Beitrag vom 15.07.2014
csr-news, Berlin
- Die gesellschaftliche und ökonomische Entwicklung
in Afrika braucht den Anschluss des Kontinents an die Weltwirtschaft. Die
Bundesregierung und Verbände werben insbesondere im Mittelstand um ein
wirtschaftliches Engagement auf diesem Kontinent. Über dessen Risiken und Chancen
sprach CSR NEWS mit dem Afrikaexperten und Buchautor Volker Seitz, der u.a. als
deutscher Botschafter in Kamerun tätig war.
CSR NEWS: Herr Seitz, der DIHK und andere preisen Afrika als den
Chancenkontinent für wirtschaftliches Engagement aus Deutschland an und
verweisen auf die kontinuierlichen Wirtschafts-Wachstumsraten, die junge
Bevölkerung und eine erstarkende Mittelschicht. Teilen Sie diesen Optimismus?
Volker Seitz: Chancen allein reichen nicht aus. Sie müssten auch genutzt werden. Bis
dahin bleibt das politische und wirtschaftliche Gewicht weit hinter seinen
Möglichkeiten zurück. Nach den "asiatischen Tigern†ist jetzt die Rede von den
"afrikanischen Löwen oder Elefantenâ€. Argumente sind günstige Konjunkturprognosen
und eine kleine Mittelschicht, denen mehr als 3000 Dollar pro Jahr zur Verfügung
stehen. Letztere würden einen riesigen Konsummarkt eröffnen.
Die großen Märkte existieren zweifellos, aber oft sind Zugang und Entwicklung
verbarrikadiert. Es liegt immer an den politischen Akteuren. Es gibt zwar gute
Wirtschaftsdaten, aber weder Wohlstand noch die Entwicklung werden gefördert.
Wirtschaftsboom ist in vielen Ländern die Angelegenheit eines festgefügten, familiär
und finanziell verbundenen Leitungspersonals, das von der breiten Bevölkerung
abgeschirmt ist. Afrika wird erst dann ein Hoffnungskontinent, wenn es ernsthafte
wirtschaftliche Reformen, eine Öffnung der innerafrikanischen Märkte, bessere
Investitionsgesetze, Verbesserungen im Bildungs- und Gesundheitssystem gibt. Einige
afrikanische Staaten bleiben Länder der Ungleichheit, solange privilegierte Eliten die
Regeln zu ihrem eigenen Vorteil und dem ihrer Anhänger verdrehen, das
Volksvermögen rauben und ins Ausland transferieren.
Differenzierter gefragt: Gibt es Regionen und Länder in Afrika bzw. gibt es einzelne
Branchen, in denen Sie Chancen für deutsche Unternehmen sehen?
Es gibt durchaus vielversprechende Entwicklungen - vor allem in kleinen Ländern
wie Ruanda, Botswana, Mauritius, Sambia, Senegal, Ghana, Namibia. Das sind Länder,
die gezielt daran arbeiten, die Rahmenbedingungen für Investoren zu verbessern. Ich
sehe Geschäftschancen für beratende Ingenieurbüros, für Lieferungen und
Investitionen in den Infrastruktursektor, im Energiesektor, in der Landwirtschaft unter
anderem für Landmaschinen, Wasser und Abwasser, Medizintechnik und
Nahrungsmittel. Einige Unternehmen - wie beispielsweise das Bauunternehmen
Bilfinger, Maschinenhersteller wie Liebherr oder Ingenieursbüros wie Lahmeyer - sind
bereits seit Jahrzehnten erfolgreich in Afrika aktiv.
Einige afrikanische Staaten machen gerade die ersten schlechten Erfahrungen mit
chinesischen Anlagen, die vor einigen Jahren installiert wurden. In Botswana
funktioniert z.B. das Kraftwerk in Morupule nicht .Der chinesische Betreiber musste
gehen .Durch eine internationale Ausschreibung erhielt nun der deutsche
Kraftwerksbetreiber STEAG den Zuschlag. STEAG soll es nun richten.
In der öffentlichen deutschen Unternehmenszusammenarbeit wird Unternehmen
eine wichtige Rolle zugewiesen. Welchen Beitrag für die Entwicklung Afrikas
können Unternehmen leisten - und wo sind Grenzen bzw. wo sind andere Akteure
gefragt?
Das Bruttosozialprodukt ist ein irreführender Indikator für die Wirtschaftsleistung oder
gar den sozialen und politischen Fortschritt eines Landes. Fünf Sterne Luxushotels und
Prachtstraßen in den afrikanischen Metropolen bedeuten noch nicht den Aufstieg
Afrikas. Tatsächlich hat das rapide Wirtschaftswachstum etwa auch
in Mozambique oder Angola bislang nicht zu einer "aufblühenden Mittelschicht†und
vielen neuen Arbeitsplätzen geführt. Viele auswärtige Investoren vermissen eine
befriedigende rechtliche Basis, eine Begrenzung der Korruption oder Bürokratieabbau.
Wo Willkür und Rechtsbeugung gegenüber afrikanischen Bürgern an der
Tagesordnung sind, können ausländische Investoren nicht sicher sein, ob eine neue
Regierung die Geschäftsvereinbarungen nicht nachverhandeln will. Eine
vertrauensvolle Zusammenarbeit ist so auf Dauer kaum möglich. Die sehr geringe
Kaufkraft der Bevölkerung, die unzulängliche Energie -und Verkehrsinfrastruktur und
das morsche Gebälk der afrikanischen Institutionen sprechen noch gegen größere
Direktinvestitionen.
