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Beitrag vom 09.02.2021

Achgut.com

Afrika-ABC in Zitaten: Tradition, Träume der Migranten, Tribalismus (30)

von Volker Seitz

Tradition

„Ein Muslim, ein Jude oder ein Hindu verfügt jeweils nur über eine begrenzte Auswahl an Sachen, die nicht in den Schriften verboten sind. Hinzu kommt noch, dass das, was nicht von der Religion tabuisiert ist, von der Tradition verboten wird.“ Nuruddin Farah (Somalia) „Tochter, Frau“, Suhrkamp 2010 (S. 129)

„Ich hatte eine besondere Aufgabe. Ich musste die Wasserschüssel, in der die Leute ihre Hände waschen konnten, herumtragen. Ich tat das nicht gern, denn man musste den Rang aller Anwesenden im Verhältnis zu den anderen sehr gut kennen, denn sonst beging man leicht Fehler, besonders bei so vielen Leuten. Heute war es besonders heikel, denn obwohl Babamukuru der Ehrengast war, waren einige männliche Verwandte höheren Ranges anwesend. Nach einer wohlbedachten, vielleicht voreingenommenen Entscheidung kniete ich zuerst vor Babamukuru, was sich als Fehler erwies, denn er wollte, dass zuerst sein Onkel Isaiah, unser ältester Großvater, sich wasche. Ich kniete nieder und erhob mich und kniete nieder und erhob mich vor allen meine männlichen Verwandten in der Reihenfolge ihres Alters, und anschließend vor meinen Großmüttern und Tanten, stets die Wasserschüssel und das Handtuch reichend. Die Situation wurde schwieriger... denn danach war die Reihenfolge unklar... bestand jede Seite darauf, dass die andere höher gestellt sei und somit sich zuerst waschen sollte.“ (S. 60/61)

„Sie hätten sich im Haus wohler gefühlt, aber dort konnten sie unmöglich schlafen. Auf Grund ihres hohen Ranges konnte Tete nicht in einem so öffentlichen Raum wie dem Wohnzimmer schlafen, wenn intimere Zimmer zur Verfügung standen.“ (S. 185) aus Tsitsi Dangarembga „Der Preis der Freiheit“, rororo, 1991

[Das Buch der Autorin aus Simbabwe ist 2019 unverändert, jedoch mit dem neuen Titel „Aufbrechen“ im Orlanda Verlag erschienen.]

Träume der Migranten

Abasse Ndione schreibt in „Die Piroge“ über die Träume der Migranten: „Sie sahen sich schon in Europa: Bei ihrer Ankunft hatten sie neue Kleider bekommen, waren auf den Kanarischen Inseln in ein Rot-Kreuz-Lager in Quarantäne gesteckt und dort geimpft worden, und man hat sie mit gutem Essen im Überfluss versorgt. Dann, am neununddreißigsten Tag, hatte jeder von ihnen ein Mobiltelefon und 50 Euro erhalten. Am nächsten Tag hatte man sie mit anderen Emigranten aus demselben Lager in ein Flugzeug in Richtung Kontinent gesetzt und sie dann auf die großen Städte des spanischen Königreichs aufgeteilt. Dabei wurde ihnen erklärt, dass sie den Status von Einwanderern ohne Papiere hatten. Baye Laye und Kaaba empfahlen den Dorfbewohnern, ihre Ausweispapiere zu verbrennen, damit sie von den spanischen Behörden nicht in ihr Land zurückgeschickt werden konnten.“ (S. 23)

