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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 03.04.2012

Südkurier

Eine neue Apartheid

Von WOLFGANG DRECHSLER

Als Jacob Zuma vor drei Jahren Präsident von Südafrika wurde, versprach er den Menschen am Kap einen Neuanfang. Nach der enttäuschenden Präsidentschaft seines Vorgängers Thabo Mbeki, eines Aids-Leugners, wollte Zuma das gespaltene Land neu zusammenführen und der Welt als Vorbild präsentieren.
Die Korrektur der realitätsblinden Aids-Politik seines Vorgängers wurde allgemein mit Erleichterung aufgenommen. Auch die erfolgreiche Ausrichtung der Fußball-WM sorgte vorübergehend für gute Stimmung im Land und stärkte dessen Ansehen in der Welt.

Doch von Beginn an war völlig unklar, wofür Zuma eigentlich steht. Daheim klang er oft wie ein schwarzer Nationalist, der eine immer stärkere Dominanz des regierenden Afrikanischen Nationalkongress (ANC) in allen gesellschaftlichen Sphären wollte. Im Ausland redete er gerne Investoren nach dem Mund und versprach ein wirtschaftsfreundliches Umfeld. Klare Positionen bezog er jedoch nicht. Pessimisten warnten frühzeitig davor, dass Zuma allein am eigenen Machterhalt interessiert sei - und die exemplarische Verfassung des Landes früher oder später in den Papierkorb werfen werde.

Inzwischen scheinen sich zumindest einige der Befürchtungen zu bewahrheiten. Immer deutlicher wird, dass Zuma seine politischen Schulden gegenüber alten Verbündeten wie etwa den (militanten) Gewerkschaften begleicht - und gleichzeitig immer schärfer gegen Presse und Justiz vorgeht. Gerade erst hat der mit komfortabler Mehrheit regierende ANC verkündet, im Zuge einer "zweiten Transformation" Südafrikas die (nun offenbar als Hindernis empfundenen) Gerichte des Landes einer Überprüfung zu unterziehen, da sie den Anforderungen des Landes nicht mehr gerecht würden. Besonders empört ist die Regierung über jene Richter, die Zuma zuletzt mehrfach für personelle wie politische Fehlentscheidungen gerügt haben.

Bedrückend ist vor allem, dass Südafrikas Staatschef die Grundlage einer Demokratie, zu der das Konzept der Machtteilung zwischen Staat und Justiz zählt, offensichtlich nicht versteht. Mehrfach hat Zuma zuletzt Richter nach für ihn negativen Urteilen davor gewarnt, das Terrain des Staates zu betreten. Richter seien nicht vom Volk gewählt und hätten deshalb kein Anrecht darauf, sich in die Politik der Regierung einzumischen, so der Präsident. Selbst die Urteile des Verfassungsgerichts will Zuma einer Überprüfung unterziehen, um sicherzustellen, dass diese mit der vom Staat forcierten "Transformation" in Einklang stünden.

In Südafrika bedeutet das Wort "Transformation" nichts anderes als die offene Bevorzugung jener Rassengruppen, die unter der Apartheid diskriminiert wurden. Wer die Regierung kritisiert, wird deshalb schnell als Transformationsbremse oder Besitzstandswahrer verteufelt. Kein Wunder, dass der ANC für regierungskritische Gerichtsurteile inzwischen oft "konterrevolutionäre Richter" verantwortlich macht. Man könnte glauben, die einstige Widerstandsbewegung befinde sich im Befreiungskampf.

Immer deutlicher zeigt sich, dass der ANC die Gesellschaft nach seinen eigenen ideologischen Vorstellungen umbauen möchte. Manche Kritiker sehen darin Parallelen zur Apartheid-Regierung, die ebenfalls eine ideologisch motivierte Umgestaltung der Gesellschaft nach Rassenkriterien anstrebte, aber damit am Ende spektakulär scheiterte. Während Nelson Mandela die Verfassung stets respektierte, fühlen sich seine Nachfolger dem Grundgesetz Südafrikas immer weniger verpflichtet. An der Spitze dieser Bewegung befindet sich der Präsident selbst. Was eine Demokratie vor allem braucht, sind Demokraten. Doch genau daran mangelt es am Kap.