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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 08.09.2012

Domradio, Köln

Bitterkeit zum UN-Weltbildungstag
Bücherverbrennungen und geschlossene Schulen im südlichen Afrika

"Weshalb haben wir 18 Jahre nach dem Anbruch der Demokratie immer noch Kinder, die unter dem Baum unterrichtet werden?" Erzbischof Desmond Tutu, südafrikanische Ikone im Kampf gegen die Apartheid, leistete sich in dieser Woche einen seltenen Wutausbruch. Ziel seiner Attacke: die marode Bildungspolitik am Kap. Groß feiern kann Südafrika den UN-Weltbildungstag also nicht.

Im Osten von Südafrika teilen sich drei Schüler ein Buch, während im Norden ein Staatsdiener diese stapelweise verbrennt. Im neuesten Bildungsskandal bleiben 62 Schulen des Landes vorerst geschlossen. Dennoch steht Südafrika auf dem Schwarzen Kontinent noch vergleichsweise gut da.

Unterrichtsstopp zur Sicherheit der Schüler
Für 16.000 Bildungshungrige in der Provinz Northwest bleiben die Schultore vorerst geschlossen. Ersatzunterricht gibt es nicht. Vor mehr als vier Monaten hatte das lokale Unterrichtsministerium einen kompletten Unterrichtsstopp angeordnet - zur Sicherheit der Schüler. Die Bevölkerung hatte in sogenannten "service delivery protests" - Demonstrationen für mehr Dienste und Infrastruktur - für geteerte Straßen gekämpft. Doch bald gerieten die Proteste außer Kontrolle. Zwei Schulen, eine Bibliothek und ein Bücherbus gingen in Flammen auf.

"Diese Menschen benutzen Gewalt als Druckmittel. Das sind Hooligans", sagt Panyaza Lesufi, der regionale Bildungsbeauftragte. Er appellierte in dieser Woche erneut an Bildungsministerin Angie Motshaekga, die Polizei müsse die Situation unverzüglich unter Kontrolle bringen, damit der Unterricht fortgesetzt werden könne.

Die Wut der Eltern richtet sich immer mehr gegen das Kabinett von Staatspräsident Jacob Zuma. Doch der Politologe Albert Venter vermutet den Fehler im System selbst: "Die Regierung hat keine Entscheidungsgewalt über die Provinzen und ihre Angelegenheiten. Erst wenn die lokale Verwaltung versagt, kann die Regierung einspringen." Dies sei etwa der Fall in Limpopo gewesen, wo Schüler das letzte Semester ohne Bücher auskommen mussten. Schuld daran sei ein "Kommunikationsfehler" gewesen, erklärte das Ministerium. Etwa zur gleichen Zeit sorgten organisierte Bücherverbrennungen für Furore. Festgenommen wurde ein Beamter - doch seine Motive bleiben bis heute unklar.

33 Millionen afrikanische Kinder gehen nicht zur Schule
Was in Südafrika nur zeitweilig für Krisen sorgt, ist in den meisten Ländern des Kontinents trauriger Alltag. 33 Millionen Kinder in Afrika gehen nicht zur Grundschule, 156 Millionen Erwachsene bestreiten ihr Leben als Analphabeten. Das entspricht einem Viertel der europäischen Bevölkerung. Laut der Weltbildungsorganisation UNESCO sind dafür vor allem regionale Konflikte verantwortlich zu machen. Bürgerkriegsländer sind demnach am schlimmsten betroffen.

Im 2011 unabhängig gewordenen Südsudan können den Angaben zufolge etwa nur 27 Prozent der Bevölkerung lesen und schreiben, in Somalia 35 Prozent. Aber auch das Gegenteil treffe zu, so die UNESCO: "Alphabetisierung trägt zu Frieden bei. Sie öffnet Türen und schafft ein besseres Bewusstsein für die Welt." Nicht von ungefähr lautet daher das Motto des diesjährigen UN-Bildungstags "Alphabetisierung und Frieden".

Lehrer in Simbabwe werden verfolgt
Simbabwe ist ein Beispiel dafür, wie die Politik versagen und der Zivilsektor trotzdem weitermachen kann. Seit Jahren werden Lehrer Opfer politischer Verfolgung, da man ihnen eine Verbindung zur Opposition nachsagt. Ein Schuldirektor in der Stadt Kwekwe kam kürzlich nur knapp mit dem Leben davon, als man sein Haus in Brand steckte.

Das Monatsgehalt eines Lehrers in Simbabwe liegt bei umgerechnet knapp 400 Euro. Trotz einer angekündigten Kürzung schwor sich der Großteil, weiter unterrichten zu wollen. "In den Bänken sehe ich die Zukunft sitzen, nirgendwo sonst", sagt eine Lehrerin aus der Hauptstadt Harare. Und die Statistik gibt ihr Recht: Mit acht Prozent ist Simbabwe das Land mit den wenigsten Analphabeten in ganz Afrika.

Quelle: Markus Schönherr, kna