Beitrag vom 31.03.2013
Badische Zeitung
"Menschen für Menschen"
Es geht um viel Geld - und um Vertrauen
"Menschen für Menschen", die Hilfsorganisation des früheren Schauspielers Karlheinz Böhm, liegt im Streit mit einem ihrer einstigen Großspender.
FREIBURG. Die Gerüchte drohen sein Lebenswerk zu zerstören: Seit mehr als 30 Jahren engagiert sich der frühere Schauspieler Karlheinz Böhm mit seinem Hilfswerk "Menschen für Menschen" (MfM) für die Armen in Äthiopien. Ein ehemaliger Großspender wirft der Organisation nun Verschwendung und mangelnde Transparenz vor. Jetzt werden die Bücher erneut geprüft.
Für eine Hilfsorganisation ist das Vertrauen der Spender ihr Kapital. Nur wer sicher ist, dass sein Geld auch bei den Armen landet, ist bereit zu geben. Bislang war das für MfM kein Problem. Seit 1992 trägt die Organisation das Spendensiegel des Deutschen Zentralinstituts für Soziale Fragen (DZI), das ihr sparsames Wirtschaften und Transparenz bescheinigt. Auch DZI-Geschäftsführer Burkhard Wilke sah zunächst keine Zweifel an der Seriosität von MfM, als Ende Februar die ersten Vorwürfe des ehemaligen Großspenders Jürgen Wagentrotz (68) in der Bild-Zeitung erschienen. Die Stiftung gehöre mit zu den transparentesten Organisationen in Deutschland, sagte er.
Es geht um viel Geld - behauptet jedenfalls Wagentrotz. Acht Millionen Euro habe er für das Hilfswerk investiert, jeweils eine Million pro Jahr, die zu großen Teilen für Marketing eingesetzt worden sei. Das Geld sei allerdings nicht durch die Bücher von MfM gelaufen. Das sei Bilanzfälschung, und das auch noch auf Vorschlag des Hilfswerks. Das bestreitet die Organisation vehement und verweist darauf, dass sie keinen Zugriff auf das externe Konto von Wagentrotz gehabt habe: "Auch einzelne von der Stiftung erbetene Unterstützungen wurden vom Großspender beziehungsweise seinem Treuhänder geprüft und erst dann von ihm angewiesen. Diese Form der Kooperation hat Herr Wagentrotz selbst so initiiert", erklärte der Vorstand der Stiftung.
Dem geht jetzt das DZI in einer Sonderprüfung nach. Auch wenn das DZI jedes Jahr die Bücher von MfM kontrolliert habe - , "das enorme Engagement dieses einen Mäzens war uns nicht bekannt", sagt Christel Neff von der DZI-Spenderberatung. MfM sei jedoch kooperativ und habe viele Unterlagen und Belege über den betroffenen Zeitraum seit 2004 eingereicht. Wann die Untersuchung abgeschlossen sein wird, ist offen. "Wir müssen sehr gründlich sein." Denn es geht um viel - ob MfM das Siegel behalten darf oder nicht, oder ob es Auflagen gibt.
Die Vorwürfe des Mäzens sind zahlreich. So kritisiert er zum Beispiel, dass manche von MfM errichtete Schulen verfielen. Das mag im Einzelfall sogar passiert sein - doch Karlheinz Böhm war es immer wichtig, die Menschen in Äthiopien zur Selbsthilfe zu verpflichten. Das bedeutet, dass die von MfM errichteten Schulen wie auch die Krankenstationen nach einer Weile an den äthiopischen Staat übergeben werden, der dann für den Unterhalt verantwortlich ist. So halten es übrigens viele Hilfswerke. Auch die Kosten des geplanten Verwaltungsgebäudes im äthiopischen Addis Abeba wurden mittlerweile reduziert - von 2,1 auf 1,1 Millionen Euro. Die Auflagen der Stadt hätten den Preis zunächst in die Höhe getrieben, so die Stiftung. Hier hatte Wagentrotz ebenfalls Verschwendung gewittert.
Die Anschuldigungen haben mittlerweile Konsequenzen: Wagentrotz ist aus dem Kuratorium der Stiftung ausgetreten; andere wie die Journalistin Beate Wedekind oder der Sternekoch Eckart Witzigmann lassen ihre Mitgliedschaft ruhen. Anfang März trat dann Geschäftsführer Axel Haasis zurück; von Flügen Erster Klasse war die Rede und von einer Kreuzfahrt, die angeblich mit Geld von Wagentrotz finanziert wurden. Dazu äußern will sich Haasis, der sich seit 1984 für MfM engagiert, nicht. Über Details kann man mit MfM ohnehin derzeit nicht reden - auch weil ein gerichtlicher Vergleich geschlossen wurde, der beiden Parteien Stillschweigen auferlegt: Wagentrotz und die Stiftung sollen sich in nächster Zeit zusammensetzen, wenn der Großspender von seiner Weltreise zurückgekehrt ist.
Was aber zwischen den Zeilen bei allen Gesprächspartnern durchscheint ist die ratlose Frage: Was treibt Jürgen Wagentrotz an? Von persönlichen Verletzungen ist intern die Rede, aber auch von Geltungssucht. Karlheinz Böhm selbst kann sich nicht äußern, der 85-Jährige ist schon seit längerem nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetreten. Sein ältester Sohn, Michael Böhm (52), hat jetzt bestätigt, dass sein Vater unter schwerer Altersdemenz leide. Bereits im November 2011 hatte Böhm die Geschäfte von MfM offiziell Almaz Böhm (48) übergeben; anwesend war er bei dem 30-jährigen Bestehen nicht. Die Äthiopierin ist seine vierte Ehefrau und seit 27 Jahren tätig für das Hilfswerk. Auch sie ist Zielscheibe von Wagentrotz' Angriffen geworden: Sie kümmere sich nicht genug um Karlheinz Böhm und halte ihn von der Öffentlichkeit fern, behauptete er. "Ich musste meinem Mann versprechen, dass ich ihn schütze, wenn er alt, krank und gebrechlich ist. An dieses Versprechen halte ich mich", entgegnete Almaz Böhm darauf.
Die negativen Schlagzeilen zu MfM haben die Spender jedenfalls verunsichert. Schade für die Organisation; das habe Böhm nicht verdient, bei allem Guten, was er für Äthiopien getan habe - so laute der Tenor der Anrufer, sagt Dietmar Krieger von MfM. "Und sie haben die Hoffnung, dass alles okay ist." Das hoffen gerade viele.
MENSCHEN FÜR MENSCHEN
1981 wettete Karlheinz Böhm in der ZDF-Sendung "Wetten, dass...?", dass noch nicht einmal ein Drittel der Zuschauer eine Mark spenden würde für die Hungernden in der Sahelzone. Er verlor - und hatte 1,2 Millionen Mark zur Verfügung. Er ging nach Äthiopien und gründete dort ein Hilfswerk. Inzwischen profitieren davon 4,6 Millionen Menschen. MfM hat unter anderem 310 Schulen gebaut, 86 Krankenstationen und 1626 Wasserstellen. Die Spender vertrauten der Organisation in den vergangenen 30 Jahren mehr als 415 Millionen Euro an.