Beitrag vom 22.12.2017
Eine neue Agenda für Afrika
Von Stefan Liebing und Christoph Kannengießer
Afrika wird dieses Jahrhundert mehr prägen als jeder andere Kontinent. Ob zum Guten oder zum Schlechten, das haben auch wir in der Hand. Bis 2050 wird sich die afrikanische Bevölkerung verdoppeln, von heute einer auf zwei Milliarden Menschen. Um die Folgen des Bevölkerungswachstums bewältigen zu können, braucht Afrika neben den eigenen Anstrengungen ausländische Investitionen und Partnerschaften. Die Weltgemeinschaft braucht aber auch Afrika. Herausforderungen wie Migration, Klimawandel und Ernährung sind ohne Afrika nicht zu lösen. Auch unser Wohlstand wird in den kommenden Jahrzehnten mit davon abhängen, wie Afrika mit seinen dann 25 Prozent der globalen Erwerbsbevölkerung sich weiterentwickelt.
Die ökonomisch führenden Staaten der Erde, die G20, haben auf ihrem diesjährigen Gipfel in Hamburg erste Schritte verabschiedet, die dazu beitragen sollen, dass Afrika den Anschluss an die globale Wirtschaft schneller schafft. Dieser sogenannte „Compact with Africa“ steht für eine neue Politik, einen „New Deal“ mit Afrika. Partnerschaft und das Ziel einer sich selbst tragenden ökonomischen Entwicklung gewinnen gegenüber der klassischen Geber-Nehmer-Beziehung der Entwicklungspolitik an Bedeutung. Es geht nicht zuletzt darum, Investitionen internationaler Unternehmen auf dem Kontinent attraktiver zu machen und so der ökonomischen Entwicklung Schub zu verleihen
Deutschland spielt hier noch nicht in der ersten Reihe mit. Zwar gehört es zu den großen Geberländern; die Präsenz deutscher Unternehmen auf dem Kontinent spiegelt sein Gewicht in der Weltwirtschaft dennoch längst nicht wider. Die zum Ende der vergangenen Wahlperiode gefassten Beschlüsse der großen Koalition zielen darauf, dies zu ändern. Das Zeitfenster, das jetzt zur Stärkung der wirtschaftlichen Kooperation mit Afrika geöffnet ist, gilt es zu nutzen: Die nächste Bundesregierung muss den Nachbarkontinent oben auf ihrer Agenda halten und die Forderung nach mehr Wirtschaft mit Afrika mit Leben erfüllen. Dazu drei Vorschläge:
Erstens muss die künftige Bundesregierung ihre Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik neu ausrichten und bündeln. Es sind zwei Seiten einer Medaille. Entwicklungszusammenarbeit muss sich stärker als bislang als Beschleuniger der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Afrika verstehen. Dazu müssen die Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit auf die Förderung privatwirtschaftlichen Engagements ausgerichtet werden. Ein Ressort in einer neuen Bundesregierung, in dem die Außenwirtschaftsförderung und die auf die Privatwirtschaft ausgerichtete Entwicklungszusammenarbeit gemeinsam verantwortet wird, könnte neue Impulse setzen und manche Blockade überwinden. Der Fokus sollte eindeutig auf der Stärkung der Privatwirtschaft in Afrika liegen.
Zweitens gilt, dass für den Wohlstand Afrikas vor allem die Mobilisierung privaten Kapitals entscheidend ist. Die innovativsten Entwicklungshelfer sind oft kleine und mittlere Unternehmen. Aber auch Großprojekte können Initialzündungen auslösen. Das Interesse in der deutschen Wirtschaft an Afrika wächst langsam. In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Investitionen und Handelsvolumina zwischen Deutschland und Afrika immerhin verdoppelt. Deutsche Unternehmen haben mit ihren Produkten und Technologien weltweit nachgefragtes Knowhow für die Herausforderungen des Klimaschutzes und der Industrialisierung zu bieten. Deutschland hat ein besonderes Interesse an der weiteren Entwicklung Afrikas. Als eine der exportstärksten Nationen ist es auch bei den Direktinvestitionen eine hochinternationalisierte Volkswirtschaft. Vor allem die mittelständischen Unternehmen brauchen auf schwierigen Märkten aber auch staatliche Unterstützung. Wichtig sind hierfür beispielsweise eine Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten und die Ausweitung von Bürgschaften etwa für Exporte oder die Projektentwicklung.
Als Alternative oder Ergänzung zu traditionellen Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit sollten auch Initiativen gefördert werden, die unmittelbar zur Schaffung von Arbeitsplätzen vor Ort beitragen. Industrieparks oder Sonderwirtschaftszonen, in denen für internationale und lokale Unternehmen die notwendige Infrastruktur und gute marktwirtschaftliche und rechtsstaatliche Bedingungen bereitgestellt werden, können den Aufbau lokaler, arbeitsintensiver Wertschöpfung massiv beschleunigen.
Drittens brauchen wir einen neuen Blick auf Afrika. Armut, Gewalt, Krankheiten bestimmen die oft sehr einseitig vermittelte Wahrnehmung des Kontinents immer noch. Es gibt aber heute vor allem wirtschaftlich blühende Zentren, mit jungen hochmotivierten Menschen, wertvollen Rohstoffen, einer sich diversifizierenden Wirtschaft und vielerorts verbesserten politischen Rahmenbedingungen. Wir sollten Afrika nicht länger als Armutskontinent, sondern als Wirtschaftspartner betrachten. Afrika ist ein wichtiger Teil unserer Zukunft. Die deutschen Unternehmen sollten ihre Chancen nicht nur in China und Indien, sondern auch in Afrika ergreifen. Die deutsche Politik sollte sie bestmöglich unterstützen.
Lernen können wir von China, das in Afrika seit der Jahrtausendwende klare strategische Ziele verfolgt. Seine enormen Investitionen in Infrastruktur und Industrie kurbeln die dortige Wirtschaft an. Ohne Zweifel hat das chinesische Engagement auch Schattenseiten, die in keinem Fall als Vorbild taugen, etwa hinsichtlich des Umgangs mit Korruption. Aber es ist sinnvoll, wenn chinesische Unternehmen komplette Lösungen auch mit Hilfe staatlicher Finanzierung anbieten. Im Gegenzug für den Zugang zu Rohstoffen und Lebensmitteln vergibt die chinesische Regierung zinsgünstige Kredite. Allein 2016 hat China mehr als doppelt so viele neue Direktinvestitionen getätigt wie die Vereinigten Staaten. Der Ausbau der Infrastruktur ist die wichtigste Voraussetzung für Produktivität, nachhaltiges Wachstum und gute Arbeitsplätze.
Die deutsche Wirtschaft wird in Afrika wegen der hohen Qualität und der Langlebigkeit der Produkte und Anlagen sehr geschätzt. Warum arbeiten wir im Rahmen der G-20-Initiative nicht stärker mit China zusammen? Das chinesische Projekt einer Neuen Seidenstraße bietet hierfür eine hervorragende Gelegenheit. China will eine neue Ära der Globalisierung einläuten. Man habe selbst lange Zeit von der Globalisierung profitiert, nun wolle man auch andere Länder an den Vorteilen teilhaben lassen. Nehmen wir Peking beim Wort! Jetzt ist der Zeitpunkt, die Initiative der G-20 mit Leben zu erfüllen – gemeinsam und für Afrika.
Stefan Liebing ist Vorsitzender, Christoph Kannengießer Hauptgeschäftsführer des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft.