Aller au contenu principal
Pour une autre politique de développement!

Beitrag vom 14.08.2024

Handelsblatt

Warum Tech-Konzerne in Afrikas Start-up-Szene investieren

Schon bald wird Afrika Asien als Kontinent mit dem schnellsten Bevölkerungswachstum überholen. Das Potenzial ist riesig. Aber auch hier bekommen Start-ups weltweite Rezessionsängste zu spüren.

Kathrin Witsch

Nairobi. Während die globale Start-up-Szene seit zweieinhalb Jahren mit sinkenden Investitionen kämpft, stellen sich einige Länder auf dem afrikanischen Kontinent gegen den Trend.

Laut dem „African Startup Funding Report“ des Branchendienstes Disrupt Africa, haben Kenia, Südafrika, Marokko, Senegal, die Demokratische Republik Kongo, Ruanda, Äthiopien und Sambia 2023 sogar mehr Geld eingesammelt als noch ein Jahr zuvor. Besonders auffällig: die neu entdeckte Afrika-Affinität einiger großer Tech-Konzerne aus den USA.

Der Mobilitäts-Spezialist Uber trat im Frühjahr als Hauptinvestor bei einer 100 Millionen Dollar schweren Finanzierungsrunde des nigerianischen Start-ups Moove auf. Das Jungunternehmen finanziert Autokäufe über Ratenzahlungen. Für Uber war es die erste Investition in ein afrikanisches Unternehmen überhaupt. Auch Netflix-Gründer Reed Hastings und Ex-Alphabet-CEO Eric Schmidt beteiligten sich in diesem Jahr an dem kenianischen Start-up SunCulture, das solare Wasserpumpen vertreibt.

Die Kreditkarten-Marktführer Visa und Mastercard haben in den vergangenen zwei Jahren sogar mehrere Hundert Millionen Dollar in afrikanische Innovationen und Investments gesteckt. Und Amazon-Gründer Jeff Bezos ist mit seinem persönlichen Venture-Fonds Bezos Expeditions schon seit vier Jahren bei dem Fintech Chipper Cash aus Ghana investiert.

Afrikas Start-up-Szene wächst

„Wenn US-Firmen Hunderte Millionen in Deals in Afrika investieren, ist das ein Zeichen für das wirtschaftliche Potenzial und auch den Glauben an das Wachstum des Marktes“, sagt Max Cuvellier Giacomelli, Mitgründer der Marktanalyseplattform The Big Deal, im Gespräch mit dem Handelsblatt. Das Unternehmen hat sich auf die afrikanische Start-up-Szene spezialisiert.

Giacomelli erwartet für Afrikas Szene weiteres Wachstum, selbst wenn auch dort junge Unternehmen unter der weltweit angeschlagenen Wirtschaftslage leiden – im ersten Halbjahr 2024 sind die Investitionen auf dem Kontinent um über 60 Prozent eingebrochen. Aber: „Mehr als ein Drittel der Investitionen 2024 sind Kredite. Vor drei Jahren lag diese Zahl noch bei weniger als zehn Prozent,“ erklärt der gebürtige Franzose.

Das sei ganz klar ein Zeichen für die Reife des Start-up-Ökosystems. Und zeige außerdem, dass der Markt darauf vertraut, „dass afrikanische Start-ups mit einer breiteren Zahl an Investmentinstrumenten umgehen können“. Und trotz des Einbruchs fließe immer noch deutlich mehr Geld in Start-ups auf dem afrikanischen Kontinent als 2019.

Das Investitionsvolumen kann allerdings international noch nicht mithalten. 2023 haben Start-ups so viel Geld eingesammelt wie der US-Bundesstaat Miami. Und gerade mal 3,7 Prozent der weltweit investierten Start-up-Förderung gehen laut dem Global Start-up Ecosystem Index in afrikanische Länder. Stattdessen geht knapp die Hälfte in die USA, ein Viertel nach Asien, und knapp 20 Prozent landen in Europa.

Aber das steigende Interesse ist Ausdruck eines wichtigen Trends: Afrika wird laut den Vereinten Nationen bis 2050 der Kontinent, dessen Bevölkerung mit Abstand am schnellsten wächst. Dann könnten mehr als 25 Prozent der Weltbevölkerung auf dem Kontinent geboren worden sein – während vor allem in Asien und Europa die Bevölkerung schrumpft.

Besonders viel Bewegung ist in den „Big Four“: Kenia, Nigeria, Südafrika und Ägypten. Allein diese vier Länder vereinen über 85 Prozent aller Investitionen auf sich. Erst vor einem Jahr hat Kenias Hauptstadt Nairobi Lagos, die Hauptstadt von Nigeria, als Zentrum der afrikanischen Start-up-Szene abgelöst.

