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Beitrag vom 24.08.2021

NZZ

Sambia

Afrikas neuer Vorzeigedemokrat tritt sein Amt an

Hakainde Hichilemas Wahlsieg in Sambia hat auf dem Kontinent Euphorie ausgelöst. Doch Siege der Opposition dürften selten bleiben.

von Samuel Misteli

Nur eine Woche hatte Sambias neuer Präsident Zeit, um den erstaunlichsten Wahlausgang in Afrika seit langem zu feiern und sich auf sein Amt vorzubereiten. Hakainde Hichilema, 59, besser bekannt als «HH», nutzte die Tage, um sich als Vorzeigedemokrat zu präsentieren. Als solchen sehen ihn viele in Afrika, seit er Mitte August den autoritären Amtsinhaber Edgar Lungu mit einer Million Stimmen Vorsprung bezwungen hat.

In seiner ersten Rede versprach Hichilema den Sambierinnen und Sambiern eine «bessere Demokratie». Sein Sprecher hielt tägliche Pressebriefings ab, er demonstrierte so den Willen zur Transparenz. Auf Twitter liess der Präsident in spe das Land und die Welt wissen, dass seine Minister kompetent, die Verwaltung professionell und die Presse frei sein werde. Er schrieb, er werde dem Volk immer zuhören – denn schliesslich sei er dessen Diener.

Mit der Amtseinführung am Dienstag hat Hichilema sein Ziel erreicht; fünfmal war er seit 2006 als Kandidat angetreten, fünfmal gescheitert. Beim sechsten Mal hat es geklappt. Hichilema kommt aus einfachen Verhältnissen, als Kind hütete er Kühe, er studierte dank einem Stipendium, erwarb einen MBA in England und leitete in Sambia zwei Consulting-Firmen. Diese Tellerwäscher-Geschichte erzählte er den Wählern, er versprach ihnen, er könne das mit 12 Milliarden Dollar verschuldete Land aus der wirtschaftlichen Misere hieven – so wie er einst sich selber hochgehievt hatte.

20 Länder in Afrika sind «nicht frei»

In den Augen mancher Analysten und Oppositioneller in anderen afrikanischen Ländern wird Hichilema nicht nur Sambia hochhieven, sondern leidgeprüfte Demokraten auf dem ganzen Kontinent. Der prominente ugandische Oppositionelle Bobi Wine feierte Hichilemas Sieg als Sieg für ganz Afrika. Der tansanische Oppositionelle Tundu Lissu bezeichnete ihn als «massive Inspiration». In Sambias Nachbarland Simbabwe twitterte der Oppositionsführer Nelson Chamisa, Simbabwe sei als nächstes Land an der Reihe. Das einst unter Robert Mugabes Diktatur heruntergewirtschaftete Land wählt 2023.

Die Euphorie, die der überraschende Sieg von Hichilema über Sambia hinaus ausgelöst hat, ist verständlich. In den letzten Jahren hatten Afrikas Demokraten selten Grund zu feiern. Von über 300 nationalen Wahlen seit 1990 haben Oppositionsparteien auf dem Kontinent nur rund jede zehnte für sich entschieden. Nur eine Handvoll Staaten – unter ihnen Sambia, Ghana und Malawi – erlebten mehr als einen Wahlsieg der Opposition. Die Demokratisierungswelle, die nach dem Ende des Kalten Kriegs auch Afrika erfasst hatte, war zuletzt abgeebbt: Der Think-Tank Freedom House, der Ländern jährlich Demokratie-Noten verteilt, bewertete in diesem Jahr 20 afrikanische Länder als «nicht frei». 2008 waren es erst 14 Länder gewesen.

Hakainde Hichilemas Wahlsieg ist umso bemerkenswerter, weil er gegen einen Amtsinhaber gelang, der viele autoritäre Register zog: Edgar Lungu, der Sambia seit 2015 regierte, besetzte Gerichte mit loyalen Richtern, schüchterte unbequeme Journalisten ein, versuchte die sozialen Netzwerke per Gesetz zu zähmen, und schickte vor der Wahl die Armee auf die Strasse. Dennoch hatte er am Ende mehr als 20 Prozentpunkte Rückstand auf seinen Herausforderer.

Das Militär half Lungu nicht

Der Politikwissenschafter Nic Cheeseman, der an der Universität Birmingham zu afrikanischen Demokratien forscht, warnt jedoch davor, die sambische Wahl als Fanal für ganz Afrika zu sehen. Er sagt am Telefon: «Die Bedingungen, die Hichilemas Sieg möglich gemacht haben, fehlen in vielen autoritär regierten Ländern auf dem Kontinent.»

Cheeseman meint zum Beispiel das Militär: In Sambia wurde die Armee zwar vor der Wahl eingesetzt, am Ende verhielt sie sich aber professionell. Das sei, so Cheeseman, in Ländern wie Uganda oder Rwanda, in denen die Regierung und der Sicherheitsapparat passgenau verzahnt seien, anders. Meistens hätten sich afrikanische Demokratien aus früheren Einparteienstaaten entwickelt, die dann pluralistischer geworden seien. Frühere Militärdiktaturen dagegen seien in aller Regel autoritär geblieben – eine Ausnahme ist Ghana.

Cheeseman nennt auch sambische Eigenheiten als Gründe für den Sieg von Hakainde Hichilema. So seien Sambias Politiker – anders als zum Beispiel ihre kenyanischen Kollegen – weniger geschickt darin, ethnische und religiöse Unterschiede zur Mobilisierung von Wählern zu nutzen. Deshalb habe Lungu selbst in seinen Hochburgen viele Stimmen an Hichilema abgeben müssen. Vor allem, so Cheeseman, hätten viele Sambier bereits erlebt, dass es möglich sei, Präsidenten abzuwählen – «sie sind bereit, die Opposition zu wählen, weil sie glauben, mit Wahlen den Lauf der Dinge verändern zu können».

Das glauben seit Hichilemas Wahlsieg demoralisierte Demokraten in vielen afrikanischen Staaten wieder, trotz allen Widerständen. Autoritäre Staatsführer dagegen verfolgen die Vorgänge mit Argwohn. Simbabwes Präsident Emmerson Mnangagwa kündigte vergangene Woche vorsorglich an: «Was in Sambia passiert ist, wird hier nicht passieren.»