Beitrag vom 08.09.2010
FAZ
Kongo
Entwicklungshilfe droht ein Desaster
Die "Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit" (GTZ) steht in Kongo vor einem finanziellen Desaster. 44 ihrer Konten wurden dort gepfändet, das Bürogebäude in Kinshasa ist längst enteignet worden. Jetzt droht der GTZ ein Strafbefehl von mehr als 1,5 Millionen Dollar.
Von Thomas Scheen, Johannesburg
Der deutschen Entwicklungshilfe in Kongo droht ein finanzielles Desaster. Der "Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit" (GTZ), die nahezu alle Projekte betreut, die von Deutschland finanziert werden, wurden sämtliche 44 Konten gepfändet, die sie für ihre Entwicklungsarbeit unterhält.
Das Gebäude der GTZ-Zentrale in der Hauptstadt Kinshasa, das vor zwei Jahren für 800.000 Dollar gekauft wurde, ist enteignet worden. Der Gesellschaft droht außerdem ein Strafbefehl über 1,5 Millionen Dollar. Kongo ist ein sogenanntes Schwerpunktland der deutschen Entwicklungshilfe. Jährlich sind im Bundeshaushalt für Projekte in dem afrikanischen Land rund 70 Millionen Euro vorgesehen.
Beim Entwicklungshilfeministerium in Berlin heißt es dazu, man sei "bemüht, die Probleme zu lösen". An den für Ende Oktober vorgesehenen Regierungsverhandlungen mit Kongo werde der Fall "nicht spurlos" vorübergehen. Ähnliches verlautete aus dem Auswärtigen Amt. Dort hieß es, man arbeite an dem Fall; der Botschafter in Kinshasa sei eng damit befasst. An eine Einstellung der Arbeit in Kongo wird in Berlin jedoch offenbar nicht gedacht.
Eine Ladung Brennholz mit Folgen
In Bedrängnis geriet die GTZ durch Ansprüche eines kongolesischen Geschäftsmanns sowie einer kongolesischen Nichtregierungsorganisation, die jeweils durch die kongolesische Justiz nicht nur Recht bekamen, sondern noch in die Höhe getrieben wurden.
Der Geschäftsmann klagt seit Jahren wegen einer Ladung Brennholz, die 1994 geliefert werden sollte, von der GTZ aber nie vollständig in Empfang genommen werden konnte. Mittlerweile fordert er 1,5 Millionen Dollar Schadenersatz. Vor drei Jahren ging es noch um eine Summe von mehr als 300.000 Dollar. Damals bezahlte die kongolesische Regierung die Hälfte der Summe, um den Geschäftsmann zu beschwichtigen und einen diplomatischen Eklat mit Deutschland zu vermeiden. Der Fall weckte hingegen neue Begehrlichkeiten auch von anderer Seite.
Die Pfändung aller GTZ-Konten geht auf eine Forderung einer sogenannten Hilfsorganisation zurück, die von der GTZ nach dem Vulkanausbruch in Goma 2002 mit Soforthilfe beauftragt worden war, sich aber als inkompetent herausstellte.
Das Projekt wurde deshalb gekündigt. Seither fordert die Organisation, unterstützt von der Justiz, Schadensersatz in Höhe von nahezu einer Million Dollar.
"Wir haben uns nichts vorzuwerfen"
Aufgrund der Pfändung ist die GTZ so gut wie zahlungsunfähig. Der Plan, Bargeld über das Nachbarland Burundi nach Kongo einzuschmuggeln, um so Angestellte und laufende Projekte zu finanzieren, wurde verworfen.
Das Entwicklungsministerium teilte mit, die GTZ in Kongo sei dennoch zahlungsfähig. Es gebe "alternative Kanäle". "Wir haben uns nichts vorzuwerfen", sagte die Sprecherin der GTZ, Anja Tomic. "Gerichtsklagen in Kongo sind leider ein einträgliches Geschäft geworden, und wir sind davon betroffen".