„Sehr bald hatten sie dann in den riesigen landwirtschaftlichen Betrieben zu arbeiten begonnen, halfen bei der Weinlese, fuhren auf den Mais- und Weizenfeldern mit dem Traktor, ernteten Zitrusfrüchte, Tomaten und Oliven. Eine tolle Arbeit, viel weniger anstrengend als die harte Feldarbeit, die sie gewohnt waren, sehr gut bezahlt, 1.200 Euro, 800.000 CFA-Francs pro Monat. Ein wahres Vermögen! Die Hauptsache war jetzt, den im Dorf in der ärgsten Armut zurückgelassenen Verwandten Geld zu schicken, eine große Villa zu bauen, Vater, Onkel oder Mutter auf die Pilgerreise nach Mekka zu schicken und eine Toubab, also eine weiße Frau zu heiraten, um zu zeigen, dass man es geschafft hatte, endlich wünschte sich das lang begehrte junge Mädchen, das mit dem armen Verehrer früher nicht einmal sprechen wollte, jetzt nichts sehnlicher, als die Ehefrau des reichen Emigranten zu werden, der regelmäßig Euros schickte, für schöne Kleider, einen Mercedes, einen Obstgarten, Rinder, eine Zahnprothese, um das Fleisch, das man jetzt kaufen konnte, zu kauen.“

In dem Buch der nigerianischen Autorin Sefi Atta (Wole Soyinka Price for African Literature) „Hagel auf Zamfara“ (Peter Hammer Verlag, 2012) wird ein junger Migrant gefragt: „Hast du jemanden in Europa als Anlaufstation? fragt sie. ‚Nee.' Was hast du vor, wenn du erst einmal dort bist? ‚Fußball spielen.' Wirklich? ‚Jep, und ich werde berühmt, und dann nehme ich mir eine weiße Frau. Die sollen weniger Ärger machen.“ (S. 115)

Tribalismus

Die Friedensnobelpreisträgerin (2004) Wangari Maathai in ihren Erinnerungen „Afrika mein Leben“, Dumont, 2008: „Ich ahnte nicht, dass Tribalismus und andere Formen der Korruption zu den verhängnisvollsten Störfaktoren unserer Gesellschaft werden sollten und dass sie viele Träume des kenianischen Volkes nach der Unabhängigkeit zunichtemachen würden.“ (S. 131)

Veye Tatah, eine kamerunische Journalistin, Informatikerin und Chefredakteurin des Magazins „Africa Positive“, schreibt in ihrem Editorial der Nummer 78/2020: „Tribalismus hat sich in vielen gesellschaftlichen Bereichen ausgebreitet und und beherrscht häufig die politische Szene. Am Beispiel Kameruns, des „Afrika im Kleinen“, wie es wegen seiner Vielfalt oft genannt wird, kann man sehen, wie entwicklungshemmend Tribalismus ist. Kamerun hat über 250 ethnische Gruppen. Das Land hat Französisch und Englisch als Amtssprachen. Die seit 38 Jahren amtierende Regierung Paul Biyas hat den Tribalismus in Politik, Wirtschaft und Justiz extrem verschärft. Viele der besten Posten werden an Menschen seiner Ethnie verteilt. Kompetenz spielt keine Rolle. Hauptsache die Macht bleibt unter seinesgleichen. Gut funktionierende Unternehmen wurden dadurch ruiniert, die Entwicklung des Landes stagniert. Viele Richter und Staatsanwälte kommen aus der Ethnie des Präsidenten.Von einem Rechtsstaat kann keine Rede sein.“

In ihrer Autobiografie „Mein Leben für Liberia“ (deutsche Ausgabe im Krüger Verlag, 2009) schreibt Ellen Johnson Sirleaf in der Einleitung: „3,5 Millionen Menschen, Angehörige von etwa 16 ethnischen Gruppen, leben in diesem Land, und sie sprechen 16 afrikanische Sprachen und zusätzlich Englisch. Man kennt dort keine Wirbelstürme, Tornados, Erdbeben, Dürren und andere Naturkatastrophen, es gibt höchstens einmal eine Überschwemmung. Viel häufiger sind die menschengemachten Verheerungen... Wir wussten in unserer ganzen Geschichte nie genau, ob wir echte Afrikaner waren oder nur verpflanzte Amerikaner. Obwohl die Mehrheit unserer Bevölkerung einheimischen, eingeborenen Ursprungs ist, rief die aufgepfropfte Überlegenheitskultur der Siedlerschicht über die Jahre viel Leid hervor und weckte in allzu vielen die Sehnsucht, wie diese Elite zu sein, irgendwie afrikanisch und zugleich auch nicht.“ (S. 389)