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Beitrag vom 08.12.2016

FAZ

Wenn der Ferrari beschlagnahmt wird

Im Zusammenhang mit Geldwäsche und Korruption hat die Schweizer Justiz 6 Milliarden Franken sichergestellt. Und nun?

Von Johannes Ritter

BERN, 7. Dezember
Fast wäre es Teodorin Obiang noch gelungen, seine teuren Spielzeuge aus der Schweiz zu bringen. Anfang November ließ der Vizepräsident von Äquatorialguinea elf Luxuskarossen zum Flughafen Genf bringen, darunter mehrere Ferraris, ein McLaren P1, ein Bugatti Veyron mit 1000 PS und ein Porsche 918 Spyder. Doch kurz bevor die edle Fracht in das bereitstehende Transportflugzeug verladen werden konnte, schlug die Justiz zu. Der Genfer Staatsanwaltschaft ließ die Autos beschlagnahmen, denn gegen den Diktatorensohn, der seit einiger Zeit in Saus und Braus am Genfer See lebt, wird wegen des Verdachts der Korruption, Geldwäsche und Veruntreuung öffentlicher Gelder ermittelt.

Das ist nur einer von vielen Fällen, in denen die Schweizer Justiz im Rahmen ihres Kampfes gegen Geldwäsche und Korruption Vermögenswerte sichergestellt hat. Nach Aussage von Bundesanwalt Michael Lauber summieren sich die beschlagnahmten Vermögenswerte in der Schweiz auf 6 Milliarden Franken (5,5 Milliarden Euro). Dies sei auch im internationalen Vergleich ein „riesiger Betrag“, der sich unter anderem aus Kontobeständen, Fondsbeteiligungen, Aktien, Anleihen, Immobilien und Juwelen zusammensetze, sagt Lauber. Die größten Einzelsummen stammen aus dem Umfeld von Potentaten. Allein 800 Millionen Franken wurden auf Schweizer Konten des inzwischen verstorbenen usbekischen Alleinherrschers Islam Karimow eingesammelt. Im Gefolge des „arabischen Frühlings“ hat die Schweizer Staatsanwaltschaft Gelder in hoher dreistelliger Millionenhöhe konfisziert. Dabei ging es vor allem um das Clan-Vermögen des früheren ägyptischen Staatschefs Hosni Mubarak.

Was macht die Bundesanwaltschaft mit all den Milliarden? „Wir verstehen uns nicht als Vermögensverwalter“, sagt Lauber. Gleichwohl müssen er und seine Mannen natürlich darauf achten, dass die beschlagnahmten Werte nicht Schaden nehmen und an Wert verlieren. Zudem müssen sie der 0oftmals schwierigen Frage nachgehen, wem die illegal erworbenen und gewaschenen Gelder eigentlich gehören. Was die veruntreuten und in der Schweiz geparkten Millionenbeträge ehemaliger Diktatoren betrifft, haben die Eidgenossen zur Mitte dieses Jahres eine neue Verordnung erlassen, in der auch die Regeln für eine etwaige Rückerstattung an die geschädigten Herkunftsländer festgehalten ist. Nach Angaben des Außenministeriums hat die Schweiz in den vergangenen 15 Jahren insgesamt 1,8 Milliarden Franken Potentatengelder zurückerstattet – mehr als jeder andere Finanzplatz.

Kritiker indes zäumen das Pferd andersherum auf: Die hohe Summe beschlagnahmter Gelder ist für sie ein Signal, dass die liberale Schweiz nach wie vor ein Hort für reiche Diktatoren und Kriminelle ist, die dort ihr Schäfchen ins Trockene bringen wollen. Mark Pieth, Kriminologe und Strafrechtler an der Universität Basel, beschreibt die Eidgenossenschaft als „Piratenhafen“, der trotz internationalem Druck bisher nur teilweise von seinem opportunistischen Geschäftsmodell abgelassen habe. Gegenüber dieser Zeitung weist er aber auch darauf hin, dass das Land wegen seiner starken Stellung in der privaten Vermögensverwaltung gleichsam automatisch besonders großen Risiken ausgesetzt sei. Die Schweizer Banken verwalteten Ende 2015 knapp 6,6 Billionen Franken. Ihr Marktanteil im grenzüberschreitenden Privatkundengeschäft betrug 25 Prozent.

Für Alexander Karrer, stellvertretender Leiter des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen, sind die beschlagnahmten 6 Milliarden Franken ein Zeichen dafür, dass die Schweizer Aufsichts- und Meldesysteme zur Bekämpfung von Geldwäsche, Korruption und Terrorismusfinanzierung gut funktionieren. Karrer sieht sich in diesem Urteil durch die Groupe d’action financière (Gafi) bestätigt. Dieses von den G-7-Staaten gegründete zwischenstaatliche Gremium hat 40 Empfehlungen erarbeitet, die den internationalen Standard in der Geldwäsche- und Korruptionsbekämpfung bilden. Zwei Jahre hat die Gafi geprüft, inwie weit die Schweiz diesem Standard entspricht. Nach dem am Mittwoch veröffentlichten Prüfbericht hat das Land dabei insgesamt ordentlich abgeschnitten und im Vergleich zu den zehn anderen Staaten, die bisher examiniert wurden, ein überdurchschnittliches Ergebnis erzielt. Deutschland nimmt die Gafi erst 2021 unter die Lupe.

Die Schweizer Rechtsvorschriften entsprechen in 31 von 40 Fällen weitgehend oder ganz den Empfehlungen der Gafi. Bezogen auf die Wirksamkeit der Maßnahmen hat die Schweiz in sieben von elf Punkten eine recht gute Note erzielt. Die Gafi lobt, dass die Zahl der Hinweise auf Geldwäscheverdacht in den vergangenen Jahren stetig gestiegen sei. Tatsächlich sind bei der polizeilichen Meldestelle für Geldwäscherei allein im vergangenen Jahr fast 2400 Hinweise eingegangen – 35 Prozent mehr als 2014. Die Expertengruppe moniert in ihrem Bericht aber, dass vielfach erst dann warnend die Hand gehoben werde, nachdem kritische Fälle ans Licht der Öffentlichkeit gekommen sind. Mark Pieth, der sich als Aufräumer im Fifa-Korruptionssumpf einen Namen gemacht hat, sieht die Banken in der Pflicht, mehr Eigeninitiative zu entfalten. Als traurige Beispiele für eine offenkundig unzureichende Früherkennung nennt er die Korruptionsskandale um den malaysischen Staatsfonds 1MDB und den brasilianischen Energieriesen Petrobras, in die auch etliche Kunden Schweizer Banken verwickelt sind.

Pieth teilt die Kritik der Gafi, dass Anwälte, Notare und Treuhänder in der Schweiz nur partiell dem Geldwäschereigesetz unterworfen sind: „Noch immer können Briefkastenfirmen im Ausland problemlos von der Schweiz aus gegründet werden.“ Man habe inzwischen zwar die ganz schmutzigen Geschäfte abgegeben, diese würden aber immer noch von der Schweiz aus organisiert.

Keine konkrete Empfehlung macht die Gafi zum 1000-Franken-Geldschein, über dessen Fortbestand spätestens seit der EZB-Entscheidung, den 500-Euro-Schein abzuschaffen, immer wieder diskutiert wird. Bargeld berge in puncto Geldwäsche immer ein gewisses Risiko. „Aber bisher gab es keine Hinweise, dass die große Stückelung ein Problem wäre“, sagt Alexander Karrer. Im Drogenhandel würden sogar eher kleinere Banknoten bevorzugt.