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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 08.01.2011

Ubuntu, SOS Kinderdorf

Müssen Hungersnöte sein?

Warum gibt es Armut in Afrika?

Man darf nicht ausblenden, dass einheimische Politikerkasten sich am Vermögen ihrer
eigenen Länder bereichern. Ihr einziges Ziel scheint Organisation und Erhalt von
Macht zu sein. Einkommensungleichheiten hängen stark davon ab, was Regierungen
tun oder getan haben, um auf ein höheres Wirtschaftswachstum zu kommen. In einem
guten Investitionsklima mit leistungsfreundlichen Steuersystemen und einem
funktionierenden Rechtswesen entwickeln sich Länder schneller, andere nicht. Nobelpreisträger Amartya Sen hat darüber hinaus nachgewiesen, dass in Demokratien Hungerkatastrophen kaum noch entstehen.

Weniger Fatalismus

Die afrikanischen Machthaber müssen sich den Fatalismus abgewöhnen, ihr Schicksal
auf Gott oder das Wetter zu schieben und stattdessen die Verhältnisse durch eigene
Anstrengung ändern. So sind die Somalier wohl das einzige Küstenvolk, das keinen
Fisch mag. Dabei könnte der reichlich vorhandene Fisch, der von den Nomaden kulturell
nicht akzeptiert wird, die größten Ernährungsprobleme der hungernden Bevölkerung
lösen. In Ghana ist es dank des Anbaus ertragreicher Manioksorten in den
letzten 30 Jahren gelungen, die Unterernährung rascher zu verringern als in jedem
anderen afrikanischen Land! Das stärkehaltige Wurzelgemüse ist wenig anspruchsvoll
und kann über das ganze Jahr geerntet werden. Die Pflanze toleriert auch karge Böden
und übersteht längere Trockenperioden. Nicht Ereignisse wie Dürre, Missernten
oder Überschwemmungen sind die Hauptursachen für den Hunger, sondern Entwicklungen,
die voraussehbar sind - wie das rasante Bevölkerungswachstum, das von
den Regierungen ignoriert wird. Beispielsweise hatte Tansania 1961 noch 8 Millionen
Einwohner, jetzt sind es 45 Millionen und 2030 werden es 80 Millionen sein. Es ist
absehbar, dass die Länder ohne Familienplanung ihre Bevölkerung nicht mehr
ernähren werden können.

30 Prozent der Nahrungsmittel verrotten

Weitere Ansatzpunkte: Es fehlt an Krediten für Landwirte, an Regenwasser-Speichern,
Trocken- und Reinigungsmaschinen und Fachwissen zur Züchtung resistenter Getreidesorten. Durch verbesserte Anbaumethoden könnten die Erträge leicht verdoppelt
werden. Auch die Infrastruktur müsste ausgebaut werden. Dadurch, dass Straßen
nicht ganzjährig befahrbar sind und die Lagerung sowie der Vertrieb nicht optimal
funktionieren, verrotten aktuell dreißig Prozent des Getreides, Obstes und Gemüses
auf dem Weg vom Acker zur Ladentheke. Zwar arbeiten achtzig Prozent der Bevölkerung
in der Landwirtschaft und Viehzucht, aber die Ernährung der eigenen Familie steht
dabei im Mittelpunkt. Der Bedarf des Kontinents an Nahrungsmitteln kann so nicht
gedeckt werden. 30 Mio.Tonnen Lebensmittel müssen jedes Jahr eingeführt werden.

Wirkungslose UN-Politik

Regelmäßig finden Ernährungsgipfel statt. Auf diesen fordert Jacques Diouf, Generaldirektor
der Welternährungsorganisation der UN, weitere Milliarden für das Armenhaus
Afrika. Die Organisation gilt als schwerfällig und bürokratisch und hat trotz hohem
Budget noch keine wirkungsvollen Änderungen hervorgebracht. In der Vergangenheit
haben die UN-Gremien Welternährungsorganisation (FAO), das Welternährungsprogramm
(WFP) und der International Fund for Agricultural Development (IFAD) ihre Arbeit
unzureichend koordiniert. Sie scheinen sich nicht zu ergänzen, sondern miteinander
zu konkurrieren.

Krise als Chance

Die Krise in Ostafrika, die wir derzeit erleben, ist nicht gänzlich negativ, wenn sie
dazu führt, dass künftig langfristig in die Landwirtschaft investiert wird und so die
Armut konkret und dauerhaft bekämpft wird. Solche und andere Maßnahmen könnten
die Hungersnöte verhindern, wie am Beispiel Malawi zu sehen ist. Das Land hat
sein Hungerproblem gelöst. Statt die von den internationalen Ökonomen empfohlene
Privatisierung einzuführen, hat Malawi seit 2005 Saatgut und Düngemittel subventioniert,
die Ausbildung der Bauern und den Ausbau der Infrastruktur gefördert. Heute
exportiert das Land Nahrungsmittel in die Nachbarländer.
Deutschland muss seine Unterstützung künftig mit nachvollziehbaren Zwischenschritten
verknüpfen. Wenn die Zielvorgaben nicht erfüllt werden, muss das spürbare
Konsequenzen haben, notfalls den Ausstieg aus der Hilfe. Wenn wir in so einem
Fall nicht handeln, bestätigen wir die zynischen Machteliten, die behaupten: "Nicht
wir, sondern ihr habt ein Problem. Eure Entwicklungshelfer wollen sich nie wieder
entbehrlich machen".

Wir müssen uns Afrika ungezwungener nähern und den Afrikanern zutrauen,
dass sie ihre Schwierigkeiten selbst lösen können.

Volker Seitz
war als deutscher Botschafter in verschiedenen afrikanischen Ländern tätig. Zuletzt erschienen: "Afrika wird armregiert"