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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 13.02.2012

GIGA - Focus - aus Nummer 12 -2011

Mosambik: Mehr Zeit für den Präsidenten?
Charlotte Heyl und Henrik Maihack

In Mosambik arbeitet derzeit eine parlamentarische Kommission an einer Verfassungsreform.
Die Opposition befürchtet, dass die Regierungspartei FRELIMO ihre Mehrheit
in der Kommission nutzen wird, um Präsident Armando Guebuza nach 2014 eine weitere
Amtszeit zu ermöglichen.
Analyse
Amtszeitbeschränkungen sollen sowohl das Entstehen als auch die Konsolidierung von
demokratischen Regimen begünstigen, da sie Machtwechsel erleichtern und somit demokratiehemmende
Patronage-Netzwerke auflösen können. In Mosambik deutet derzeit
vieles darauf hin, dass es zum zweiten personellen Machtwechsel seit Einführung
des Mehrparteiensystems kommen wird - wenn auch erneut nicht zu einem Wechsel
der Regierungspartei. Ein personeller Machtwechsel bedeutet nicht zwangsläufig
auch ein Mehr an Demokratie. Erfahrungen in Subsahara-Afrika im Zeitraum von 1990
bis 2011 zeigen, dass die Versuchung, Amtszeitbeschränkungen zu umgehen, weiterhin
groß ist, die Umsetzung in der Realität aber zunehmend schwerer wird. Nicht einmal
die Hälfte aller Versuche zur Beseitigung von Amtszeitbeschränkungen war erfolgreich.
„„ Die Verfassungskommission in Mosambik arbeitet bislang intransparent; eine Verlängerung
der Amtszeit des Präsidenten scheint aber nicht auf der Agenda zu stehen.
„„ Präsident Guebuza ist in der Führung der Regierungspartei FRELIMO zu umstritten
und die Abhängigkeit Mosambiks von einem guten Image bei internationalen
Gebern und Investoren ist zu hoch, als dass dieser Versuch wahrscheinlich wäre.
„„ Angesichts der Schwäche der Opposition und der starken Verankerung der FRELIMO
auf allen Staatsebenen bleiben Auseinandersetzungen innerhalb der FRELIMO mittelfristig
der wichtigste Rahmen politischer Entscheidungsfindung. In der FRELIMO
stehen sich politische Reformer und Traditionalisten mit starken (Geschäfts-)Interessen
am Status Quo gegenüber, die sich jedoch auf einen Kompromisskandidaten zur
Ablösung Präsident Guebuzas einigen könnten.

Intransparente Verfassungsreform
Als das mosambikanische Parlament im Dezember
2010 mit der Mehrheit der Stimmen der Regierungspartei
Frente de Libertação de Moçambique
(FRELIMO) gegen die Stimmen der Opposition
die Einrichtung einer Verfassungskommission
beschloss, befürchteten die Oppositionsparteien,
dass dies auch das Ende der Amtszeitbeschränkung
für Präsident Armando E. Guebuza bedeuten
könnte. Auf der anderen Seite gab es Hoffnungen,
die Kommission werde Reformschritte hin
zu einer stärkeren Rolle des Parlaments und damit
zu einer Abschwächung der Machtbefugnisse der
Exekutive einleiten.
Hintergrund für den Verfassungsänderungsprozess
ist laut FRELIMO die Notwendigkeit einer
Modernisierung und Anpassung der Verfassung
an die veränderten politischen Rahmenbedingungen.
Die größte Oppositionspartei Resistência
Nacional Moçambicana (RENAMO) verweigert
bislang die Teilnahme an der Verfassungskommission
aufgrund ihrer Befürchtung, sie habe zum
Ziel, dem Präsidenten eine weitere Amtszeit zu ermöglichen.
Daher stellt die seit den letzten Wahlen
2009 erstmals im Parlament vertretene Partei Movimento
Democrático de Moçambique (MDM) mit
einem Mitglied derzeit die einzige Oppositionsstimme
in der 21-köpfigen Kommission, während
die sechs proportional der RENAMO zustehenden
Plätze frei bleiben.
