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Beitrag vom 12.04.2012

FAZ

Der Boden von Mali birgt noch jede Menge unentdeckte Schätze

Erst vor kurzem hat die Regierung begonnen, die Rohstoffe im Boden zu erkunden. Um die Verteilung der Erlöse geht es auch im aktuellen Konflikt, der das Land teilen könnte.

Von Christian v. Hiller

FRANKFURT, 11. April. Zum ersten Mal seit drei Monaten kommt wieder ein Auto nach Bouraklé Bougou. Kein Wunder, liegt das Dorf doch drei Autostunden nordwestlich der malischen Hauptstadt Bamako und ist nur während der Trockenzeit über staubige Pisten zu erreichen. Kinder drängen sich um den Geländewagen, Frauen und Männer schauen neugierig aus ihren Lehmhütten. Strom gibt es hier nicht und Wasser nur aus dem nahegelegenen Bach. Doch hier, fernab moderner Zivilisation in der weitläufigen Savanne der Sahelzone, fanden Rohstoffsucher eine kleine Weltsensation.

In seiner Hütte hütet der Dorfälteste den Schlüssel, der Zugang zu einem spektakulären Fund verschafft. ‚"Wir hatten eigentlich nach Wasser gesucht", erzählt Laurent Seigneur, der Vorstandsvorsitzende der Petroma S.A. Mali, einer Gesellschaft, die auf die Exploration von Erdöl und Erdgas in Mali spezialisiert ist. "Doch als wir in 105 Meter Tiefe gebohrt hatten, schoss plötzlich ein Gas empor, das sich gleich in einer riesigen Stichflamme entfachte."

Eine Blase mit reinem Wasserstoff hatten die Petroma-Experten angestochen. Dabei dachten die Wissenschaftler bisher, reinen Wasserstoff gäbe es so gut wie nie in der Natur, nur in chemisch gebundener Form. "Wir wissen noch gar nicht, wie das Vorkommen hier entstanden ist und wie wir den Wasserstoff industriell nutzen können", sagt Seigneur. "Doch die industrielle Herstellung von Wasserstoff aus Wasser ist sehr teuer." Und das behindert die Einführung von Brennstoffzellen. Deshalb glaubt der Franzose: "Natürliche Wasserstoffvorkommen könnten den Preis für die Nutzung von Brennstoffzellen enorm senken."

Der Boden unter Mali, das immerhin 3,5 Mal so groß wie Deutschland ist, birgt noch eine ganze Menge anderer unentdeckter Schätze. Viele Jahrzehnte lang hatte die Regierung den Untergrund nicht systematisch untersucht. Der französische Wikipedia-Eintrag über Mali nennt zum Beispiel noch landwirtschaftliche Erzeugnisse als einzige nennenswerte Ressource in dem Land. Das änderte sich erst unter Präsident Amadou Toumani Touré, der am 21. März dieses Jahres, einen Monat vor Ende seiner regulären Amtszeit, weggeputscht wurde. Ein Mann unterstützte die Putschisten, der au diesem abgelegenen Dorf Bouraklé Bougou stammt, in dem alle Einwohner den Nachnamen Konaré tragen: Amadou Konaré wurde Sprecher der Putschisten um Leutnant Amadou Sanogo.

Unter Touré, den die meisten in Mali nur ATT nennen, wurde das Land in Zonen zur Rohstoffexploration aufgeteilt. "Hier, wir haben Block 25 und Block 17 bekommen", sagt Seigneur und zeigt auf eine Karte Malis. In zwei großen Rechtecken nördlich der Hauptstadt Bamako darf Petroma nach sämtlichen Bodenschätzen suchen, die sich dort finden könnten, in Block 25 allein, in Block 17 mit einem Partner. Sie machen in dem riesigen Staatsgebiet, das Mali vor dem Vormarsch der Tuareg nach Timbuktu umfasste, nur kleine Flecken aus. Doch allein Block 25 ist mehr als 37 000 Quadratkilometer groß und übersteigt damit die Fläche Baden-Württembergs. Block 17 ist mit seinen knapp 20 000 Quadratkilometern fast so groß wie Hessen.

Neben Erdöl und Erdgas finden sich im Boden Maus Kupfer, Uran, Phosphat, Bauxit, Edelsteine und vor allem jede Menge Gold, zählte der bisherige Bergbauminister Mamadou Igor Diarra jüngst auf. Mali dürfte somit eines der rohstoffreichsten Länder der Welt sein. Allein mit der Goldförderung rangiert das Land an führender Stelle in Afrika, direkt hinter Südafrika und Ghana. Die Bodenschätze sind im gesamten Land verteilt, auch im Norden, den die Tuareg unter ihre Kontrolle gebracht haben. Doch der Reichtum aus diesen Vorkommen kam bisher überwiegend dem Süden mit der Hauptstadt Bamako zugute. Auch dies sorgte immer wieder für Spannungen innerhalb des Landes. Besonders ATT wurde vorgehalten, den Norden nicht nur vernachlässigt, sondern die Tuareg mit unüberlegten Aktionen noch provoziert zu haben, anstatt sie an ihrem Rohstoffvorkommen teilhaben zu lassen. Bisher hielten in den meisten Fällen ausländische Konzerne die Explorationsrechte an den Bodenschätzen des Landes. Schon am Flughafen Bamako begrüßen große Schilder von Rohstoffkonzernen wie Randgold Resources oder Anglo American die wenigen Touristen, die zurzeit in das Land reisen. Aber auch Erdölkonzerne wie Eni aus Italien sind längst in dem Land aktiv.

Petroma dagegen ist eines der wenigen Rohstoffunternehmen in Mali, das auch tatsächlich in malischer Hand ist. Der Geschäftsmann Aliou Boubacar Diallo hatte das Unternehmen gegründet. Ihm gehört schon das Goldförderunternehmen Wassoul'Or, das rund 200 Kilometer südlich von Bamako nahe der Grenze zu Guinea ein Goldvorkommen abbaut. "Ich wollte beweisen, dass Mali seine Rohstoffvorkommen aus eigener Kraft für sich nutzen kann", erzählt Diallo, der in Frankreich unter anderem bei dem angesehenen Finanzökonomen Michel Aglietta Wirtschaftswissenschaften studiert hatte. Deshalb hatte Diallo alle Angebote der internationalen Goldförderkonzerne abgelehnt, ihn bei der Suche zu unterstützen. Denn sie wollten stets nach der Mehrheit an seinem Unternehmen greifen. 51 Prozent des Unternehmens gehören ihm selbst, 20 Prozent dem malischen Staat, der Rest außenstehenden Investoren, im Wesentlichen der Pearl Gold AG, deren Aktien an der Frankfurter Börse gehandelt werden und dessen Vorstandsvorsitzender der Frankfurter Rechtsanwalt Lutz Hartmann vorsitzt. Diallo ist zugleich steilvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Pearl Gold AG, deren Aktienkurs in den vergangenen Wochen genauso gelitten hat wie die der großen Goldkonzerne auch.

Wer Rohstoffe nutzen will, braucht einen langen Atem. 1992 startete Diallo damit, den Boden von Kodieran nach Gold durchzuwühlen. Auf 100 Quadratkilometern darf er die sandige Erde nach Gold durchwühlen. Doch diese Fläche entspricht nur 2 Prozent des gesamten Vorkommens im Bassin von Kodieran. Am Anfang der Exploration stehen die Termitenhügel. Die lokale Bevölkerung untersucht die aus dem Boden hervorgeholte Erde nach Gold. Bleiben diese "orpailleurs" genannten Goldwäscher, dürfte das Vorkommen ergiebig sein. Ziehen sie weiter, lohnt sich eine weitere Exploration meist nicht.

Anders als in Südafrika beispielsweise müssen die Goldsucher keine Stollen durch hartes Gestein treiben. Es genügt, den Boden systematisch auszuwaschen. Denn das Gold liegt hier höchstens in 70 Meter Tiefe. Diallo baute dazu zum Preis von 100 Millionen Dollar eine große Industrieanlage in den kargen Landstrich bei der Stadt Yanfolila, rund 200 Kilometer südlich von Bamako. Jetzt, nach 20 Jahren Investition und Mühe, könnte sich das Geschäft lohnen. Beruhigt sich die politische Lage, dürften die Kosten für den Bau der Anlage in wenigen Monaten abgetragen sein. Auf etwa 300 Dollar je Feinunze (31,3 Gramm) belaufen sich, grob gerechnet, die Gestehungskosten. Das lässt angesichts eines Goldpreises von gut 1600 Dollar je Feinunze eine erkleckliche Marge.

Doch zuvor muss sich die politische Lage in Mali entspannen. Er könne sich eine Volksabstimmung über die Zukunft des Nordens vorstellen, die zur Abspaltung des Tuareg-Gebiets führen könnte, sagt Diallo. Das hielte er, anders als viele seiner Landsleute, nicht für schlimm. Wichtiger ist für ihn, dass sobald wie möglich stabile politische Strukturen im Süden Malis aufgebaut werden. Und da sieht er das Land nun auf dem richtigen Weg. "In der Goldmine haben wir vom Putsch so gut wie nichts mitbekommen", berichtet Hartmann. "Sie hat immer reibungslos funktioniert." Natürlich habe auch Pearl Gold unter der politischen Unsicherheit gelitten. "Doch unser wirtschaftliches Modell sehen wir nicht in Mitleidenschaft gezogen", sagt Hartmann. "Wir sind zuversichtlich, dass wir für dieses Jahr eine Dividende zahlen können."

Ein Aspekt stimmt in Mali hoffnungsvoll: Wie kaum ein anderes Land in Afrika ist das Land auf Rohstoffeinnahmen angewiesen. Das durchschnittliche Bruttoinlandsprodukt in Mali wird auf etwas mehr als 800 Euro je Kopf geschätzt. In Deutschland liegt es bei mehr als 30 000 Euro.