Laut Gründer Calvin Kebati liegt das vor allem daran, dass sich die Rahmenbedingungen für Start-ups in Kenia verbessert haben: „Die vergangenen Jahre wurde vor allem in Infrastruktur, Glasfaser und die Digitalisierung der Behörden investiert“, sagt der gebürtige Kenianer.

Mit seinem Tech-Start-up Nakili bietet Kebati kleinen Shops, Friseuren und Spas eine digitale Management-Plattform für ihr Geschäft und wurde mit seiner Idee gerade erst als eines von zehn Jungunternehmen für den Africa Accelerator von Google ausgewählt. Das dreimonatige Projekt unterstützt afrikanische Start-ups mit internationalen Experten und Workshops bei der Skalierung ihres Geschäftsmodells.

Sechs Einhörner aus der Finanzindustrie

Die meisten Investoren kommen aus den USA, gefolgt von Europa und dann erst afrikanischen Ländern selbst. „Es gibt allerdings den Trend, dass Investoren aus anderen Regionen zunehmend mit lokalen Venture-Fonds zusammenarbeiten“, berichtet Analystin Oke Ekpagha von dem Frühphasen-Investmentfonds Oui Capital aus Nigeria.

Der Fonds hat sich insbesondere auf Fintech-Investments spezialisiert. Keine andere Branche ist auf dem Kontinent erfolgreicher. Zwar konnten im ersten Halbjahr 2024 Mobilitätslösungen mehr Geld einsammeln, doch von den bislang sieben Einhörnern Afrikas sind sechs aus der Finanzindustrie. Als Einhörner werden Start-ups mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde Dollar bezeichnet.

Im Februar sicherte sich Mastercard für 200 Millionen Dollar fast vier Prozent an dem südafrikanischen Telekommunikationskonzern MTN. Oder besser gesagt: an dessen Fintech-Arm Momo. Ein mobiles Bezahlsystem, das mittlerweile über 60 Millionen Kunden in mehreren Ländern zählt. Anders als bei Paypal oder Klarna können Kunden Geld einfach von Handy zu Handy verschicken, ohne Kreditkarten oder Bankkonten hinterlegen zu müssen.

Mobiles Bezahlen ist in vielen Ländern Afrikas angesagt. Auch in Kenia nutzen 51 von 54 Millionen Einwohnern MPesa, den inländischen Marktführer der Vodafone-Tochter Safaricom.

Politische Instabilität und schwierige Wirtschaftslage

Der Grund für den Erfolg laut Giacomelli: Es gibt immer noch Millionen Menschen in afrikanischen Ländern, die erst nach und nach Zugang zum finanziellen Ökosystem mit festen Strukturen über Banken oder andere Anbieter bekommen. Besonders einfach geht das über mobile Bezahlsysteme.

Das scheint auch Visa erkannt zu haben: „Wir haben unsere Investitionen in Afrika stetig erhöht und wollen in den nächsten fünf Jahren eine Milliarde Dollar investieren, um den Betrieb auszubauen, Innovationen umzusetzen und die Zusammenarbeit zu vertiefen“, erklärt ein Sprecher die Afrika-Strategie des Unternehmens.

Aktuell beobachtet Expertin Ekpagha allerdings eine Zurückhaltung gerade westlicher Investoren. Die politisch instabile Situation in einigen Ländern sei bei der angespannten Wirtschaftslage nicht gerade hilfreich: „Investoren werden definitiv vorsichtiger, und die Voraussetzungen für ein Investment sind mittlerweile deutlich höher.“

Das spürt auch Nakili-Chef Kebati. Geld habe das Start-up in jüngster Zeit vor allem von lokalen Investoren bekommen. „Die Lage ist herausfordernd. Aber langsam sehen wir eine Verbesserung“, so Kebati.

Der Juli war laut „The Big Deal“ sogar der erfolgreichste Monat für Start-ups aus Afrika seit über einem Jahr. 420 Millionen Dollar konnten sich Gründer aus verschiedenen Ländern sichern. Unter anderem sammelte MNT-Halan, das Fintech-Einhorn aus Ägypten, mehr als 157 Millionen ein.

Nicht mit eingerechnet ist dabei die Übernahme des südafrikanischen Start-ups Quicket durch den US-Eventriesen Ticketmaster. „Zusammen werden wir eine neue Ära noch nie da gewesenen Wachstums für afrikanisches Entertainment einläuten“, begründete Ticketmaster-Chef Mark Yovich den Kauf.