Der Zeitpunkt und die Bedingungen für die
Einsetzung einer Verfassungskommission waren
günstig. Die nationalen Wahlen im Jahr 2009 hatten
Guebuza im Präsidentenamt bestätigt und seiner
Partei FRELIMO 75 Prozent der Parlamentssitze
beschert. Seitdem verfügt die FRELIMO über die
für eine Verfassungsänderung notwendige Zweidrittelmehrheit,
während die Opposition zersplittert
ist. Nach der derzeitigen mosambikanischen
Verfassung darf Guebuza bei den nächsten Präsidentschaftswahlen
im Jahr 2014 nicht mehr kandidieren,
denn die Amtszeit des Präsidenten ist auf
zwei aufeinanderfolgende Mandate beschränkt.
Entsprechend gab es viele Spekulationen über die
Ziele der Verfassungskommission, bevor der Verfassungsreformprozess
im Oktober 2011 offiziell
begann und erste prozedurale Klärungen zur Arbeit
der Kommission vorgenommen wurden. So
sollen zunächst Konsultationen mit politischen
Parteien und der organisierten Zivilgesellschaft
über mögliche Reformfelder abgehalten werden.
Die daraus resultierenden Vorschläge sollen 2013
im Parlament debattiert und abgestimmt werden.
Außerdem sind minimale Namensänderungen von
staatlichen Institutionen durch die Kommission beabsichtigt.
Ansonsten ist bisher nichts Substantielles
über die potenziellen Reformfelder und den
inhaltlichen Fokus der Arbeit der Kommission zu
erfahren.

Gefahren unbeschränkter Amtszeiten
Die Beachtung von Amtszeitbeschränkungen wird
als Zeichen für die fortschreitende Konsolidierung
demokratischer Regime betrachtet. Internationale
Geber sehen sie zuweilen als geeignete Bedingung
für die Fortzahlung von Entwicklungsgeldern.
Mosambik galt lange als das Vorzeigemodell
einer Kombination erfolgreicher innenpolitischer
Befriedung, relativ freier Wahlen und wirtschaftlicher
Strukturreformen. Deswegen erhielt
das Land hohe Summen an Entwicklungsgeldern;
über 50 Prozent des mosambikanischen Staatshaushalts
werden durch internationale Zuschüsse
bestritten. Seit Unregelmäßigkeiten bei den Präsidentschafts-
und Parlamentswahlen 2009 trifft die
mosambikanische Regierung allerdings auf größere
Skepsis und Aspekte guter Regierungsführung
werden noch stärker zur Bedingung für die weitere
Vergabe direkter Zuschüsse in den Staatshaushalt
(Budgethilfe) gemacht.
Was steckt hinter den Befürchtungen vor einer
Aufweichung der Amtszeitbeschränkung in Mosambik
und anderswo in Afrika? Die Einhaltung
von Amtszeitbeschränkungen wird aus zwei Gründen
als erstrebenswert angesehen: Erstens können
afrikanische Machthaber damit ihren Willen zur
Achtung formaler Institutionen verdeutlichen,
zweitens sollen Amtszeitbeschränkungen einen
Machtwechsel erleichtern und damit eine demokratiefördernde
Wirkung erzielen.
Viele afrikanische Präsidenten werden verdächtigt,
formale Institutionen, also schriftlich fixierte
Normen und Regeln, nicht so genau einzuhalten
und ihre Macht stärker über informelle Institutionen,
zum Beispiel klientelistische Netzwerke,
auszuüben. Diese Vorstellung hat ihren Ursprung
in den Jahrzehnten nach der politischen Unabhängigkeit,
als in vielen afrikanischen Staaten zum Teil
über Jahre hinweg gänzlich ohne Verfassung regiert
wurde. Anfang der 1990er Jahre brachte die
"dritte Welle" der Demokratisierung in fast allen
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Ländern Afrikas neue, bis jetzt relativ stabile Verfassungen
und die Einführung von Mehrparteiensystemen.
