Beitrag vom 19.10.2009
Deutschlandradio Kultur ("Ortszeit")
CDU-Politiker: Entwicklungshilfe an Bedingungen knüpfen
Ex-Staatssekretär Köhler fordert radikalen Wandel in der Entwicklungspolitik
Der ehemalige Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Volkmar Köhler (CDU), appelliert an die künftige Bundesregierung, dass Staaten, die Hilfe empfangen, auch ihre Einkünfte offenlegen sollten.
Marcus Pindur:
Steuersenkung, kalte Progression, Vorratsdatenspeicherung, Gesundheitsfonds, das sind die Themen, die die Berichterstattung der letzten Tage beherrschen. Ein Thema, das weit hinten steht bei den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und FDP, das ist die Entwicklungshilfe - ziemlich zu Unrecht, denn auch da gibt es offensichtlich viel Reformbedarf. In diesen Tagen konnte man einen Aufruf vieler Entwicklungspolitiker, aber auch Praktiker in den Zeitungen lesen. Der Kurs der Entwicklungspolitik müsse grundlegend geändert werden, hieß es da. Und dieser Aufruf ist unterzeichnet worden von Menschen aus allen politischen Lagern, die sich früher fast unversöhnlich gegenüberstanden, heute aber die gleichen Einsichten haben.
Ich habe mit einem der Initiatoren gesprochen, dem ehemaligen Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Volkmar Köhler, und habe ihn zunächst gefragt: Sie fordern von der neuen Bundesregierung eine grundsätzliche Kursänderung in der Entwicklungspolitik. Aber in welche Richtung soll es gehen?
Volkmar Köhler:
Zunächst einmal geht es bei unseren Forderungen um die Entwicklungspolitik, also nicht um die humanitäre Hilfe, nicht um die Arbeit der Kirchen und vielen privaten Organisationen. Diese Hilfe, die unmittelbar vor Ort an in Not befindlichen Menschen geleistet werden soll, soll unbeschadet sein und auch vom Staat weiter unterstützt werden. Wir sind aber der Auffassung, dass nach über vier Jahrzehnten offensichtlich ist, dass die bisherigen Wege der Entwicklungspolitik in vieler Hinsicht in die Irre geführt haben und keine dauerhaften Erfolge zeitigen.
Pindur:
Sie fordern unter anderem, dass Entwicklungshilfe eingeschränkt wird und an ganz klare Bedingungen geknüpft wird. Welche sind das?
Köhler:
Es sind die Bedingungen, dass die Staaten, die Entwicklungshilfe empfangen, ihre eigenen Einkünfte klarlegen - auch aus Bodenschätzen -, dass sie eine effektive Kontrolle der Hilfe durch ihre Parlamente gewährleisten, dass sie die Korruption nachhaltig bekämpfen und dass sie Projekte, die erstellt worden sind, auch pflegen und in Stand halten und nicht einfach verfallen lassen, darauf warten, dass jemand kommt, um sie dann wieder neu zu machen.
Pindur:
Sie setzen also insgesamt auf mehr Eigeninitiative bei der Entwicklung. Welche Instrumente halten Sie denn da für sinnvoll?
Köhler:
Wir meinen, dass wir grundsätzlich nur noch Kredite geben sollen und dass die Kredite auch den Menschen in den Ländern zugänglich sein müssen, um ihre Selbsthilfe zu organisieren. Es gibt ja da auf dem Gebiet hervorragende Erfahrungen, ich denke nur an die bekannte Bank in Bengalen, die in aller Munde ist.
Pindur:
Die sogenannten Mikro-Kredite?
Köhler:
Ganz recht.
Pindur:
Ein Mittel, das die Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul immer mehr angewandt hat, das ist die sogenannte Budget-Hilfe. Das stünde also in direktem Gegensatz dazu. Man gibt den Staaten in der Dritten Welt direkt Geld und die sollen dann selber vor Ort entscheiden, wie sie es einsetzen. Stärkt das nicht auch die Eigeninitiative und die Eigenverantwortung?
Köhler:
Dann, wenn diese Budget-Hilfe wirklich demokratisch kontrolliert wird, und zwar von den Empfängern selber, also ihren Parlamenten. Die Budget-Hilfe darf nicht weiterhin ein Selbstbedienungsladen für Minister und Provinzgouverneure sein, die auf diese Weise zu zusätzlichen Einnahmen kommen.
Pindur:
Also die Rolle der Eliten in den Entwicklungsländern sehen Sie sehr, sehr skeptisch?
Köhler:
Ich glaube, wir haben allen Grund dazu. Lassen Sie mich mal ein Beispiel nennen. Als in Botswana Diamanten entdeckt wurden, hat man in sehr verantwortlicher Weise mit diesen Diamanten und den Einkünften die Infrastruktur des Landes entwickelt, die Ausbildung gefördert und tatsächlich einen großen Schritt nach vorne getan. In einem anderen Staat, nämlich Sierra Leone, hat es offiziell nie Diamantengewinnung gegeben. Sie ist über Jahrzehnte in keiner Statistik ausgewiesen worden, weil sie immer wieder nur an politische Freunde, an Leute, die der Regierung einen Gefallen taten, und so weiter, verpachtet oder als Bestechung gegeben wurden. Das heißt, hier ist ein wichtiger Einkommenszweig des Landes immer im Unklaren und im Dunkeln geblieben und nie verantwortlich verwaltet worden.
Pindur:
Insgesamt würde man sich, wenn man das so ändern würde, ja einem großen Vorwurf aussetzen, nämlich dass man die Entwicklungshilfenationen, die der Entwicklungshilfe bedürfen, ja in ein Chaos stürzt, das die Eliten vielleicht verursacht haben, aber die Menschen dann ausbaden müssen.
Köhler:
Wir haben seit ein paar Jahrzehnten die Situation, dass wir immer wieder gegen das Chaos ankämpfen müssen, und es muss endlich mal darüber diskutiert werden, ob die bisher verwandten Methoden uns da wirklich weitergeholfen haben. Anfang der 80er-Jahre waren große Teile der damals sogenannten Dritten Welt pleite, infolge der Weltwirtschaftskrise und der Rohstoffpreisentwicklung. Anschließend hat man außenpolitische Ziele vorgeschützt. Deutschland suchte Unterstützung für einen ständigen Platz im Weltsicherheitsrat und hat deswegen immer wieder die Augen zugedrückt. Das Ergebnis liegt auf der Hand. In Afrika hungern heute mehr Leute denn je zuvor. Die Ernährungssituation ist zurückgefallen auf den Zustand von 1970. Das lässt sich wirklich nur bekämpfen, wenn ein Wechsel in der Regierungsweise in diesen Ländern eintritt, und darauf müssen wir drängen.
Pindur: Volkmar Köhler, ehemaliger Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit.