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Beitrag vom 04.08.2014

Handelsblatt

Symptomatischer Virus

von Wolfgang Drechsler

Die dramatische Ausbreitung der Ebola-Epidemie im Westen Afrikas zeigt vor allem eines: Der Kontinent ist in seinem Inneren weit fragiler, als es die derzeit verbreiteten Wachstumsszenarien
vermuten lassen. Sonst könnte sich die Krankheit nicht so unerwartet und langwierig halten. In anderen Weltregionen hätte Ebola jedenfalls kaum so heftig wüten können: 750 Todesopfer in sechs Monaten - es ist der schlimmste Ausbruch seit Entdeckung der Krankheit vor fast 40 Jahren im damaligen Zaire.

Die sträfliche Vernachlässigung der eigenen Gesundheits- und Bildungssysteme in fast allen
schwarzafrikanischen Staaten hat großen Anteil daran, dass Unwissen und Aberglaube in weiten
Bevölkerungskreisen vorherrschen - gepaart mit mangelnder Hygiene und fehlenden Investitionen
in Hospitäler und Personal ist das zu einem explosiven Gemisch eskaliert.

Dabei haben viele afrikanische Staaten Geld - vor allem Rohstoffe bringen es in die Kasse. Doch
statt ihre maroden Gesundheitssysteme zu verbessern, finanzieren Afrikas Führer lieber Hospitäler
im Ausland, die sie im Bedarfsfall selbst nutzen. So lässt sich Simbabwes Diktator Mugabe seit
Jahren in Malaysia und Singapur behandeln, die Hospitäler im eigenen Land sind ihm zu desolat.

Viel zu lange haben die Politiker in Westafrika zudem die Ebola-Gefahr heruntergespielt und als
dummes Gerede abgetan. Dabei könnte den Vormarsch der Krankheit ohne westliche Hilfe keine der Regierungen in Guinea, Sierra Leone oder Liberia stoppen. Wieder einmal erledigen Hilfsorganisationen wie "Ärzte ohne Grenzen" und ihre mutigen Mitarbeiter Aufgaben, für die eigentlich Afrikas Regierungen zuständig wären.

Zumindest ökonomisch dürften die Kosten dennoch überschaubar bleiben, schon weil ein Großteil
der Gelder aus dem Ausland kommt. Auch handelt es sich bei den drei betroffenen Ländern um sehr kleine Volkswirtschaften. Es gibt dort weder nennenswerten Tourismus noch eine international
verzahnte Wirtschaft.

Etwas ganz anderes wäre es jedoch, wenn der Virus auf Afrikas bevölkerungsreichsten Staat Nigeria
und dessen 175 Millionen Menschen übergreifen würde. Afrikas größte Volkswirtschaft leidet bereits jetzt unter einer mehrjährigen Terrorkampagne der Islamisten-Sekte Boko Haram, die
den staatlichen Zusammenhalt bedroht.

Negative Folgen dürfte die Ebola-Epidemie aber vor allem für das Image Afrikas haben und
womöglich auch die Bereitschaft, dort zu investieren, zumal die Nachrichten aus dem Kontinent
seit Jahresbeginn vor allem vom Terror in Schlüsselländern wie Nigeria und Kenia sowie von einem
brutalen Bürgerkrieg in Zentralafrika dominiert werden. Nun gesellt sich ein hochgefährlicher
Virus zu diesem unguten Mix.

Schuldlos sind Afrikas Regierungen an alledem sicher nicht: Vom Horn des Kontinents bis an die
westafrikanische Küste erstrecken sich viele Länder, deren Führer weder der Bedrohung durch den Terror noch durch tödliche Viren gewachsen scheinen. Um gegenzusteuern, müssten sie endlich mit dem Bau zumindest halbwegs tragfähiger Institutionen beginnen. Doch bis es dazu kommt, dürfte nach den Erfahrungen der Vergangenheit noch viel Wasser den Kongo hinabfließen.