Beitrag vom 30.03.2011
Interview | MDR INFO
Neudeck: Entwicklungshilfe braucht einen neuen Ansatz
Laut einem Bericht der Vereinten Nationen ist die Schere zwischen den ärmsten und reicheren Staaten in den vergangenen Jahrzehnten immer größer geworden. Von den ganz armen Ländern liegen zwei Drittel in Afrika. Die Entwicklungspolitik ist seit Jahrzehnten in dieser Region tätig. Was hat es gebracht? MDR INFO sprach darüber mit Rupert Neudeck von den "Grünhelmen".
Herr Neudeck, hat all die Entwicklungshilfe nichts genützt?
Auf jeden Fall kann man sagen, dass die Erwartungen, die wir seit 50 Jahren in die Entwicklungshilfe gesetzt haben, nicht erfüllt worden sind. Wir haben 1.000 Milliarden US-Dollar in den Kontinent Afrika gepumpt, und es hat nicht das gebracht, was erwartet wurde. Man hatte ja Blütenträume, dass dort Staaten, dass dort Nationen entstehen, und dass wir das betreiben. Das alles hat nicht stattgefunden. Deshalb muss man sich ganz neu aufstellen.
Wo ist dieses ganze Geld denn hin?
Es ist zu einem großen Teil in die Taschen von Regierungen gegangen, die diesen Namen kaum verdienen, die also Kleptokratien - Diebesbanden - geworden sind. Das alles hat dazu geführt, dass wir von diesem alten Instrument, das verstaubt und versauert ist, Abschied nehmen müssen. Denn so wird die Armut nicht unterbunden.
Also alles eine Folge der Korruption. Aber Korruption ist ja von außen, von Europa aus nicht zu steuern, nicht zu beeinflussen - oder etwa doch?
Doch. Ich weiß noch genau, dass ich vor 20 Jahren zum ersten Mal von einem deutschen Botschafter, von dem ich mir bisher nichts habe sagen lassen, gehört habe, dass gerade Entwicklungshilfe ein ganz starker Motor für Korruption in afrikanischen Ländern geworden ist. Weil das ja Geld ist, das einfach reinkommt und auf das man dann ein Abonnement gehabt hat. Das, was man immer vollmundig als Hilfe zur Selbsthilfe bezeichnet hat, hat ganz wenig stattgefunden, und deshalb müssen wir uns ganz neu ausrichten.
Geht es dabei nur um staatliche Entwicklungshilfe oder auch um das, was die unabhängigen Entwicklungshilfe-Organisationen leisten?
Ich habe bisher nur von der staatlichen Hilfe gesprochen. Die hat in der Tat diese 1.000 Milliarden US-Dollar nach Afrika gebracht. Die Nichtregierungsorganisationen, die kirchlichen Werke, alles, was im privaten und gesellschaftlichen Bereich geschehen ist, hat überall da, wo es gegriffen hat, sehr segensreiche Funktionen gehabt. Aber es hat sich auf Hilfeleistungen in einzelnen Fällen und einzelnen Regionen beschränkt. Es hat nicht das gebracht, was wir brauchen. Denn diese Staaten müssen alle Anschluss bekommen an den globalisierten Weltmarkt, und in Afrika zum Beispiel haben sie das noch gar nicht.
Sehen Sie einen Weg zur Besserung oder sehen Sie jetzt eine Besserung? Ich denke da an die Umsturzbewegungen jetzt in Nordafrika. Da wurden Gelder von Despoten eingefroren.
Wir müssen anfangen, mit ganz wenigen Staaten große Beziehungen aufzunehmen. Ich wünschte mir, dass das in drei Staaten Afrikas, die schon verantwortliche Regierungen haben, geschehen würde. Damit wir dann richtig große Beziehungen haben, wo wir dann große Dinge mit den Menschen vor Ort machen könnten, so dass die einen Arbeitsplatz und Berufsausbildung bekommen. Ich nenne mal Tansania, ein Land, das nie einen Krieg gehabt hat und das zu solchem Aufbau in der Lage wäre. Dann käme dazu Uganda, ein Land, das auch einen weiten Weg genommen hat. Es käme dazu Ruanda, wo eine Regierung bereit und in der Lage ist, für ihr Volk alles rauszuholen aus der wirtschaftlichen Entwicklung, was möglich ist. Das wären drei Länder, zu denen man noch Kenia hinzufügen könnte oder Burundi. Um diese kleine Region würde ich mich kümmern.