38 der 54 Länder Afrikas sind in die höchsten Risikoklassen eingestuft. Nur etwa ein
Dutzend haben ein Anrecht auf eine Hermes-Bürgschaft des Bundes. Mit diesen
Staatsgarantien sichert die Bundesregierung Unternehmen ab, die sich in
Entwicklungsländern engagieren. Es gibt zwar Risiken, die liegen in der Natur eines
Versicherungsgeschäfts, aber in den letzten Jahren wurden eher Gewinne erzielt.
Ein größerer Teil der Entwicklungshilfe sollte als Staatsgarantie für mittelständische
Unternehmen gegeben werden. Das würde viele Menschen in Afrika in Lohn und Brot
bringen. Ich meine, die Bundesregierung sollte Mut beweisen und im Rahmen des
Afrikaengagements entsprechende Risiken absichern. Daneben sollten mit mehr
afrikanischen Ländern Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen werden, vor
allem mit Angola und Nigeria. Das Thema Investitionsschutz sollte auf europäischer
Ebene aktiv aufgegriffen werden, um Verhandlungen über europäische
Investitionsförderungs- und Schutzverträge aufzunehmen. Über die Verbände könnten
die Unternehmer auf die Bundesregierung einwirken.
Welche Rahmenbedingungen braucht das wirtschaftliche Engagement deutscher
Unternehmen in Afrika, damit dieses zum Erfolg führen kann?
Vor einem Engagement braucht ein Unternehmer eine unabhängige Risikoanalyse.
Zuverlässiges und zugleich aktuelles Datenmaterial von offiziellen Quellen ist faktisch
nur für wenige Länder und Branchen verfügbar. Ohnehin müssen Investoren oft
Pionierarbeit leisten und brauchen Geduld. Es mangelt häufig noch an
Rechtsstaatlichkeit und verantwortungsvoller Regierungsführung. Weitere
Investitionshemmnisse sind meines Erachtens die Korruption, unzuverlässige
Stromversorgung und fehlende qualifizierte Arbeitskräfte. Außer einigen seltenen
Ausnahmen gibt es weder ein qualitativ hohe Bildungsstruktur noch ein
leistungsfähiges Gesundheitssystem, das eine erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung erst
möglich macht. Wenn Mitarbeiter entsandt werden, schadet es nicht zu wissen, dass
Luanda (Angola) und N'Djamena(Tschad) weltweit die höchsten Lebenshaltungskosten
haben.
Wie bereitet sich insbesondere ein mittelständischer Unternehmer vor, der
Chancen für seine Firma in Afrika eruieren will?
Ich hatte während meiner Zeit in Afrika oft mit Geschäftsleuten zu tun, die es versäumt
hatten, sich rechtzeitig über die Geschäftspartner und die vertraglichen Grundlagen
kundig zu machen, was zu schwerwiegenden Konsequenzen führte. Wer investieren
möchte, sollte nicht mit Schreibtischkenntnissen nach Afrika kommen. Ein möglicher
Investor muss sich professionell bei Wahl der Geschäftspartner, bei der
Vertragsgestaltung beraten lassen, eine Risikoanalyse erstellen lassen und sich Zeit
nehmen, um gute Marktkenntnisse zu erwerben. Er braucht verlässliche Informationen
über potenzielle Geschäftspartner. Es ist empfehlenswert, auf kurzfristige Vorteile und
Abkürzungen zu verzichten. Sehr wichtig ist es, die Kundenbedürfnisse des Landes zu
kennen, die sich erheblich vom Westen unterscheiden können. So spielt z.B. Design in
Afrika eine geringe Rolle, wichtiger ist es, dass ein Gerät robust ist.
Wie beurteilen Sie die Situation in der (beruflichen) Bildung in Afrika? Sind in
diesem Zusammenhang auch Unternehmen gefragt?
Hervorragend ist die Initiative der Deutschen Wirtschaft SIFRI vom Afrika Verein(AV),
dem Bundesverband der Deutschen Industrie(BDI) und dem Deutschen Industrie-und
Handelstag (DIHK), die im südlichen Afrika junge Unternehmer und Manager in
moderner Unternehmensführung ausbilden. So werden die Verbesserung von
Organisation und Leistung, unternehmerisches Know-how, Wettbewerbsfähigkeit und
regionale Integration gefördert. Das Bildungssystem in Afrika südlich der Sahara ist oft
schlecht. Das bedeutet, dass es auf allen Ebenen schwierig ist, Mitarbeiter mit den
nötigen Fähigkeiten zu finden. Erfolgreiche ausländische Unternehmen haben ihr
afrikanisches Mittelmanagement mit Führungsqualitäten selbst ausgebildet. Sie sind
erfolgreich, wenn sie integre Personen gefunden haben, die motiviert jeden Morgen zur
Arbeit kommen und verstehen, dass ihr Erfolg und der Erfolg der Firma das Gleiche
sind.
Herzlichen Dank!
Volker Seitz, Jahrgang 1943, war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das
Auswärtige Amt tätig, unter anderem bei der EU in Brüssel, in Japan und in mehreren
Ländern Afrikas, und von 2004 bis zu seinem Ruhestand 2008 Leiter der Botschaft in
Jaunde/Kamerun. Im September 2014 erscheint die 7.aktualisierte und erweiterte
Auflage seines Buches "Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kannâ€