Beitrag vom 31.03.2011
Neue Zürcher Zeitung
Chinas Unternehmer packen in Afrika an
Zunehmende Eigenständigkeit und Diversifizierung chinesischer Firmen als Chance für afrikanische Volkswirtschaften
Das rasche Wachstum der Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und Schwarzafrika drängt langsame Veränderungen vorläufig in den Hintergrund. Die chinesische Industrialisierung des afrikanischen Kontinents kommt auf leisen Sohlen.
Markus M. Haefliger, Nairobi
Im Zuge der exponentiell wachsenden Handelsbeziehungen zwischen China und Afrika - von 10 Mrd. $ im Jahr 2000 auf derzeit 110 Mrd. $ - sind im vergangenen Jahrzehnt auch Chinas Investitionen in Afrika überproportional angestiegen. Die entsprechenden jährlichen Direktinvestitionen verdoppelten sich laut «BRIC and Africa», einer Monatspublikation der südafrikanischen Standard Bank, allein zwischen 2006 und 2009. Das extreme Wachstum verschleiert aber zweierlei. Erstens bleiben Chinas Investitionen im Vergleich zu traditionellen Herkunftsregionen vorläufig gering. China trug 2009 nur 2% der ausländischen Direktinvestitionen auf dem Kontinent bei, Amerika und die Europäische Union (EU) hingegen je 36%. Chinas Kapitalbestand lag 2008 bei 8 Mrd. $, gegenüber 69 Mrd. $ der Vereinigten Staaten.
Unternehmerische Autonomie
Zweitens übersieht man durch die rasche Zunahme der Investitionen, dass sich Art und Geschäftsbereich der beteiligten Firmen wandeln. Chinesische Staatskonzerne, die in grossem Stil Rohstoffe fördern und im Gegenzug Infrastrukturen und Fussballstadien bauen, sind kein Auslaufmodell. In Kongo-Kinshasa soll demnächst ein umstrittenes Abkommen über 9 Mrd. $ umgesetzt werden. Danach beziehen die chinesischen Staatsunternehmen Cina Railway Group und Sonohydro von der staat lichen kongolesischen Gécamines 10 Mio. t Kupfer und 1000 t Kobalt; dafür errichten sie Strassen, Eisenbahnen und Schulen. Die britische Nichtregierungsorganisation Global Witness kritisiert den undurchsichtigen Handel, bei dem ausser der Gewinnmarge von 19% für die chinesischen Investoren nichts festgelegt sei.
Neben fragwürdigen Abkommen im Rohstoff- und Energiebereich in Milliardenhöhe bleibt es um die Tausende von kleineren chinesischen Firmengründungen, Joint Ventures und Kooperationen still. Unternehmensentscheide werden in diesem Bereich in der Regel frei von politischen Erwägungen gefällt. Die Vorstellung, chinesische Firmen verfolgten in Afrika eine gemeinsame Strategie, sei ohnehin falsch, sagte kürzlich Martyn Davies von der südafrikanischen Investmentgesellschaft Frontier Advisory. Laut der britischen Denkfabrik Chatham House verfügen selbst staatliche chinesische Rohstoffkonzerne über erhebliche Autonomie bei Investitionsentscheiden, da sie die in Afrika geförderten Mineralien und Energieträger selbständig auf den Weltmärkten verkaufen. Chinas Unternehmen finanzieren ihre Investitionen nicht mehr nur über chinesische Staatsbanken, sondern nehmen vermehrt Kredite internationaler Institutionen wie der Weltbank in Anspruch.
Nicht nur Rohstoffe im Blick
Die Industrial and Commercial Bank of China (ICBC) setzte 2007 ein Zeichen, als sie für 5,5 Mrd. $ knapp 20% der Standard Bank, der grössten südafrikanischen Investitionsbank, übernahm. Mit der Acquisition erwarb die ICBC das Know-how der Standard Bank, die auf den Investitionsmärkten von 18 afrikanischen Ländern tätig ist. Offen ist, ob die Diversifizierung chinesischer Investitionen den Ansporn zur Industrialisierung Afrikas gibt. Laut Deborah Brautigam, der Autorin einer packenden Studie über chinesische Unternehmen und Geschäftspraktiken in Afrika,* sind die Ansätze dazu vorhanden.
Rund 20% aller chinesischen Investitionsvorhaben im Ausland liegen in Afrika. Die geografische Reichweite geht über bisherige Schwerpunktländer wie Südafrika oder rohstoffreiche Staaten hinaus. Chinas Unternehmer nutzen die liberalen Wirtschaftsreformen in den Gastländern, die durch bilaterale Investitionsabkommen untermauert sind. Peking ist an einer Wertvermehrung chinesischer Exporte gelegen - weg von billiger Konsumware wie Kleidern und Sandalen, hin zu Textilmaschinen und anderen Produktionsgütern. Haier und ZTE, chinesische Hersteller von Haushalt- und Kommunikationsgeräten, montieren Kühlschränke in Nigeria und Mobiltelefone in Äthiopien. In Tansania, Nigeria und Madagaskar investierten chinesische Pharmaunternehmen in grossem Stil.
Hoffen auf Cluster-Bildung
Im Unterschied zu den Milliardeninvestitionen im Rohstoffbereich bieten die Investitionen Möglichkeiten für vor- und nachgelagerte Verknüpfungen, im Textilbereich etwa mit Webereien und Kleiderfabriken. In Standorten wie Lagos oder Kano in Nigeria gibt es bereits Cluster-Bildungen durch Konkurrenten und Zulieferbetriebe. Sie werden von zugewanderten Chinesen geführt - die chinesische Migration nach Afrika hat die Millionenschwelle überschritten -, immer häufiger aber auch von Einheimischen, die ihr eigenes Glück versuchen.
* Deborah Brautigam: The Dragon's Gift: The Real Story of China in Africa. Oxford 2009.