Beitrag vom 03.07.2011
Die Presse, Wien
Prinz Asserate: "Kappt den Despoten die Lebensschnur"
von Pia de Simony (Die Presse)
Er war gerade in Deutschland, als er mit einem Schlag Vater und Heimat verlor: Der "Presse am Sonntag" erzählt Prinz Asfa-Wossen Asserate vom Umsturz der äthiopischen Monarchie und den weitreichenden Folgen.
(Auszug)
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Was war Ihre spontane Reaktion beim Anblick der friedlichen Demonstranten auf dem Kairoer Tahrir-Platz?
Endlich, endlich! Ein Hoch auf die neue afrikanische Jugend, die sich nichts mehr von Europa diktieren lässt, nach dem Motto: Wir haben den Führer für euch ausgewählt ...
Kann man tatsächlich behaupten, dass Europa einen Gaddafi oder Mubarak für das libysche bzw. ägyptische Volk ausgesucht hat?
Nicht gerade ausgesucht. Doch als diese Herrscher an der Macht waren, hat der Westen sie zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil wie die Götter verehrt, völlig ungeachtet dessen, wie sie mit ihrem eigenen Volk umgegangen sind. Nehmen wir etwa Gaddafi. Er ist bekanntlich schon immer unberechenbar gewesen. Doch die Europäer haben schamlos beide Augen zugedrückt, ihn überall empfangen, um von seinem Erdöl zu profitieren. Und Tunesien war bis vor dem Umsturz der größte Verbündete Frankreichs. Mein Kontinent demonstriert jetzt nicht nur gegen die einheimischen Gewaltherrscher. Die Revolte ist auch ein klarer Appell an Europa: "Hört endlich auf, unsere Diktatoren zu unterstützen!"
Wie können wir Europäer am ehesten der unterdrückten Bevölkerung in Afrika helfen?
Indem die Politiker nicht nur am Sonntag für ihre Wähler in Europa Demokratie und Menschenrechte predigen, um dann am Montag darauf genau das Gegenteil in ihrer Afrika-Politik umzusetzen. Diese verlogene Realpolitik soll endlich aufhören. Das ist der Kern des Problems!
Hieße dies, wenn unsere westlichen Politiker den afrikanischen Gewaltherrschern finanziell das Wasser abgraben würden, gäbe es dort à la longue keine Despoten mehr?
So ist es. Wenn diese Diktatoren merken, dass es ganz Europa endlich ernst meint, dann würden sie es nicht mehr wagen, ihr eigenes Volk derart zu unterjochen. Die afrikanischen Länder würden endlich mit demokratisch gewählten Politikern eine reelle Chance erhalten, ein menschenwürdigeres Dasein zu führen. Deshalb empfehle ich dringend eine gemeinsame europäische Afrika-Politik.
Und was kann Europa konkret tun, damit die Flüchtlingswelle der afrikanischen Desperados nicht in eine regelrechte Flüchtlingsflut ausartet?
Das ist die größte Herausforderung des 21.Jahrhunderts. Die Europäer beklagen sich über die wachsende Zahl der Flüchtlinge, haben aber noch nicht erkannt, dass die größten Produzenten von Migranten auf dieser Welt die afrikanischen Gewaltherrscher sind. Noch einmal: Kappt diesen Despoten die Lebensschnur, sonst kann es passieren, dass übermorgen sieben Millionen hungrige Afrikaner ihrem Kontinent den Rücken kehren und nach Europa strömen. Ein durchaus realistisches Horrorszenario!
In der Entwicklungshilfe - dem Motto folgend "Hilfe zur Selbsthilfe" - haben wir gelungene Beispiele, wie das Lebenswerk des Schauspielers Karlheinz Böhm und seiner äthiopischen Frau Almaz mit ihrer "Stiftung Menschen für Menschen" in Ihrem Land ...
Ja, im Bildungs- und Gesundheitswesen haben beide Großartiges geleistet. Man denke nur an die Errichtung von über 240 Schulen und rund 90 Krankenstationen!
Glauben Sie, dass Ihre Landsleute in 20 Jahren diese laufenden Projekte auch ohne Fremdhilfe weiterführen können?
Sicher. Wenn man ihnen die Möglichkeit gibt, Verantwortung für sich zu übernehmen, ist die Chance für eine erfolgreiche Entwicklung in Äthiopien sehr groß.
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