Beitrag vom 08.11.2010
Augsburger Allgemeine
Mitleid hilft nicht weiter
Krumbach
Volker Seitz, ehemaliger Botschafter in Kamerun, spricht Klartext in seinem Buch "Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann". Über seine Erfahrungen berichtete er jetzt in der Stadtbibliothek - veranstaltet und moderiert hatte den Abend im Rahmen des Literaturherbst der Verein "Solidarität eine Welt Krumbach" in Zusammenarbeit mit "Eine Welt Netzwerk Bayern".
Laut Welternährungsorganisation hungern 300 Millionen Afrikaner. Als Zielrichtung plädiert Seitz für eine optimistischere Sichtweise, die mit grundsätzlichen Veränderungen im entwicklungspolitischen Bereich verbunden sei. "Nur so ist Aufschwung möglich", sagte er. Der wichtigste Wachstumstreiber sei nicht die Landwirtschaft, sondern die rasant steigende globale Rohstoff-Nachfrage.
"Selbstverständlich werden Rohstoffe in Afrika schon seit langer Zeit gefördert. Doch korrupte Regimes stecken das Geld in alles Mögliche, nur nicht in die funktionierende Weltwirtschaft." Wenn politische Stabilität und Freihandel Schule machen, könnten nicht wenige der insgesamt 53 Länder in absehbarer Zeit einen Wohlstandsschub erleben.
Seitz führt das Scheitern der Entwicklungshilfe nicht auf den Geldmangel zurück, sondern sieht es in den politischen Rahmenbedingungen begründet. Eckpfeiler für effektive Hilfe sind seiner Ansicht nach "Ergebnisorientierung" und eine "ergebnisbasierte Finanzierung". Als Grundlage hierfür diene ein neues Konzept "Vergütung für erzielte Wirkung". "Deutschland muss mehr in die Rolle als Unterstützer von Eigenanstrengungen kommen", sagte Seitz. "Wir brauchen einen radikalen Wandel in unserer Afrikapolitik. "Heute geben wir viel Geld aus, ohne damit viel zu verbessern." Der Kontinent brauche eine eigenverantwortliche Wirtschaftspolitik, weiterverarbeitende Produkte und echte Industrien. Mit geschenkter Hilfe würden die Menschen zu Untüchtigkeit erzogen. "Aber die Quantität der Hilfe scheint für viele wichtiger als die Qualität", so Seitz in seinem Plädoyer. Die Afrika-Politik werde zu oft nur auf das "Helfen" reduziert, so bleibe Entwicklungshilfe nur an der Oberfläche.
Weg vom Helfersyndrom
Das System müsse dringend reformiert werden, so das Resümee von Seitz. "Wir müssen weg von diesem Helfersyndrom, sonst verdrängen wir die afrikanische Eigendynamik und behindern deren Stärkung. Vielmehr sollten wir auf Ressourcenmanagement, Existenzsicherung und praktische Überlebenshilfe setzen, die nur gelingen kann, wenn an oberster Stelle die Hilfe zur Selbsthilfe steht und nicht die Selbstentmündigung."
Ein Umdenken sei erforderlich, appellierte Seitz an die Gäste. "Und wir sollten den Menschen in Afrika nicht mehr einreden, dass sie ihre Probleme nicht selbst lösen könnten." Es müsse endlich ein Bewusstsein geschaffen werden, dass es bei der Bewältigung der Zukunft auf die Afrikaner selbst ankommt - nicht auf uns." (hess)