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Pour une autre politique de développement!

Beitrag vom 22.12.2011

Neue Zürcher Zeitung

Die Afrikaner wollen es selber richten
Der African Peer Review Mechanism zwischen Selbstzweck und entwicklungspolitischer Relevanz

mhf. Nairobi â‹… In einem schmucklosen Bürogebäude in Midrand, 30 km nördlich von Johannesburg, feilen 25 Fachleute am Projekt der afrikanischen Regierungsführung. Es gibt auf dem Kontinent wohl keinen unafrikanischer anmutenden Ort als Midrand, der Inbegriff südafrikanischer Suburbia. Auf beiden Seiten einer zehnspurigen Autobahn liegen Firmen- und Einkaufszentren, Parkplätze, Tankstellen, Fast-Food-Restaurants. Aber die 25 Mitarbeiter des Sekretariats des African Peer Review Mechanism (APRM) stört das nicht - schliesslich arbeiten sie an der Modernisierung Afrikas. Sie verfassen Länderberichte, schreiben sektorielle Analysen und bereiten afrikanische Gipfeltreffen vor.

Moïse Nembot, der stellvertretende Direktor, ist gerade aus Djibouti zurückgekehrt. Der Kleinstaat am Horn von Afrika war dem APRM 2007 als 27. Mitglied beigetreten, aber die Regierung schickt sich erst jetzt an, die obligatorische Landeseigenbewertung vorzunehmen. Dazu muss nach den Statuten eine nationale Organisation entstehen, an der Behörden, Parteien, der Privatsektor und Vertreter der Bürgergesellschaft teilnehmen. Nembot war zur Gründung einer Koordinationskommission in Djibouti. Der 48-jährige Kameruner erklärt verständnisvoll, der Ablauf habe sich verzögert, da in Djibouti 2008 und 2011 Wahlen stattgefunden hätten. Der APRM darf die politische Entwicklung in einem Land nicht stören. Nach Djibouti sind noch drei weitere Länder dem APRM beigetreten, 2010 als vorläufig letzter Staat Liberia.

Die Gründung des APRM 2003 im Schoss der Afrikanischen Union (AU) war zunächst umstritten. Der Grundidee, dass Afrika der Einmischung westlicher Geberländer vorbeugen und eigene Entwicklungsziele verfolgen sollte, konnten noch alle zustimmen. Als sich aber eine Reformagenda abzeichnete, die sich weitgehend auf eine liberale Doktrin abstützen würde, verunglimpften mehrere diktatorische Regime das Vorhaben als vorauseilenden Gehorsam gegenüber dem Westen. Seither haben sich die Wogen geglättet.

Abgesehen davon billigt der APRM durchaus die Ergänzung seines marktwirtschaftlichen Instrumentariums durch gezielte Staatsinterventionen wie Subventionen und protektionistische Massnahmen. Die kenyanische Ökonomin und Governance-Expertin Evelynne Change spricht in diesem Zusammenhang von einem «Hybriden verschiedener Entwicklungsdoktrinen».

Der APRM ist eine Art Prüfung, der sich die Mitglieder freiwillig unterziehen. Auf die genannte Landeseigenbewertung, der ein 88-seitiger einheitlicher Fragebogen zugrunde liegt, folgt die externe Begutachtung durch Fachleute, danach verfasst das Midrander Sekretariat einen konsolidierten Bericht.

Dieser ist kritisch und manchmal gar weitsichtig. 2007 hiess es zu Kenya, die Regierung unterschätze das Gewaltrisiko ethnisch-chauvinistischer Wahlkampagnen, Südafrika stand ins Heft geschrieben, die Regierung tue zu wenig gegen drohende fremdenfeindliche Ausschreitungen. In beiden Fällen traten die düsteren Ahnungen ein.

Die Länderberichte heben auch nachahmenswerte Erfolge hervor, zum Beispiel die Placierung von Stagiaires durch das Arbeitsamt in Benin zwecks Förderung des Unternehmertums. Die Berichte sind in 4 Kapitel mit je 5 bis 9 Zielsetzungen gegliedert. Ins Kapitel Demokratie gehört die Gewaltenteilung, unter makroökonomisches Management fallen Budgetpolitik und Korruptionsbekämpfung. In den übrigen Kapiteln geht es um soziale Wohlfahrt sowie die Regeln der Unternehmensführung, etwa für den Umweltschutz.

Die Berichte bieten eine Fülle von Informationen - ein nicht zu unterschätzendes Verdienst des APRM. Aber es hapert bei der Umsetzung von Reformen, was der Zweck der Übung wäre. Jeweils am Rande der Gipfeltreffen der AU stellt ein Rat der Weisen, dem angesehene afrikanische Wissenschafter und ehemalige Regierungsmitglieder angehören, die Berichte den Staatschefs des APRM vor. Sie werden einen Nachmittag lang diskutiert - und dann erst einmal ad acta gelegt. Die Erfinder sahen dies wohl voraus und hängten der eigentlichen Peer-Review eine weitere Phase an: Die Länder sind gehalten, Aktionspläne vorzulegen und regelmässig Fortschrittsberichte einzureichen.

Yarik Turianskyi vom Governance-Programm des South African Institute of International Affairs nennt als wichtigste Errungenschaft des APRM, dass dessen Zielsetzungen «gänzlich afrikanisch» seien. Dies zeigt sich an der Finanzierung. Die Mitgliedstaaten sind darauf bedacht, zwei Drittel der Kosten selber zu tragen. Das restliche Drittel stammt aus einem 2005 geäufneten Uno-Fonds, in den westliche Geberländer 14 Mio. $ einbezahlt haben. Für Gerald Duda, der in der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in Pretoria die Unterstützung für panafrikanische Programme leitet, ist der APRM eine «Erfolgsgeschichte der Afrikaner in ihren eigenen Augen». Laut Duda können sich Staaten einer Reformthematik nicht entziehen, wenn sie ihr einmal beigepflichtet haben.

Die Rückkoppelung funktioniert dort, wo organisierte Bürgergruppen den durch den Prozess gewährten politischen Raum zu nutzen wissen. Ist dies nicht der Fall und fehlt der politiche Reformwille, wird der APRM zum bürokratischen Selbstzweck. Als vorbildlich gilt Ghana, das Empfehlungen umsetzte, wie die Einrichtung einer Ombudsstelle für Handänderungen von traditionellem Landbesitz oder die Verkleinerung des Kabinetts. Rwanda übernahm am meisten Wirtschaftsförderungsmassnahmen, Südafrika brachte seine Aids-Politik auf Vordermann. Als schwarzes Schaf gilt Kamerun. Das Land trat 2005 dem APRM bei, hat aber noch nicht einmal die erforderliche Koordinationskommission gebildet.