs vor allem eines: Probleme. Den Vereinten Nationen zufolge gibt es nicht nur zu wenige Jobs - viele Arbeitsplätze bieten keine Sicherheit gegen Armut. Sambias Finanzminister Alexander Chikwanda warnte vor "einer tickenden Zeitbombe". Er sieht nicht nur die Gefahr, dass der Kontinent zu langsame Fortschritte bei der Armutsbekämpfung macht: Arbeitslose Jugendliche könnten sich radikalisieren - nach Chikwandas Einschätzung haben es die Islamisten des sich in Afrika ausbreitenden Terrornetzwerkes Al Kaida leicht, in diesen Kreisen Anhänger zu rekrutieren.
Auch die UN-Organisation für Industrielle Entwicklung (UNIDO) hat die Brisanz erkannt. Gestern beging sie den "Tag der Afrikanischen Industrialisierung": "Afrikas größte Herausforderung für die nächste Dekade ist es, produktive und hochwertige Jobs für ihre wachsende Bevölkerung zu schaffen. In erster Linie für die Jugend", betonte der aus dem westafrikanischen Sierra Leone stammende UNIDO-Generaldirektor Kandeh Yumkella. Besonders deutlich werde dies in Uganda, Mali oder Niger, wo 15- bis 24-Jährige knapp die Hälfte der Bevölkerung ausmachen.
Im globalen Vergleich ist die Jugendarbeitslosigkeit in Afrika mit neun Prozent jedoch eher gering. In Europas Krisenstaaten Portugal und Griechenland liegt die Zahl mittlerweile bei 36 beziehungsweise 65 Prozent. Grund für Entwarnung sei dies aber nicht, warnt die UNIDO. Anders als in Europa hätten in Afrika mehr als 63 Prozent nur sogenannte gefährdete Jobs. "Junge Afrikaner finden zwar durchaus Arbeit, aber nicht in Betrieben, die regelmäßige Gehälter zahlen", analysiert die US-amerikanische Denkfabrik Brookings Institution. Der durchschnittliche afrikanische Jugendliche arbeitet als Erntehelfer, formell angestellt meist nur in Familienbetrieben. In Europa biete ein Arbeitsamt oft mehr soziale Absicherung.
Eine Gefahr birgt der Mangel an guten Arbeitsplätzen nicht nur für die Wirtschaft und das soziale Gefüge, sondern auch für die politische Stabilität. Als Beweis dafür gilt der arabische Frühling: Im arabischen Raum gilt die Jugendarbeitslosigkeit als weltweit am höchsten. Doch auch in den afrikanischen Staaten südlich der Sahara regt sich Widerstand gegen den Status quo. Im Senegal gingen im vergangenen Jahr Tausende junge Leute gegen den damaligen Präsidenten Abdoulaye Wade auf die Straße, den sie beschuldigten, für junge Erwachsene keine Perspektiven zu schaffen. Die Massenstreiks zeigten Erfolg, Wade wurde abgewählt. "Was wir aus dem Beispiel des Senegals lernen, ist, dass Jugendarbeitslosigkeit politische Gewalt und zivilen Aufstand schürt", schreibt das UN-Magazin "Africa Renewal". Eine Studie der Weltbank kam 2011 zu dem Schluss, dass 40 Prozent derer, die sich einer Rebellenbewegung anschließen, dies wegen fehlender beruflicher Aussichten tun.
Die UNIDO fordert daher, den Privatsektor auszubauen, der in Afrika neun von zehn Arbeitsstellen schaffe. Dabei will die UN-Organisation helfen: Seit 2008 kooperiert UNIDO mit dem Technologiekonzern Hewlett Packard, um Jugendlichen jene Qualifikationen zu vermitteln, die für die Gründung eigener Firmen nötig sind. In 15 Ländern, darunter Kenia, Nigeria und Südafrika, konnten bisher 122 Ausbildungszentren gegründet und so rund 20000 Jobs geschaffen werden. In ehemaligen Kriegsstaaten wie Liberia, Sierra Leone oder der Elfenbeinküste unterstützt UNIDO Jungunternehmer beim Ausbau ihrer Geschäfte - Ziel ist es, dass diese weitere Jugendliche anstellen.