Beitrag vom 16.02.2011
EUROPÄISCHER RECHNUNGSHOF
PRESSEMITTEILUNG
Luxemburg, den 16. Februar 2011
ECA/11/ 09
Sonderbericht
Verwaltet die Kommission allgemeine Budgethilfen in AKP-Staaten sowie in lateinamerikanischen und asiatischen Ländern wirksam?
Budgethilfen sind das bevorzugte Hilfeinstrument der Europäischen Kommission. Es ist geplant, im Zeitraum 2008-2013 fast 50% - bzw. rund 11 Milliarden € - der aus dem zehnten Europäischen Entwicklungsfonds gewährten Hilfe über dieses Instrument auszuzahlen. Konkret bedeutet die Bereitstellung allgemeiner Budgethilfen, dass große Mittelbeträge direkt in die nationalen Haushalte ausgewählter Partnerländer eingestellt werden.
Die Bereitstellung der Hilfe in Form von Budgethilfen weist gegenüber dem herkömmlichen Hilfeansatz über Projekte eine Reihe potenzieller Vorteile auf. Mit diesem Instrument kann Hilfe in größerem Umfang und besser vorhersehbar bereitgestellt werden, und da die Mittel der Finanzierung der nationalen Entwicklungsstrategie des Partnerlandes dienen, fühlt sich das Partnerland dafür tendenziell stärker verantwortlich. Überdies kann dieses Hilfeinstrument zur Optimierung des öffentlichen Finanzmanagements und zur Erhöhung der Rechenschaftspflicht beitragen. Außerdem werden Budgethilfen als Möglichkeit gesehen, den politischen Dialog mit den Empfängerländern zu intensivieren und die Koordinierung der Hilfe zwischen den Gebern zu verbessern.
Der Europäische Rechnungshof hat im Rahmen seiner Prüfung untersucht, ob die Kommission allgemeine Budgethilfen in afrikanischen, lateinamerikanischen und asiatischen Ländern wirksam verwaltet. Er gelangt zu der Gesamtschlussfolgerung, dass die Kommission beträchtliche Anstrengungen im Hinblick auf die Weiterentwicklung und Verbesserung ihres Ansatzes zur Bereitstellung von Budgethilfe unternommen hat. Dennoch sind bei Konzeption und Verwaltung der allgemeinen Budgethilfeprogramme nach wie vor Schwachpunkte gegeben. In Bezug auf die Wirksamkeit sind also noch Verbesserungen möglich.
• Ein positives Merkmal im Ansatz der Kommission besteht darin, dass gesamtwirtschaftliche Ziele und Ziele im Bereich des öffentlichen Finanzmanagements systematisch in die Programme einbezogen werden. Allerdings tragen die Ziele der allgemeinen Budgethilfeprogramme den konkreten Gegebenheiten und sich wandelnden Prioritäten der Partnerländer nicht hinlänglich Rechnung. So wird der von der Kommission verfolgte Ansatz insbesondere nicht ausreichend der Tatsache gerecht, dass die nationalen Entwicklungsstrategien mancher Länder in den letzten Jahren auf ein wachstumsorientiertes Konzept umgestellt wurden. Die Kommission sollte sich im Rahmen der nationalen Prioritäten stärker auf bestimmte Bereiche konzentrieren, in denen sie den größten Zusatznutzen erzielen kann.
• Die Kommission hat noch keinen soliden Rahmen für das Risikomanagement geschaffen, um die Risiken bei ihren allgemeinen Budgethilfeprogrammen angemessen zu bewerten und zu begrenzen. Dies ist in Anbetracht der Tatsache, dass die direkte Einstellung hoher Mittelbeträge in die öffentlichen Haushalte von Entwicklungsländern aufgrund von unzulänglichem Finanzmanagement, Korruption usw. mit beträchtlichen Risiken verbunden ist, besonders wichtig. Die EU-Mittel sollten besser vor Versickerung, Vergeudung und Unwirtschaftlichkeit geschützt werden. Zu diesem Zweck muss eine strukturierte und explizite Bewertung der treuhänderischen und Entwicklungsrisiken stattfinden.
• Es ist nicht klar, auf welcher Grundlage die Kommission die Höhe der den allgemeinen Budgethilfeprogrammen in den verschiedenen Ländern zuzuweisenden Mittel festsetzt. Die Kommission sollte nachweisen, dass der einem bestimmten allgemeinen Budgethilfeprogramm zugewiesene Betrag angesichts der Ziele und der gegebenen Risiken und Vorteile angemessen ist.
• Die für die Verbesserung des Finanzmanagements gewährte Hilfe beruhte nicht auf einer angemessenen Bewertung des Bedarfs. Die Kommission sollte mit dem Partnerland und in Abstimmung mit anderen Gebern den vorrangigen Bedarf beim Kapazitätenaufbau erheben und sich auf die Bereiche konzentrieren, in denen ihre Unterstützung den größten Zusatznutzen erbringen kann. Nicht genug Beachtung geschenkt wurde der notwendigen Stärkung von Kontrollinstanzen wie Parlamenten, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Obersten Rechnungskontrollbehörden, die bestrebt sind, den Einsatz der Haushaltsmittel durch die Regierung zu überwachen.
• Die an die Auszahlung allgemeiner Budgethilfen geknüpften leistungsbezogenen Bedingungen (wie z. B. erforderliche politische Maßnahmen oder zu erzielende Ergebnisse in den Bereichen öffentliches Finanzmanagement, Gesundheit oder Bildung) sind relevant. Sie dürften aber kaum den beabsichtigten Anreizeffekt entfalten, da es oftmals schwierig ist, Zielvorgaben zu formulieren, die nicht bewusst niedrig oder unrealistisch hoch angesetzt sind. Oft lässt sich auch nur schwer beurteilen, ob Bedingungen erfüllt sind oder nicht. Dies ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass nicht klar festgelegt ist, wann ein zufriedenstellender Fortschritt vorliegt. Die Kommission sollte ihre Verwaltung in Bezug auf die leistungsbezogenen Bedingungen verbessern. Zu diesem Zweck sollte sie u. a. einen klaren und strukturierten Rahmen für die Bewertungen und Auszahlungen ausarbeiten.
• Die Kommission betrachtet den politischen Dialog zu Recht als ein Schlüsselelement ihrer allgemeinen Budgethilfeprogramme, schöpft ihn jedoch nicht in vollem Umfang aus. Sie sollte ihre Herangehensweise an den Dialog verbessern, indem sie für jedes allgemeine Budgethilfeprogramm eine Dialogstrategie mit den Zielen, Inhalten und Modalitäten festlegt. Ferner sollte sie sicherstellen, dass in den Delegationen ausreichende Sachkenntnis für das Führen dieses Dialogs vorhanden ist.
• Die externe Berichterstattung der Kommission über allgemeine Budgethilfen stellt eher deren potenzielle Vorteile hinsichtlich der besseren Bereitstellung der Hilfe heraus, gibt aber verhältnismäßig wenig Aufschluss über die tatsächlichen Auswirkungen. Evaluierungsmethoden zum Nachweis dafür, ob und unter welchen Voraussetzungen Budgethilfen wirksam zur Armutsminderung beitragen können, wurden bislang nicht festgelegt. Die Kommission sollte die Berichterstattung über die Wirksamkeit ihrer Budgethilfeprogramme verbessern.
Die Kommission hat mit einer Überarbeitung ihrer internen Leitlinien begonnen, um die meisten der vom Hof im Sonderbericht beanstandeten Mängel im Bereich der allgemeinen Budgethilfen anzugehen.