Nach den schlechten Erfahrungen mit
den autokratischen "Präsidenten auf Lebzeiten"
wurden - oft nach dem Vorbild der Vereinigten
Staaten oder Frankreichs - in 32 von 38 Verfassungen
Amtszeitbeschränkungen für Präsidenten
auf zwei Perioden verankert (Posner und Young
2007: 132).
Wie sind Präsidenten mit dem sich abzeichnenden
Ende der maximalen Verweildauer in ihrem
Amt umgegangen? Haben sie die Regel widerstandslos
akzeptiert oder sind sie dennoch an der
Macht geblieben? Im Zeitraum 1990-2011 endete
in 22 Ländern Subsahara-Afrikas 25-mal die zweite
Amtszeit. In 16 dieser Fälle gab es Bestrebungen,
die Amtszeitbeschränkung aus der Verfassung zu
entfernen. Zehn dieser Bestrebungen waren erfolgreich.
Im Fall Niger wurde die abgeschaffte Amtszeitbeschränkung
durch einen Putsch wieder eingeführt.
Somit führte das bevorstehende Erreichen
einer Amtszeitbeschränkung in nicht einmal der
Hälfte der Fälle letztlich zu einer Aufhebung der
Amtszeitbeschränkung.
Aktuell wird die Frage der Amtsdauer in Burkina
Faso und Senegal diskutiert. In Burkina Faso
strebt die Regierungspartei an, die Amtszeitbeschränkung
wieder abzuschaffen; allerdings ist
dies in der Verfassungskommission bislang kein
explizites Thema. Damit würde dem Präsidenten
Blaise Compaoré das Festhalten an der Macht ermöglicht,
der bereits seit 1987 in Burkina Faso amtiert,
aber durch geschicktes Aussetzen der Amtszeitbeschränkung
über ein Verfassungsgerichtsurteil
erst jetzt seine zweite Amtszeit ausübt.
Im Senegal hat das Verfassungsgericht am 27.
Januar 2012 eine weitere Kandidatur Präsident
Abdoulaye Wades bei der Wahl im Februar 2012
für verfassungskonform erklärt. Dieses Urteil war
hochumstritten.
Der 85-jährige Präsident hatte seine
Kandidatur für eine weitere Amtszeit damit gerechtfertigt,
dass die Amtszeitbeschränkung der
senegalesischen Verfassung von 2001 erst ex post,
nach dem Beginn seiner ersten Amtszeit im Jahr
2000, eingeführt wurde und damit für diese erste
Amtsperiode noch nicht angewendet werden
könne.
Ein Gegenbeispiel gibt es in Mali: Die zweite
Amtszeit des Präsidenten Amadou Toumani Touré
(ATT) endet im Jahr 2012. Der General, der 1991
gegen das autokratische Traoré-Regime putschte
und zugleich die demokratische Transition Malis
einleitete, hat frühzeitig deutlich gemacht, dass er
keine weitere Amtszeit anstrebt. Die von ihm an-
gestoßene Verfassungskommission hat daher auch
keine Änderung der Amtszeitbeschränkung vorgeschlagen.
Auch das jetzige mosambikanische Regime
ist aus der "dritten Welle der Demokratisierung"
in Subsahara-Afrika hervorgegangen. Nachdem
die ehemalige Befreiungsbewegung und spätere
Staatspartei FRELIMO auf ihrem fünften Parteitag
1989 ihrer marxistisch-leninistischen Parteidoktrin
abgeschworen hatte, wurde 1990 eine neue Verfassung
angenommen und ein Mehrparteiensystem
eingeführt. Zwei Jahre später unterzeichnete die
FRELIMO den Friedensvertrag, der das Ende des
sechzehn Jahre dauernden gewaltsamen Konflikts
mit der - bis Ende der 1980er Jahre von Apartheid-
Südafrika finanzierten - Rebellenarmee und heutigen
Oppositionspartei RENAMO markierte. Im
Jahr 1994 fanden die ersten freien Wahlen statt.
Mosambik wird von Freedom House seit 1994 als
"teilweise frei" klassifiziert. Der Wert für politische
Freiheiten hat sich allerdings seit den Unregelmäßigkeiten
bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen
2009 verschlechtert. Seither wird
Mosambik auch nicht mehr in der Liste der elektoralen
Demokratien geführt.
Die Verfassung von 1990 hat sich als verhältnismäßig
stabil erwiesen, sie wurde lediglich im Jahr
2004 einmal gerändert.1 Dies ist insofern erstaunlich,
als sie vor der Beendigung der Friedensverhandlungen
mit der RENAMO verabschiedet worden
war. Friedensverhandlungen zwischen Bürgerkriegsparteien
enthalten zumeist Vereinbarungen
über die Erarbeitung einer neuen Verfassung
und auch die RENAMO hatte während ihrer bewaffneten
Rebellion eine neue Verfassung gefordert.
Mit dem Friedensvertrag von 1992 erkannte
die RENAMO jedoch die Verfassung von 1990
an. Allerdings gehörte der Ruf nach einer Verfassungsrevision
fortan zu ihren wichtigsten politischen
Forderungen.
1998 gab es einen ersten Verfassungsrevisionsprozess,
der aber durch die RENAMO zum Scheitern
gebracht wurde. Der Revisionsentwurf hatte
eine leichte Stärkung des Premierministers gegenüber
dem Präsidenten und eine Beschränkung
auf eine einzige präsidentielle Amtszeit vorgesehen.
Der plötzliche Rückzug der RENAMO lässt
1 Es handelt sich dabei lediglich um kleinere Veränderungen,
so wurden Individualrechte leicht gestärkt, doppelte Staatsbürgerschaften
erlaubt und es wurde eine missverständliche
Formulierung bezüglich der Amtszeitbeschränkung
korrigiert.
sich mit ihrer Hoffnung auf einen Wahlerfolg bei
den nationalen Wahlen im Jahr 1999 erklären.
Die ersten freien Wahlen im Jahr 1994 hatten der
RENAMO
ein starkes Ergebnis beschert, das weitere
Stimmenzuwächse erhoffen lies. Mit der Aussicht
auf das Präsidentenamt für den damaligen
RENAMO-Präsidentschaftskandidaten Dhlakama
verringerte sich der Anreiz für die Opposition, die
Macht des Präsidenten in der Verfassung zu beschränken
(Manning 2007: 128-129).
Die Frage nach der Einhaltung der Amtszeitbeschränkung
stellte sich in Mosambik wieder zur
Jahrtausendwende, als der damalige Präsident
Joaquim Chissano nur mit hauchdünner Mehrheit
in seinem Amt bestätigt wurde.2 Der ehemalige
FRELIMO-Befreiungskämpfer Chissano, der bereits
1986 nach dem Tod von Samora Machel zum
Präsidenten des damaligen Einparteistaates Mosambik
aufgestiegen war, war bei den ersten Wahlen
1994 zum Präsidenten gewählt worden. Chissano
verkündete aber bereits im Mai 2001, dass er
aufgrund seines Respekts vor der parteiinternen
Demokratie innerhalb der FRELIMO und vor der
Verfassung keine dritte Amtszeit anstrebe. Zu diesem
Zeitpunkt hatte allerdings die Kritik an Chissano
bezüglich wachsender Korruption und Kriminalität
im Land und in der Partei schon erheblich
zugenommen. Ein starres Festhalten an der Macht
hätte zudem seinen Ruf als Staatsmann, der Mosambik
in Frieden und Demokratie geführt hatte,
bedroht (Baker 2002: 296; EIU 2007).
Demokratisierungseffekte
Die demokratiefördernden Effekte von Amtszeitbeschränkungen
hängen eng mit den Vorteilen
von Machtwechseln zusammen. Amtszeitbeschränkungen
haben das Ziel, Machtwechsel zu erleichtern.
Empirische Beobachtungen in als konsolidiert
geltenden Demokratien, wie beispielsweise
den USA, zeigen, dass Amtsinhaber mit großer
Wahrscheinlichkeit als Sieger aus Präsidentschaftswahlen
hervorgehen, während bei Wahlen ohne
kandidierenden Amtsinhaber die Wahrscheinlichkeit
eines Sieges der Opposition steigt.
Dieses Phänomen ist auch in Subsahara-Afrika
zu beobachten. Im Zeitraum 1990-2009 hat bei
Präsidentschaftswahlen mit Kandidaten, die das
2 Die Präsidentschaftswahlen von 1999 gelten als von beiden
Seiten stark manipuliert, daher ist das tatsächliche Ergebnis
schwer einschätzbar.
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Präsidentenamt innehatten, nur in zwölf Prozent
der Fälle ein Machtwechsel stattgefunden.3 Wahlen
ohne Beteiligung des Amtsinhabers konnte in
45 Prozent der Fälle ein Kandidat der Opposition
für sich entscheiden. Verschiedene Gründe können
zur Erklärung dieses Phänomens herangezogen
werden: Durch Konflikte um die Nachfolge
im Amt kann eine Regierungspartei geschwächt
oder gar gespalten werden, was eine zu geringe
Wahlkampfunterstützung
für den neuen Kandidaten
durch die eigene Partei zur Folge haben kann.
Neue Kandidaten können zudem nicht mit ihren
Errungenschaften für sich werben. Zudem haben
sie unter Umständen größere Schwierigkeiten bei
der Wahlkampffinanzierung (Cheeseman 2010:
142-143).
Samuel Huntington plädierte dafür, ein Regime
erst dann als demokratisch konsolidiert anzusehen,
wenn die Regierungsmacht zweimal durch
Wahlen an die jeweilige Opposition übergegangen
ist (Huntington 1991). Dieses Kriterium wird
allerdings von vielen Demokratieforschern als zu
wenig aussagekräftig angesehen. Gideon Maltz argumentiert,
dass ein Machtwechsel zwar kein Zeichen
für demokratische Konsolidierung sei, aber
günstige Voraussetzungen dafür schaffe. Er untersuchte
20 Machtwechsel durch Wahlen in autoritären
Regimen im Zeitraum 1992-2006: Innerhalb
von zwei Jahren verbesserten sich die Bewertungen
von politischen Rechten und bürgerlichen
Freiheiten durch die US-amerikanische Organisation
Freedom House um durchschnittlich 0,9 Punkte
auf einer Sieben-Punkte-Skala.4 In den zwölf Fällen,
in denen es nach zwei oder mehr Amtszeiten
des vorherigen Präsidenten zu einem Machtwechsel
gekommen war, verbesserten sich die Werte sogar
um durchschnittlich 1,3 Punkte. Dieser Effekt
der verbesserten Bewertung von politischen Rechten
und bürgerlichen Freiheiten trat allerdings in
den zwölf Fällen nicht ein, in denen zwar der Präsident
gewechselt hatte, der Nachfolger im Amt jedoch
der gleichen Partei wie sein Vorgänger angehörte
(Maltz 2007: 135).
Wie ist die Verbesserung der Freiheitswerte zu
erklären? Lange Amtszeiten ermöglichen Einzelpersonen
oder Parteien die sukzessive Machtanhäufung
und den Aufbau von Patronage-Netz-
3 Aufgrund ihres Ausnahmecharakters wurden Gründungswahlen
aus dem Sample herausgerechnet.
4 Als Vergleichsgröße diente die Bewertung ein Jahr vor der jeweiligen
Wahl. Zudem wurde geprüft, ob sich die Bewertung
in den drei Jahren vor der Wahl verändert hatte.
werken. Selbst wenn die neu ins Amt kommende
Regierung(spartei) nicht unbedingt demokratischer
gesinnt ist, werden durch einen Machtwechsel
diese vormals etablierten Netzwerke zumindest
zeitweilig zerstört. Regierungsabläufe
können somit transparenter und regelkonformer
werden. Zudem gibt es empirische Belege dafür,
dass die reale Möglichkeit eines Machtwechsels die
Motivation zu demokratischem Handeln bei allen
politischen Akteuren erhöht. So setzen sich Politiker
verstärkt für eine unabhängige Justiz ein, wenn
die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass sie bald selbst
der Opposition angehören (Ramseyer 1994).
Im Fall Mosambik führte die Beachtung der
Amtszeitbeschränkung nur zu einem neuen Amtsinhaber,
nicht aber zu einem Wechsel der Regierungspartei.
Die Präsidentschaftswahl 2004 gewann
der FRELIMO-Kandidat Armando E. Guebuza
mühelos mit 64 Prozent der Stimmen. Die seit
1975 andauernde Regierungszeit der FRELIMO
hat
zu einer starken Verfilzung von Staat, Partei und
Wirtschaft geführt. An der Person Präsident Guebuzas
lässt sich dies besonders gut illustrieren. Durch
die Strukturanpassungsprogramme des Internationalen
Währungsfonds in den 1980er und 1990er
Jahren wurden die mosambikanischen Staatsbetriebe
schrittweise privatisiert. Vornehmlich Geschäftsleute
aus dem Dunstkreis der FRELIMO
sowie
die verdiente Parteielite profitierten von diesen
Privatisierungen. Bei seinem Amtsantritt galt Guebuza
bereits als einer der reichsten Männer Mosambiks.
Von Beteiligungen an Banken, an Unternehmen
im Telekommunikations- und Transportsektor
bis hin zur Beteiligung an einer der wichtigsten
Brauereien des Landes: Guebuza hat sich
und seiner Familie einträgliche Geschäftsbereiche
gesichert.
Allerdings unterscheiden sich die politischen
und wirtschaftlichen Machtstrukturen Mosambiks
von den stark personalisierten bzw. neopatrimonialen
Regimen in vielen Ländern Subsahara-Afrikas.
Nicht der Präsident allein, sondern die Partei
FRELIMO
kontrolliert die wichtigsten Machtressourcen
des Landes. Die Partei kann ihre historische
Legitimität aus dem antikolonialen Befreiungskampf
nach wie vor in Wahlerfolge umsetzen.
Zentralkomitee und Politikkommission fordern
regelmäßig Rechenschaft von Präsident Guebuza
und einige der Mitglieder dieser Organe sind
sowohl in ihren politischen als auch in ihren geschäftlichen
Interessen weitgehend unabhängig
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vom Schutz des Präsidenten und verfügen über
eine eigene Machtbasis innerhalb der Partei.
Auch wenn ein Regierungswechsel zur Aufweichung
etablierter Patronage-Netzwerke der FRELIMO
führen könnte, ist der Sieg einer Oppositionspartei
in nationalen Wahlen mittelfristig
nicht sehr wahrscheinlich. Die Opposition ist aktuell
schwach und fragmentiert. Dies hängt zum
einen mit dem ungleichen Spielfeld zusammen,
das durch die Dominanz der FRELIMO in Politik,
Wirtschaft und Gesellschaft entstanden ist. Ein ungleiches
Spielfeld schränkt die Chancen der Opposition
zur politischen Positionierung durch einen
ungleichen Zugang zu Ressourcen, zu den Medien
und der Justiz stark ein (Levitsky und Way 2010:
58). Zum anderen ist die Schwäche der Opposition
selbst verschuldet. Die größte Oppositionspartei
RENAMO versinkt aufgrund interner Querelen
und Machtkämpfe, meist ausgelöst durch
den autokratischen Parteichef Dhlakama, zunehmend
in der Bedeutungslosigkeit. Die 2009 mit
großen Hoffnungen begrüßte neue Oppositionspartei
MDM um den Bürgermeister der Hafenstadt
Beira, Daviz Simango, hat sich zwar mittlerweile
einen zweiten Bürgermeisterposten in der
Provinzhauptstadt Quelimane gesichert, ist jedoch
gleichzeitig mit Nepotismus-Vorwürfen konfrontiert
und bleibt insgesamt zu abhängig von der Popularität
einzelner Personen. Die Entwicklung einer
Parteiprogrammatik scheint blockiert.
Eine dritte Amtszeit?
Trotz aller Befürchtungen der Oppositionsparteien
und in der Gebergemeinschaft kann eine Verfassungsänderung
zugunsten einer dritten Amtszeit
für Guebuza als wenig wahrscheinlich angesehen
werden. Zunächst hat die mosambikanische Führung
aufgrund der großen Abhängigkeit des Landes
von Entwicklungsgeldern ein starkes Interesse
daran, ihr nach wie vor relativ gutes Image bei
den internationalen Gebern und Investoren aufrechtzuerhalten.
Zwar war die Budgethilfe nach
den Wahlen
2009 kurzfristig eingefroren worden,
was zur Verunsicherung in der mosambikanischen
Regierung führte, doch konnte die Regierung
ihr Image wieder verbessern, indem sie zum
Beispiel neue Antikorruptionsgesetze ins Parlament
einbrachte, die von der Gebergemeinschaft
gelobt wurden und zu einer erneuten Aufstockung
der Budgethilfe führten. Eine Abschaffung der geltenden
Amtszeitbeschränkung für den Präsidenten
würde dieses gute Image gefährden.
Noch größeres Gewicht wird allerdings die Kritik
an Präsident Guebuza in der FRELIMO haben.
Die Machtstrukturen innerhalb der höchsten Parteiorgane
sind von außen nur schwer zu durchschauen,
kritische öffentliche Aussagen prominenter
Parteimitglieder in letzter Zeit deuten aber
auf große Unzufriedenheit mit dem Führungsstil,
der anhaltenden Korruption und der mangelhaften
Armutsbekämpfung unter der Präsidentschaft
Guebuzas hin. Guebuza selbst hat versichert, 2014
abtreten zu wollen. Von prominenten FRELIMOPolitikern
wird zudem ein Generationenwechsel
an der Spitze von Partei und Staat angemahnt.
Guebuza gilt als Vertreter des traditionellen
Flügels der FRELIMO. Dies wird an seinen zahlreichen
Funktionen in verschiedenen Phasen der
Parteigeschichte deutlich: Guerilla-Kämpfer gegen
die Portugiesen, erster Innenminister und rechte
Hand des Präsidenten Samora Machel nach der
Unabhängigkeit, Chefunterhändler Chissanos bei
den Friedensverhandlungen zwischen FRELIMO
und RENAMO in Rom, Fraktionsführer im Parlament
und schließlich FRELIMO-Generalsekretär.
Heute gilt der 69-jährige als innenpolitischer Hardliner,
der für einen wirtschaftsliberalen Kurs steht,
von dem bisher vor allem er selbst und Mitglieder
seines Machtzirkels profitierten. Gleichzeitig
ist er für eine zunehmende politische Zentralisierung
verantwortlich. Unter ihm hat die FRELIMO
die Konsolidierung der Parteistrukturen auf allen
Ebenen des Staates massiv vorangetrieben.
Guebuza ist an der Parteibasis in den Distrikten
und Provinzen beliebt. Doch letztendlich ist es
die Parteispitze der FRELIMO, die über eine weitere
Amtszeit entscheiden wird, und dort scheint
er keine Mehrheit mehr zu haben. Da in der Verfassungskommission
kaum Anhänger Guebuzas
sitzen, wird die parteiinterne Guebuza-Opposition
gewichtig sein. Dies verdeutlicht, dass die FRELIMO
der wichtigste Ort der politischen Willensbildung
in Mosambik ist. Dies wird sich angesichts
der zunehmend fragmentierten Opposition
mittelfristig nicht ändern.
Es bleibt abzuwarten, welche Themen künftig in
den Mittelpunkt der Arbeit der Verfassungskommission
rücken werden. In der mosambikanischen
Presse wird eifrig über die konstitutionelle Stärkung
der Rolle des Premierministers gegenüber
dem Präsidenten diskutiert. In jedem Fall bleibt zu
hoffen, dass die Arbeit der Kommission
an TransGIGA
parenz gewinnt und der angekündigte Konsultationsprozess
neue politische Beteiligungsspielräume
eröffnet. Die Stärkung der Rechte des Parlaments
gegenüber der Exekutive wäre ein wichtiger
Schritt in Richtung mehr Demokratie.
Die nächste Frage wird sein, wen die FRELIMO
bei ihrem Parteikongress im September 2012 als
Präsidentschaftskandidaten für die Wahlen 2014
aufstellen wird. Dabei kann es zu einer Richtungsentscheidung
zwischen dem traditionellen Flügel
um Guebuza und einem reformorientierten Flügel
der Partei kommen, der bereit wäre, die unter
Guebuza zunehmend zentralisierte Kontrolle
von Staat und Privatwirtschaft durch die Spitze der
FRELIMO aufzuweichen. Guebuza wird vermutlich
versuchen, einen ihm besonders wohlgesonnenen
Präsidentschaftskandidaten zu etablieren,
denn er muss darauf hoffen, dass sein Nachfolger
unliebsame Fragen nach den Vermögensverhältnissen
des Expräsidenten nicht aufkommen lässt.
Ein Kandidat des Reformflügels würde eventuell
einer neuen Generation angehören. Die einflussreiche
ehemalige Bildungsministerin GraÒ«a Machel
hat bereits öffentlich gefordert, der nächste Präsident
dürfe nicht mehr aus den Reihen der Befreiungskämpfer
kommen. Es spricht jedoch vieles dafür,
dass ein Kompromisskandidat gefunden wird,
mit dem beide Lager leben können.
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in: Journal of Legal Studies, 23, 2, 721-747.
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Das GIGA German Institute of Global and Area Studies - Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien
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„„ Die Autoren
Charlotte Heyl ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am GIGA Institut für Afrika-Studien.
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Henrik Maihack ist Politikwissenschaftler und seit 2011 Projektassistent der Friedrich-Ebert-Stiftung in
Indien.
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Die Autoren haben im Rahmen des Postgraduiertenprogramms des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik
2010/2011 zu Demokratisierungsprozessen in Mosambik geforscht. Sie vertreten hier ihre
persönlichen Ansichten.
„„ GIGA-Forschung zum Thema
Das Forschungsteam "Recht und Politik" im GIGA Forschungsschwerpunkt 2 "Legitimität und Effizienz
politischer Systeme" untersucht unter anderem die Einflüsse von Verfassungsreformen auf den Wandel
politischer Systeme. Detlef Nolte und Almut Schilling-Vacaflor führen dazu das Projekt "Verfassungsänderungen
in Lateinamerika" durch. In einem durch den Pakt für Forschung und Innovation geförderten
komparativen Projekt zur "Unabhängigkeit der Justiz in neuen Demokratien" in Westafrika und Südamerika,
geleitet von Mariana Llanos, spielt die politisch motivierte Änderung von Verfassungsbestimmungen
eine große Rolle.
„„ GIGA-Publikationen zum Thema
Maihack, Henrik, und Johannes Plagemann (2010), Eine dritte politische Kraft in Mosambik?, GIGA Focus
Afrika, 8, online: <www.giga-hamburg.de/giga-focus/afrika>.
Mehler, Andreas (2011), Frieden durch Verfassungsänderungen? Möglichkeiten und Tendenzen, GIGA Focus
Global, 4, online: <www.giga-hamburg.de/giga-focus/global>.
Stroh, Alexander, und Christian von Soest (2011), Den Machterhalt im Blick: Verfassungsreformen in Subsahara-
Afrika, GIGA Focus Afrika, 4, online: <www.giga-hamburg.de/giga-focus/afrika>.
Stroh, Alexander, und Johanna Klotz (2011), Präsidentialismus in Afrika, GIGA Focus Afrika, 9, online:
<www.giga-hamburg.de/giga-focus/afrika>.